Ein neues Dach für die Madafeh
Bereits seit 2016 realisiert das DAI in Zusammenarbeit mit der jordanischen Antikenverwaltung mehrwöchige Trainingsprogramme im antiken Gadara und dem benachbarten modernen Umm Qays zur Vermittlung von Steinmetztechniken und Grundwissen zu Themen der Bauwerkserhaltung und -sicherung. Seit 2019 finden die Kurse in einer teilzerstörten Hofanlage im historischen Kern des oberen Dorfes (sog. Hara Foqa) von Umm Qays statt, die sukzessive im Rahmen der Trainingskurse denkmalgerecht instandgesetzt wird.
Trainings- und Fortbildungsmaßnahmen 2021
Die Trainings- und Fortbildungsmaßnahmen konnten 2021 mit großem Erfolg fortgeführt werden. Ziel des bis 2024 konzipierten Programms ist die Entwicklung und Etablierung einer Schulungs- und Arbeitsstätte für Handwerker in der Bauwerkserhaltung (v. a. Steinmetz- und Zimmermannshandwerk). Im Rahmen der Kurse sollen die Teilnehmer gemeinsam mit ihren Trainern eine historische Hofanlage instand setzen und dabei mit historischen aber auch mit modernen Bautechniken vertraut gemacht werden. Der sog. Werkhof soll perspektivisch als eine Art Ankerpunkt für Trainingsprogramme in der Bauwerkserhaltung und -Sicherung genutzt werden und in die Region ausstrahlen. Die Maßnahmen sind ein Baustein im KulturGutRetter-Projekt zur Entwicklung eines Mechanismus zur schnellen Hilfe zum Schutz und Erhalt von Kulturgut in Krisensituationen weltweit
Auf dem Programm für September bis Oktober 2021 stand insbesondere die Wiederherstellung des ehemaligen Gast- und Versammlungsgebäudes, der sogenannten Madafeh. Dabei lag der Schwerpunkt auf der Neuerrichtung der fast vollständig zerstörten Nordfassade sowie dem Wiederaufbau der historischen Dachkonstruktion nach vorangegangener Auswertung der Baubefunde.
Die Planungen wurden bereits 2019 mit der jordanischen Antikenverwaltung abgestimmt, sodass in diesem Jahr direkt mit der Ausführung der Arbeiten begonnen werden konnte. Am diesjährigen Programm nahmen Männer aus der unmittelbaren Nachbarschaft bzw. nach Jordanien geflüchtete Syrer teil und wurden dabei von vier erfahrenen Handwerkern Tobias Horn, Ronny Brühl, Peter Sistig und André Gravert angeleitet und ausgebildet. Zehn Arbeiter, die bereits in den vergangenen Jahren an einem oder mehreren Trainingskursen teilgenommen hatten, waren für die Baumaßnahmen verantwortlich. Weitere acht junge Männer absolvierten den diesjährigen Grundlagenkurs und wurden in Techniken des Steinmetzhandwerkes geschult.
Durch die Gleichzeitigkeit des Ausbildungs- und Bauwerkserhaltungsprogramms entstanden wechselseitige Synergien, die ein produktives Miteinander förderten und für die Arbeiten und Kursteilnehmer einen großen Mehrwert bedeuteten. So konnten beispielsweise die Teilnehmer des Steinmetzkurses neben der Ausbildung am Stein auch Einblicke in die komplexen Instandsetzungs- und Wiederaufbauarbeiten der Hofanlage erhalten und wurden bei Bedarf aktiv in den Bauprozess eingebunden.
Ergebnisse
Die fertiggestellte Nordfassade der Madafeh orientiert sich in ihrer Erscheinung an historischen Vorbildern aus dem unmittelbaren baulichen Kontext und in ihrer Ausführung als zweischaliges Mauerwerk am Gebäudebestand. Zur besseren Ablesbarkeit der wiederhergestellten Bereiche wurden in der Außenschale der Fassade ausschließlich neue Steine verbaut. Die dafür benötigten Basalt- und Kalksteinquader wurden in der passenden Größe maschinell vorgefertigt, auf der Baustelle im Rahmen des Grundlagenkurses steinmetzmäßig bearbeitet (behauen und gespitzt) und schließlich von den erfahrenen Arbeitern im Fassadenmauerwerk versetzt. Während des Bauprozesses wurden die Abläufe so weit gefestigt, dass die Kursteilnehmer am Ende in der Lage waren die Arbeiten selbstständig durchzuführen.
Die Wiederherstellung der historischen Erddachkonstruktion stellte das Team vor besondere Herausforderungen. Zwar war der genaue Aufbau der Dachkonstruktion aufgrund vorangegangener detaillierter Untersuchungen bekannt, jedoch fehlte das handwerkliche Wissen über die Bauabläufe. Ein erster Testaufbau half bei der Einschätzung des Materialverhaltens. In enger Abstimmung mit dem Beratenden Ingenieur Axel Seemann wurden die einzelnen Schritte sowie das Mischungsverhältnis der Schichten während des Bauprozesses nach und nach optimiert und so verloren gegangenes Bauwissen neu entwickelt und rehabilitiert. Zwei vor Ort ansässige Kursteilnehmer waren in den gesamten Bauablauf eingebunden, um eine langfristige Nachsorge zu gewährleisten und das generierte Wissen über den Aufbau und die nötige Pflege des Daches vor Ort zu binden. Sowohl die Fassade als auch die Dachkonstruktion konnten in der beabsichtigen Zeit fertig gestellt werden.
Am 7. Oktober 2021 wurde nach europäischer Tradition im Beisein wichtiger lokaler Vertreter und aller am Bau Beteiligten das Richtfest gefeiert. Im kommenden Jahr soll der Innausbau realisiert werden, sowie der Einbau von Tür und Fenstern erfolgen. Der rund 60 m2 große Raum soll zukünftig als Ausstellungsraum genutzt werden, in dem die im Werkhof realisierten Arbeiten sowohl in Wechselausstellungen als auch am Bauwerk selbst veranschaulicht werden.
Organisation des Schulungsprogramms
Das Projekt war Bestandteil der am Deutschen Archäologischen Institut verankerten KulturGutRetter-Initiative und wurde als Teilmodul 6-A mit dem Titel „Planung und Konzepterstellung: Bauwerkserhaltung als Trainingsprogramm“ über Mittel des Auswärtigen Amtes finanziert.
Leitung und Durchführung: Deutsches Archäologisches Institut. Außenstelle Damaskus und Forschungsstelle des DAI in Amman in Kooperation mit dem Jordanischen Department of Antiquities
Kontakt
Dr.-Ing Claudia Bührig, Leiterin der Außenstelle Damaskus und Forschungsstelle des DAI in Amman, Claudia.Buehrig@dainst.de
Olga A. Zenker M.Sc., Planung und Koordination, Olga.Zenker@dainst.de