Unsere Strategie zum Schutz von Kulturgut
Aus der Arbeit mit den Zeugnissen der Vergangenheit ergibt sich eine besondere Verantwortung für den Schutz des kulturellen Erbes, dessen Bedrohung in den vergangenen Jahren stark zugenommen hat: Konflikte, Katastrophen menschgemachten und natürlichen Ursprungs sowie Auswirkungen des Klimawandels.
Das DAI setzt sich für den Schutz, den Erhalt und die Vermittlung des kulturellen Erbes ein. Es verfolgt dabei langfristige Strategien und baut zugleich seine Fähigkeit zur schnellen Intervention in Katastrophensitautionen aus. Das Projekt KulturGutRetter und die Implementierung dieses Mechanismus sind ein Schwerpunkt. Die KulturGutRetter werden wie auch weitere Projekte des Kulturerhalts vom Archaeological Heritage Network getragen. Das Netzwerk wird am DAI koordiniert und hat es sich zum Ziel gesetzt, die in Deutschland verfügbare Kompetenz im Feld Denkmalpflege und Kulturerhalt zu bündeln und so den Gastländern verfügbar zu machen. Zugleich sollen Verfahren und deren Anwendung im Austausch mit den spezifischen Erfahrungen und Fachkenntnissen in den Gastländern weiterentwickelt werden.
Schützen
Um kulturelles Erbe, Archive, Denkmäler und archäologische Stätten nachhaltig zu bewahren, bedarf es vor allen Dingen systematisch erschlossener und schnell verfügbarer Informationen. Wir können nur schützen und erhalten, was wir auch kennen. Denkmalregister ganzer Regionen und digitalisierte Museumsinventare sind deshalb zentrale Instrumente für diese Arbeit. Genau jene fehlen allerdings noch in vielen archäologischen Arbeitsgebieten der Welt. Der gezielten Digitalisierung unserer eigenen umfangreichen Archive kommt dabei eine ebenfalls grundlegende Rolle zu, weshalb Erschließung, Aufbereitung und Zugänglichkeit der hier gesammelten Informationen kontinuierlich vorangetrieben wird.
So konnte beispielsweise das durch den Berliner Bauforscher Friedrich Hinkel zusammengetragene Archiv zur Archäologie des Sudan mit Unterstützung durch das Qatar Sudan Archaeological Project digitalisiert und an die Kolleginnen und Kollegen vor Ort übergeben werden. Dort bildet es nun den Grundstein eines eigenen digitalen Denkmalregisters des Landes, von dem künftig Forschung und Denkmalpflege gleichermaßen profitieren werden.
Die Digitalisierung von Arbeitsprozessen zeigt sich aber auch an anderer Stelle als gewinnbringende Investition in den Kulturgutschutz. So haben sich nicht nur moderne Fernerkundungsmethoden, von geophysikalischer Prospektion am Boden bis zur Auswertung von Luft- und Satellitenbilden, sondern gerade auch digitaler Dokumentationswerkzeuge als schnelle und effektive Unterstützung in Bestandsaufnahme und Monitoring gefährdeter archäologischer Substanz bewährt. Das am DAI für Ausgrabungen entwickelte Open-Source-Dokumentationssystem iDAI.field beispielsweise kommt, in verschiedene Landessprachen übersetzt, auch in der denkmalpflegerischen Schadensdokumentation zum Einsatz.
Erhalten
Naturkatastrophen und andere Krisen der jüngeren Vergangenheit haben deutlich gemacht, dass die Entwicklung wirksamer Instrumente und eingespielter Arbeitsabläufe essentiell für eine rasche Reaktion und nachhaltige Beantwortung solcher Herausforderungen ist. Instrumente und Arbeitsabläufe, die im Ernstfall schon bereitstehen und abgerufen werden können, um schnell und vor allem auch mobil, zu helfen.
Um im Falle einer Katastrophe, nach Konflikten oder menschenverursachten Havarien in der Lage zu sein, weltweit einen Beitrag zum Schutz kulturellen Erbes leisten zu können, entwickelt das DAI gemeinsam mit starken Partnern entsprechende Minimalstandards und Workflows für eine schnelle Hilfe für bedrohtes Kulturgut.
