Region und Struktur

Im ersten Forschungsschwerpunkt geht es um Siedlungen und Heiligtümern und ihr Verhältnis zum Umland. Mit der Untersuchung der baulichen Struktur von Befestigungsmauern, Charakter und Funktion beschäftigen sich Projekte zur mykenischen Burgmauer von Tiryns sowie zu den Stadtmauern von Tithorea und Orchomenos. Die Veränderungen in Umbruchphasen wurden in Tiryns untersucht, wo in einmaliger Weise erstmals nachgewiesen werden konnte, dass nach der Zerstörung der mykenischen Paläste das Leben nicht abrupt endete, sondern in der Unterstadt fortgesetzt wurde. Zuletzt fanden hier Untersuchungen am nahegelegenen mykenischen Damm statt, der nicht nur eine außerordentliche Ingenieursleistung seiner Zeit darstellt, sondern Voraussetzung für neue Landgewinnung war, welche die Anlage der Unterstadt erst möglich machte.

Auch in der Umgebung des Heiligtums von Olympia indizieren kürzlich durchgeführte geoarchäologische und geophysikalische Prospektionen eine größere Ausdehnung der Kultstätte als bisher bekannt. Eventuell befand sich noch in historischer Zeit ein See im Südosten des Heiligtums, dessen Existenz unmittelbare Auswirkungen auf die Infrastruktur des Heiligtums haben würde. Wie sich eine Region aufgrund von natürlichen und anthropogenen Prozessen strukturell entwickelt, wird im Rahmen des multisdisziplinären deutsch-griechischen Projekts im Kephissostal erforscht. Zahlreiche erstmals kartierte antike Baustrukturen geben wertvolle Hinweise zur Rekonstruktion der Siedlungsentwicklungen von der Prähistorie bis in die Neuzeit. Auch auf Samos stehen in dem kürzlich begonnenen Fünfjahresprogramm Untersuchungen zur Landnutzung im Vordergrund. In geophysikalischen Prospektionen konnte die infrastrukturelle Anbindung des Heraions besser erfasst werden.

Ressourcen und Distribution

Insbesondere Fragen zu Produktionsprozessen und zum Wassermanagement werden im zweiten Forschungsschwerpunkt verfolgt. Für alle Grabungsplätze prägend sich Untersuchungen zum Wassermanagement: in Samos etwa in dem vor wenigen Jahren abgeschlossenen DFG-Projekt „Wasser und Kult“. Im Kerameikos von Athen wurden neben den wassertechnischen Infrastrukturen auch solche untersucht, die auf agrarische Produktionsprozesse hinweisen. Hier wurde vor kurzem die älteste bislang aus Athen bekannte Olivenpresse freigelegt, die im 5. Jh. v. Chr. angelegt wurde. Der Neufund liefert wertvolle Informationen zu Mechanismen der Produktion von Olivenöl. Darüber hinaus ließ sich im Kerameikos auch die Kooperation verschiedener Wirtschaftszweige am Beispiel von Töpferei und Ölmühle nachweisen. Weitere Aspekte der Keramikforschung, wie Herkunftsbestimmung, Rohstoffgewinung, Keramiktechnologie und -produktion, werden an der Abteilung auch anhand makroskopischer und materialanalytischer Untersuchungen der Fundkeramik untersucht.  So erlauben z. B. bisherige archäometrische Untersuchungen an der Fundkeramik der Kaiserzeit und der Spätantike in Kalapodi zum ersten Mal die Definition der Toneigenschaften lokaler Keramikwaren und es sich lassen Rückschlüsse auf die diachrone Entwicklung der Keramikproduktion in der Umgebung des Heiligtums ziehen. Ressourcengewinnung und Distribution bilden schließlich einen der Schwerpunkte des DAI-Clusters 8 „Ökonomische Netzwerke: lokale, regionale und globale Wirtschaftsdynamiken“, dessen einer Sprecher an der Abteilung Athen angesiedelt ist.

