Klimawandel

erforschen

© DAI, Madrid // D. Banos

Die globalen Folgen des Klimawandels gehören zu den großen Herausforderungen unserer Zeit. In ihrer gesellschaftshistorischen Perspektive erlaubt archäologische Forschung auch, diese langfristigen Auswirkungen auf menschliche Gemeinschaften nachzuvollziehen. Dank unserer langen Tradition archäologischer und naturwissenschaftlicher Kooperation, bietet das DAI eine einmalige Forschungsumgebung, diesen Fragen nachzugehen. Nachhaltige Lösungen vergangener Gesellschaften zu verstehen und für die Zukunft nutzbar zu machen, steht dabei ebenso im Mittelpunkt wie der Schutz von Kulturgut vor den Folgen gegenwärtigen Klimawandels.

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Klimaarchive erschließen

Sedimentablagerungen samt Pflanzen- und Tierresten, die Jahrringe von Bäumen und sogar Tropfsteine in Höhlen dokumentieren als biologische und geologische Klimazeugen die unterschiedlichen Umweltbedingungen zum Zeitpunkt ihrer Entstehung. In der langen archäologischen Forschungstätigkeit des DAI konnten Kolleginnen und Kollegen auf zahlreichen Ausgrabungen in den unterschiedlichen Regionen der Welt eine Fülle auch solcher Quellen und Proben zusammentragen.

 Die Auswertung dieses großen vorhandenen und durch neue Forschung weiter ergänzten Probenbestands erschließt auch weiter zurückreichende Klimaarchive und macht sie für die Forschung zugänglich. So können in Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen anderer Fachdisziplinen aktuelle Klimamodelle über Zeitgrenzen hinweg vervollständigt und sehr viel genauere Prognosen erstellt werden.

Diese Klimadaten mit großer zeitlicher Tiefe erlauben uns, die komplexen Mechanismen hinter Klimawandel und Wetterphänomenen besser zu verstehen – und mit archäologischen Befunden zu verknüpfen. So liefern sie wichtige Anhaltspunkte dafür, welche der feststellbaren Umweltveränderungen natürlichen und welche menschengemachten Ursprungs sind. Wie sich diese Veränderungen schließlich auf frühere Gemeinschaften ausgewirkt haben, auf ihren Lebensraum, ihre Wirtschaftsweise und deren gesellschaftliches Zusammenleben, auch das kann archäologische Forschung zeigen. Welche Lösungen der Mensch in der Vergangenheit für diese Herausforderungen gefunden hat, wann und wo Gesellschaften sich an Umwelt- und Klimawandel anpassen mussten und wie ihnen das gelang, sind zentrale Fragen, zu deren Beantwortung die Archäologie beitragen kann und denen wir in den unterschiedlichen „Groundcheck“-Projekten nachgehen. Um damit Anregungen und Impulse auch für aktuelle Klimafolgenforschung zu geben.

© DAI, KAAK // C. Hartl-Reiter

Kulturerbe schützen

Archäologische Überreste sind oft die einzigen Zeugnisse früherer Kulturen. Doch auch diese Spuren der Vergangenheit sind in beispiellosem Maß von den Folgen aktuellen Klimawandels bedroht: Erosion, Stürme, Starkregen und Überschwemmungen, anhaltende Hitzeperioden und steigende Meeresspiegel führen schon jetzt zu unwiederbringlichem Verlust an vielen dieser einmaligen Stätten und Archive. Sie bedürfen heute einer gründlichen Dokumentation, Überwachung und nachhaltigen Schutzes.

Mit zunehmender globaler Erderwärmung schmelzen Gletscher und Eisschilde, die in der Folge den Meeresspiegel weiter ansteigen lassen. Zuletzt um etwa 3,4 mm jährlich und damit doppelt so schnell wie im vergangenen Jahrhundert. Die einst für Entstehung und Wachstum von Siedlungen vorteilhafte Lage am Wasser kehrt sich damit und mit zunehmenden Extremwettereignissen wie Sturmfluten nun in eine Bedrohung für deren archäologischen Überreste um. Wo das Eis zurückgeht, beschleunigt sich aber auch Erosion. Zwar verdanken wir den Gletschern und Permafrostböden spektakulär erhaltene Funde, die anderenfalls selten überliefert sind. Unter dem Einfluss steigender Temperaturen aber geben sie immer schneller immer mehr neues Material frei, dem mit konservatorischen Mitteln kaum noch beizukommen ist.

Die Archäologische Klimafolgenforschung auch unseres „Groundcheck“-Programms erschöpft sich deshalb nicht in der Untersuchung vergangenen Klimawandels, sondern muss auch die Auswirkungen aktueller klimatischer Veränderungen auf das kulturelle Erbe, die Veränderung von Küstenlinien, auftauende Permafrostböden und zunehmende Aridisierung von Landschaften in den Blick nehmen.

Auch hier tragen die umfangreichen Datenbestände und weit zurückreichenden wissenschaftlichen Dokumentationen des DAI und seiner Partner wesentlich dazu bei, solche Veränderungen zu erfassen und gefährdete Kulturerbestätten effektiv zu überwachen.

Durchführung der Bohrungen, Projekt "Alpine Interdependezen", Dachsteinplateau

© DAI, RGK // Roman Scholz

Mensch-Umwelt-Beziehungen erforschen

Die in langjähriger Forschung gesammelten Datenbestände des DAI sind eine wertvolle wissenschaftliche Ressource, die dank neuartiger Forschungsansätze neue Perspektiven auch in aktuellen Forschungsprojekten eröffnen können. Die Verknüpfung archäologischer Erkenntnisse, beispielsweise zu früher Landwirtschaft und antikem Wassermanagement, mit paläobiologischen Sammlungen und geowissenschaftlichen Informationen, führt zu neuen, spannenden Forschungsfragen:

Wie reagierten Gesellschaften auf globale Klimaphänomene – und welche Auswirkungen bemerkten sie davon in lokalen Ökosystemen?

Wie haben frühere Kulturen ihre Umwelt wahrgenommen?

Die regional sehr unterschiedliche Ausprägung von Klima und Klimawandel lässt die komplexen Zusammenhänge damit einhergehender Umweltveränderung oft erst in der Betrachtung längerer Zeiträume sichtbar werden. Die archäologische Rückschau vermag daher zu zeigen, wie sich selbst vermeintlich kleine Änderungen an den ökologischen Rahmenbedingungen auf die Lebensweise von Gesellschaften auswirken konnten. Im Mittelpunkt archäologischen Interesses steht deshalb nicht nur die Rekonstruktion früherer Lebensräume, sondern auch deren Einfluss auf das Zusammenleben menschlicher Gemeinschaften.

Welche Konsequenzen hatten Klimawandel und Wetterphänomene auf Wirtschaftsweise und Ressourcennutzung, Infrastruktur und Handelsnetze?

Nicht jedes Ökosystem, nicht jede Gemeinschaft war in gleichem Maße von diesen Veränderungen betroffen. Unterschiedliche lokale Rahmenbedingungen haben zu unterschiedlichen Anpassungsstrategien geführt. Oft aber haben gerade diese Situationen technische und soziale Innovationen hervorgebracht, die entscheidend für das Entstehen neuer Siedlungs-, Wirtschafts- und Gesellschaftsformen waren. Mit einem besseren Verständnis ökologischer und gesellschaftlicher Kipppunkte der Vergangenheit, können wir nachhaltige Lösungen auch zur Beantwortung von Klimafolgen für die Zukunft beitragen.