Archive als Wissensspeicher
Jeder archäologische Befund, jeder Fund kann nur einmal ausgegraben werden – die Ausgrabung als archäologische Methode zur Quellengewinnung ist ein destruktiver Bodeneingriff, der den ursprünglichen Fundzusammenhang auflöst. Der Dokumentation dieses Kontexts kommt deshalb größte Bedeutung zu: Während die Fundschichten also tiefer und tiefer abgebaut werden, wächst der Umfang dieser Dokumentation im Verlauf der Ausgrabung stetig an. Die dabei entstehenden Notizen, Zeichnungen, Fotografien und Tagebücher, die penibel jeden Arbeitsschritt dokumentieren und für Auswertung und Verständnis von Funden und Befunden unersetzlich sind. Als einmalige Primärquellen, von unschätzbarem Wert werden all diese Forschungsdaten an den einzelnen Standorten des DAI in eigenen Grabungsarchiven, Fototheken und Fachbibliotheken aufbewahrt und gepflegt.
Quellen erschließen
Das vielfältige Archivgut des DAI ist nicht nur für die archäologische Forschung wichtige Quellengrundlage. Die historischen Archive bieten in dort aufbewahrten Briefen, Protokollen, Verwaltungsdokumenten und Nachlässen auch wertwolle Einblicke in die Forschungs- und Wissenschaftsgeschichte unseres Faches und Instituts und dank dessen weltweiter Tätigkeit zugleich auch zur Geschichte der Auswärtigen Wissenschafts- und Kulturbeziehungen.
Nur Denkmäler, die auch bekannt und dokumentiert sind, können nachhaltig geschützt und erhalten werden. In enger Zusammenarbeit mit unseren Gastländern arbeiten die Kolleginnen und Kollegen in den Archiven des DAI deshalb außerdem beständig daran, diese Vielfalt dort dokumentierter Informationen zu historischen und archäologischen Stätten zugänglich zu machen. Insbesondere auch mit der digitalen Erschließung unserer Archivalien können wir so einen wichtigen Beitrag zum Beispiel für Auf- und Ausbau nationaler Denkmalregister leisten.
WISSEN DIGITAL UND ÜBERALL VERFÜGBAR
Fragile Papiere, auf Glasplatten aufgenommenen Fotografien aus dem 19. Jahrhundert und Nitratnegative sind besonders empfindlich – sie müssen nicht nur konservatorisch gesichert, sondern sollen mittels Massendigitalisierung auch in Form digitaler Kopien langfristig erhalten und zugänglich gemacht werden. Hinzu kommen zahlreiche neue Daten und Archivalien, Messungen, Zeichnungen und Fotografien, die auf modernen Ausgrabungen in ganz überwiegendem Maße nun digital produziert werden. Auch sie werden in den Archiven des Instituts gesammelt und verknüpft.
Im Mittelpunkt stehen dabei Leitmotive nachhaltiger Sicherung, Auffindbarkeit, Zugänglichkeit und Nachnutzbarkeit, wie sie in den sog. FAIR- (Findable, Accessible, Interoperable, and Reusable) und CARE-Prinzipien (Collective Benefit, Authority to Control, Responsibility, Ethics) zusammengefasst werden. Den „Leitlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft folgend, wollen wir es nicht dabei belassen, solche Primärdaten in Archiven vorzuhalten. Über die digitalen Informationsinfrastrukturen des DAI kann der Zugang zu diesen umfangreichen Dokumentationen von Altgrabungen sowie neue Daten aktueller Unternehmungen gleichermaßen sichergestellt, die so langfristig und ortsunabhängig für die weitere Forschung verfügbar sind.
Forschungsdaten-Infrastruktur
Um dieses Potential auszuschöpfen, hat das DAI mit der aus Open Source-Technologien aufgebauten iDAI.world eine umfassende digitale Forschungsumgebung eingerichtet. Sie ist Voraussetzung und Garant einer nachhaltigen Datensicherung und strukturierten Vernetzung dieser vielfältigen, stetig wachsenden Datenbestände. Modular aufgebaut, bietet sie eine Vielfalt digitaler Repositorien und Dienste wie umfangreiche Grabungsdatenbanken, digitale Kartenwerke und Bibliographien sowie offene Schnittstellen für den weiteren Datenaustausch. Ortsunabhängig überall online erreichbar, verbindet die iDAI.world so unter anderem umfangreiche Bildsammlungen und Beschreibungen zu archäologischen Stätten, Monumenten und Funden mit Informationen zu historischen Epochen und raumbezogenen Geodaten. Auch Datenbestände aus aktueller Feldforschung und digitalisierte Archivalien früherer Projekte finden in der iDAI.world ihren Platz und stehen damit Forscherinnen und Forschern zur Verfügung.
Mit diesem Bemühen um einen offenen Wissenstransfer in Forschung und Gesellschaft nimmt das DAI auch seine Verantwortung als wichtiger koordinierender Partner in der Erschließung komplexer Datenbestände im Rahmen der Nationale Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) wahr.