Transformationen

Im Fokus des dritten Forschungsfeldes stehen die Mensch-Umwelt-Beziehungen in historischer Perspektive, wobei auch im Rahmen eines Groundcheck-Programms Untersuchungen zum Klimawandel und deren Auswirkung stattfinden. Dies wird einerseits mittels Untersuchungen an Speleothemen als Klimadepots an Höhlen in der Umgebung aller Grabungsorte der Abteilung in Griechenland unternommen. In Samos erbrachte die 2022 durchgeführte erste Kampagne des neuen interdisziplinären Projektes zur kulturellen Resilienz des Umlandes des Heiligtums gegenüber ökologischen Veränderungsprozessen wichtige neue Erkenntnisse zur geologischen Struktur und Entstehung der das Heiligtum umgebenden Chora-Ebene. So zeigte sich etwa, dass noch bis weit in historische Zeit hinein östlich der Kultstätte eine Lagune existierte. Im Kephissostal konnten durch OSL-Datierungen am Bachbett des Kephissos Phasen von großen Hochwasserevents und Dürre bestimmt werden, die teils bislang ältere Daten aus Griechenland bestätigen, teils aber neue Events insbesondere in der frühen und mittleren Bronzezeit indizieren.

Höhle im Kephissostal © DAI Athen // Katja Sporn
Darstellung von Astronom Johann Friedrich Julius Schmidts Netzwerk von Bekanntschaften © Veronika Führer // Veronika Führer

Griechenland im Dialog mit Rom

Veränderungen infolge der römischen Eroberung Griechenlands sind in verschiedenen strukturellen Einheiten feststellbar, etwa in Siedlungsstrukturen und Heiligtümern. Bei den Untersuchungen in Elateia im Rahmen des Kephissos-Valley-Projects konnte etwa erstmals nachgewiesen werden, dass im 1. Jh. v. Chr. oder 1. Jh. n. Chr. große Veränderungen am Stadtplan vorgenommen wurden. Diese gingen mit umfassenden Planierungen und der Neuanlage eines ganzen Stadtteils einher. Die Transformationen von Heiligtümern in der römischen Kaiserzeit und der Spätantike werden in Olympia, Kalapodi und Samos erforscht. Ausgehend von der typologischen und archäometrisch ermittelten Provenienz der Fundkeramik von Kalapodi wird mittels Netzwerkanalysen und GIS-Modellierungen die Einbindung des Heiligtums in regionale und überregionale Verkehrswege im römischen Griechenland untersucht. In Samos und Olympia stehen bauforscherische Untersuchungen zu den Bauten der römischen Kaiserzeit im Mittelpunkt, um Veränderungen von Raumeinheiten zu dokumentieren, die verändertes Nutzungsverhalten der sakralen und profanen Räume belegen können. Dabei bildet der Übergang in die Spätantike und die damit verbundenen Prozesse der Aufgabe, Profanisierung oder Christianisierung antiker Kultorte ein besonderes Thema, das 2021 im Rahmen der internationalen Tagung „Twilight of the Gods: Greek Cult Places and the Transition to Late Antiquity“ aufgegriffen wurde.  

Das DAI Athen in historischer Perspektive

Die Geschichte der Abteilung ist Schwerpunkt verschiedener Projekte. Zunächst einmal muss der Bestand der wertvollen historischen Archivalien der Abteilung gesichert werden. Im Rahmen des DFG-Projekts „ARCHAthen“ werden tausende Dokumente aus den Beständen der Institutsakten, des Luftbildarchivs und der Nachlässe restauriert und archivisch erschlossen. Sie liefern wichtige Primärequellen für weiterführende Forschungen, auch im Rahmen von Qualifikationsarbeiten. So wurde etwa das kürzlich im Archiv entdeckte Tagebuch von Johann Schmidt (1825–1884), Direktor der Athener Sternwarte, im Rahmen einer Abschlussarbeit an der Universität West-Attika restauriert und in einer Diplomarbeit in Archivwissenschaften an der Universität von Wien transkribiert und inhaltlich ausgewertet. Dadurch konnten etwa bislang nie untersuchte wissenschaftliche und soziale Netzwerke im Athen des späten 19. Jh. rekonstruiert werden. Im Zuge des BMBF-Projekts „Shapes of Ancient Greece“ (SAG) zur Digitalisierung der Archäologischen Sammlung des DAI Athen konnte eine Reihe wichtiger Fundkomplexe rekontextualisiert werden. Aus den Sammlungsbeständen lassen sich wichtige Rückschlüsse auf die sich wandelnde Forschungspraxis und Sammelstrategie bei topographischen und landeskundlichen Untersuchungen ziehen, wie bald in einer online-Ausstellung gezeigt werden kann. Im Hinblick auf das 150jährige Abteilungsjubiläum 2024 werden in den Räumen der Abteilung eine Ausstellung und eine neue Institutsgeschichte vorbereitet, ein Oral Archive angelegt und regelmäßig in dem DAI-Blog People at the DAI Athens verschiedene Personen aus dem Institutsumfeld vorgestellt.