Damit werden vorhandene Kompetenzen in Deutschland und der weltweiten wissenschaftlichen Gemeinschaft, wie sie z.B. im Archaeological Heritage Network (ArcHerNet) versammelt sind, zusammengebracht werden, die im Bedarfsfall Unterstützung bei Dokumentation und Sicherung beschädigter Bauwerke und gegebenenfalls gar Bergung gefährdeter Objekte leisten können. Das betrifft nicht nur die Vermittlung entsprechenden Fachwissens, sondern auch die Bereitstellung von Hilfsmaterialien, notwendiger digitaler und analoger Werkzeuge sowie einer grundlegenden Infrastruktur für die Koordination der notwendigen Arbeiten vor Ort. DAI und ArcHerNet haben diesen Gedanken beispielsweise gemeinsam mit dem Technischen Hilfswerk und dem Leibniz-Forschungsinstitut für Archäologie im KulturGutRetter-Projekt umgesetzt und damit einen international vernetzten Mechanismus zur Rettung akut bedrohter Kulturgüter entwickelt.
Es gilt, solche nachhaltig verfügbaren Strukturen für den Kulturgüterschutz dauerhaft zu etablieren und mit Blick auf ihre universelle Einsetzbarkeit kontinuierlich weiter auszubauen.
Vermitteln
Das für Schutz und Erhalt kulturellen Erbes notwendige Wissen zu teilen und entsprechende Ressourcen zugänglich zu machen, ist die logische Konsequenz engagierten Bemühens um den Kulturgüterschutz. Denn auch hier gilt, dass nur geschützt werden kann, was bekannt ist und geschätzt wird. Aufklärung und Information über gefährdetes Kulturerbe in öffentlichen Veranstaltungen und verschiedenen weiteren Formaten, digital und analog, sind deshalb ebenso wichtiger Teil dieses Engagements wie der wissenschaftliche Austausch von Forschenden am DAI mit Expertinnen und Experten in den verschiedenen Gastländern.
Das schließt die Zusammenarbeit mit internationalen Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen, die Ausrichtung von Konferenzen, aber auch insbesondere Fortbildungen zu diesen Themen ein. In Schulungen werden Gastwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler an den Standorten des DAI beispielsweise in theoretische und praktische Fragen der Denkmalpflege und grundlegende Methoden archäologischer Dokumentation und Bauaufnahme eingeführt. Ausbildungs- und Trainingsmaßnahmen vor Ort in den Gastländern und ein umfangreiches Angebot ebenfalls im Institut entwickelter Online-Kurse ergänzen dieses Programm um die Vermittlung traditioneller und moderner Dokumentationsmethoden. Sie sollen Kolleginnen und Kollegen vor Ort unterstützten, Kompetenzen gezielt auf- und Netzwerke auszubauen und stellen ihnen zu diesem Zweck unter anderem auch Übersetzungen wichtiger internationaler Standards, digitale Unterrichtsmaterialien sowie weitere eigens entwickelte Lehr- und Lerninhalte zur Verfügung.
Um diese Strukturen nachhaltig und dauerhaft zu stärken, wurde mit dem Online-Portal der iDAI.world ein Portal geschaffen, das all diese Ressourcen bündelt und ortsunabhängig und Open Access zugänglich macht.
Kulturgutretter
Die Vision – Entwicklung eines Mechanismus zur schnellen Hilfe für den Schutz und Erhalt von Kulturerbe in Krisensituationen weltweit.
Das Netzwerk – Das Archaeological Heritage Network (ArcHerNet) wurde 2016 gegründet und bündelt deutsche Kompetenzen im Bereich des Kulturerhalts und Kulturgüterschutzes im Ausland. Das Projekt wird von drei starken Partnern getragen.
Von der Forschung zum Site Management
Um den Erhalt der freigelegten und gefährdeten archäologischen Hinterlassenschaften auch für künftige Generationen sicherzustellen und zugleich die Erforschung und nachhaltige touristische Erschließung der Grabungsstätten zu ermöglichen, ist ein systematisches Site Management erforderlich. Dieses nimmt den einzelnen archäologischen Ort oder eine Kulturlandschaft als Ganzes in den Blick.
Wie sollen die historischen Hinterlassenschaften touristisch erschlossen und präsentiert werden?
Und vor allem: wie können sie denkmalgerecht nachhaltig geschützt werden?
Jede Maßnahme zum Erhalt des kulturellen Erbes und dessen Pflege setzt dabei zunächst seine Erforschung und wissenschaftliche Dokumentation voraus. Hier setzt die Arbeit des DAI an. Damit trägt es europa- und weltweit zum Erhalt und zur nachhaltigen Pflege des kulturellen Erbes in seinen Gast- und Partnerländern bei. Es betreibt damit aktive Kulturpolitik, wobei die archäologische Arbeit in den Ländern zudem auch häufig einen Beitrag zur Entwicklung und regionalen Wirtschaftsförderung leisten kann.
