Überblick
Der Forschungsschwerpunkt der Außenstelle Teheran zum „Iranischen Neolithikum“ umfasst mehrere Projekte, die in unterschiedlichen Konstellationen und Partnerinstitutionen in den letzten Jahren durchgeführt wurden bzw. noch andauern. Zentral stehen Faktoren und Motoren der Ausbreitung der neolithischen Lebensweise auf dem iranischen Plateau im Vordergrund, die - trotz intensiver Forschungsarbeit - immer noch von einer prominenten Datenlücke bestimmt wird: während schon um 10.000 BC entlang des Zagros frühe nahrungsproduzierende Gesellschaften herausbilden, werden weitaus größere Gebiete des iran. Hochlands erst mit einem voll entwickelten neolithic package vor 8000 Jahren erschlossen.
Aktuell im Fokus stehen die in den 1950er Jahren gegrabenen mesolithisch-neolithischen Höhlensequenzen bei Behshahr (Provinz Mazandaran), am Südostrand des Kaspischen Meers. Es ist nun eine lokale, eigenständige Kulturentwicklung zu beschreiben, die allerdings durch signifikante klimatische „Events“ unterbrochen wird: einmal um 8.500 – 8.300 BC und um 6.800/6.500 BC. Diese liefern eventuell eine Erklärung dafür, warum zwar Keramikproduktion und andere Teile des „neolithischen Pakets“ in der Region Einzug halten, Ackerbau und domestizierte Schaf/Ziege aber sehr spät nachweisbar sind.
Nachuntersuchungen in den Höhlenfundplätzen bei Behshar, Mazandaran Provinz
Die in den 1950er Jahren relativ schnell durchgeführten Untersuchungen von Carleton S. Coon ("The seven caves", publiziert in 1954) in den Höhlen bei Behshar in Mazanderan werden in den letzten Jahren (Komishani 2019, Kamarband 2021, und Hotu 2022) neu untersucht, um die dokumentierten Stratigraphien vom Mesolithikum-Neolithikum systematisch zu beproben und ggf. zu ergänzen. Neu ist die Beobachtung, dass die Siedlungsabfolge durch eingespülte Sedimentpakete mehrfach unterbrochen ist. Die neu gewonnenen absoluten Daten unterstützen die Vermutung, dass solche Events zwischen 200-400 Jahren dauerten und die lokale Kulturentwicklung aufgehalten bzw. gestört haben. Interessanterweise fallen diese Signifikanzen in den Übergang vom Mesolithikum zum Akeramischen Neolithikum bzw. in den Beginn des Neolithikums zwischen 9200 – 8500 v.Chr. Die darüberliegenden Schichten können aufgrund der Steingeräteindustrie dem akeramischen Neolithikum zugewiesen werden, die absoluten Daten liegen bei 8300/8200 v.Chr. Eine zweite Unterbrechung der Siedlungsfolgen tritt dann im Übergang zum keramischen Neolithikum auf, kurz zuvor konnten in Komishani und in Hotu Fragmente einer frühesten lokalen Keramikproduktion erfasst werden – die sogenannte Caspian soft ware. Direkt nach dieser frühesten keramischen Schicht folgt dann Kolluvium ohne archäologischen Befund. Während in Hotu sich nach dieser Unterbrechung ein lokales Caspian Pottery Neolithic entwickelt, bricht die Nutzung in Kamarband ab. Auch in der open-air Siedlung von Komishani Tepe bricht die neolithische Entwicklung ab, das Areal wird erst wieder im 5. Jt. v. Chr. genutzt. Domestizierte Spezies aus den neolithischen Sequenzen bleiben weiterhin unbekannt. Die Evidenz der Beshar-Höhlen deutet auf profunde Änderungen im Klima und Umweltverhältnissen hin, denen wir in den kommenden Jahren in einem internationalen Kooperationsprojekt nachgehen wollen.
Die Archäologie stellt uns also vor die Aufgabe, nun gezielt die Umweltbedingungen der Standorte zu erforschen: Gab es mehrere, aufeinanderfolgende kurzfristige Änderungen in den Klimabedingungen, oder ein gradueller Anstieg des Meeresspiegels, die beispielsweise eine Überflutung der Behshahr-Ebene mit salzhaltigem Wasser nach sich zog, sodass sich die gerade entwickelnde Innovation des Ackerbaus in dieser Region nicht durchsetzbar war? Auch zeigt die umgebende Topographie signifikante Veränderungen durch tektonische Ereignisse noch im frühen-mittleren Holozän, was eventuell die Überlagerung älterer Siedlungsplätze verursachte. Die Rekonstruktion der holozänen Kimabedingungen und der Paleoumwelt in Nordiran ist grundsätzlich ein Desiderat. Ein erster Schritt ist nun gemacht: zusammen mit iranischen Kollegen suchen wir gezielt nach Klimaarchiven.
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