Guidelines & Tutorials
Die Erforschung, der Erhalt und die Vermittlung des kulturellen Erbes erfordert Wissen und Leitlinien. Dazu gehört auch technologisches Wissen für die Dokumentation und die Speicherung der zugehörigen Daten. Das DAI und seine Partner bauen mehrsprachige Dienste auf und stellen Leitlinien in verschiedenen Sprachen zur Verfügung. So gibt es zahlreiche Kurse, die die Dokumentation mittels Geoinformationssystemen (GIS) erklären aber auch ein Einführung in die Fernerkundung sowie der wichtigsten Open-Source-Fernerkundungsbilddatenbanken und vieles mehr. Zudem wurden in den letzten Jahren auch internationale Standards ins Arabische übersetzt, darunter die DFG-Praxisleitfäden "Digitalisierung“ oder das Open Archival Information System.
Digitale Denkmalregister
Auf Anfrage von Partnerländern unterstützt das DAI im Rahmen des Kulturerhaltes auch durch die Bereitstellung von Daten und die Unterstützung für den Aufbau nationaler oder regionaler Denkmalregister. Insbesondere durch immer weiter zunehmde Gefährdung des kulturellen Erbes durch Extremwetterereignisse infolge des Klimawandels und fortdauernd auch durch Kriege und Konflikte sind digitale Denkmalregister immer wichtiger geworden. Dies umfasst neben technischer Ausstattung auch Fortbildungsmaßnahmen zu Grundlagen und GIS-gestützten Methoden archäologischer Erfassung und Dokumentation als Teilaspekt des Aufbaus von Denkmalregistern als theoretischer Lehrgang mit anschließenden praktischen Übungen.
Weiterbildung und Capacity Building
Zu einem erfolgreichen Site Management im Sinne des Kulturerhalts gehören auch die nachhaltige Strukturbildung und Kompetenzentwicklung. Das DAI engagiert sich daher auch bei der Qualifizierung lokaler Arbeitskräfte und der Weiterbildung von Fachwissenschaftlerinnen und Fachwissenschaftlern sowie in der Entwicklung von Kooperationen mit wissenschaftlichen und politischen Institutionen vor Ort.
Unterstützung des Kulturerhalts
Viele Kultuerhaltsprojekte des DAI werden über das Kulturerhaltsprogramm des Auswärtigen Amtes gefördert. Seit 1981 unterstützt die Bundesrepublik Deutschland so die Bewahrung kulturellen Erbes in aller Welt. Das DAI setzt zudem eigene Mittel ein und wird von Stiftungen wie z.B. der Gerda-Henkel-Stiftung, der Hasso-Plattner-Foundation und Privatpersonen in seinem Engagement beim Kulturerhalt unterstützt.
Organisation und Rechtsrahmen
Im Bereich Kulturerhalt arbeiten am Deutschen Archäologischen Institut arbeiten zahlreiche Spezialist:innen und Disziplinen zusammen Beim Erhalt von Baudenkmälern ist besonders die historische Bauforschung und das Architekturreferat gefragt. Nicht wenige der Stätten, an denen das DAI weltweit tätig ist, gelten als Weltkulturerbe gemäß der UNESCO-Welterbekonvention. Neben den Vorschriften zum Denkmalschutz und Kulturerhalt in den Gastländern unterliegt das DAI bei der Konservierung und Restaurierung an archäologischen Stätten unter anderem der Konvention von Valletta, die den Schutz des archäologischen Erbes regelt.
Darunter fallen neben beweglichen Gegenständen vor allem „Bauwerke, Gebäude, Ensembles, erschlossene Stätten […und] Denkmäler jeder Art sowie ihre Umgebung“. Im Gegensatz zu archäologischen Funden erfolgen Maßnahmen zum Schutz, zur Erhaltung und Vermittlung des gebauten Erbes fast ausschließlich an Ort und Stelle unter Berücksichtigung der klimatischen Bedingungen sowie der Einbettung in die archäologische Stätte und die umgebende Landschaft. Die Charta von Venedig von 1964 über die Konservierung und Restaurierung von Denkmälern und Ensembles betont, dass die Erhaltung von Denkmälern durch für die Gesellschaft nützliche Funktionen begünstigt wird. Denkmalpflege und Kulturerhalt an archäologischen Stätten müssen daher einerseits die Erhaltung der historischen Bausubstanz und Zugänglichkeit für die Forschung, andererseits die Vermittlung und touristische Erschließung der Stätte miteinander vereinen. Alle Maßnahmen der Restaurierung und Konservierung, an denen das DAI beteiligt ist, werden im Vorfeld durch den Baudenkmalausschuss, ein unabhängiges Gremium aus Expertinnen und Experten, evaluiert.