Stütz- und Deckenkonstruktion des Nakrah-Tempels in Baraqish (Jemen). © DAI Orient-Abteilung // Mike Schnelle

Konzept

Ziel des Clusters ist es, anhand konkreter Beispiele aus dem Arbeitsgebiet des DAI die Beziehung zwischen Intention, Wahrnehmung und Wirkung gebauter Architektur in ihrer Wechselwirkung zu untersuchen. Welche Absichten verfolgte der Bauherr bzw. der Architekt mit einem konkreten Raumkonzept, welche Bedeutungen implizierte dieses Konzept, wie wurde der Raum nach seiner Fertigstellung wahrgenommen und welche Folgen hatte der Bau für die Gesellschaft und ihr Selbstverständnis?

Die Diskussionen des Exzellenzcluster „Topoi“ (2007-2012) zu den vielseitigen Beziehungen zwischen Raum und Wissen sollen dabei aus Sicht der archäologischen Bauforschung weiterentwickelt werden, wobei es konkret um den durch Baumaßnahmen geschaffenen Raum gehen soll. Das Cluster ist bestrebt, Bauwerke in ihren historischen und kulturellen Kontext zu stellen, und in einer interdisziplinären Diskussion als Quelle der Kulturgeschichte zu erschließen. Was sagen uns gebaute Außen- und Innenräume über die Gesellschaft, die sie geschaffen haben? Zugleich möchte das Cluster den fachübergreifenden Dialog zu Bauwerken in der Gesellschaft fördern.

Im Rahmen des Clusters sollen zunächst auf drei Arbeitstreffen grundlegende Prinzipien der Raumgestaltung diskutiert und anschließend in einem Sammelband vorgelegt werden:

Dimension: In der Geschichte des Bauens lässt sich immer wieder ein dezidierter Dimensionssprung beobachten, von Göbekli Tepe und Stonehenge bis zu den Moai auf den Osterinseln. Groß waren dabei oft nicht nur die Bauwerke sondern auch einzelne Bauteile – monolithe Stützen und Mauerwerksblöcke. Jenseits von Fragen zum technischen Wissen, soll nach den Gründen für die Errichtung solcher Großbauten gefragt werden, und ihren Folgen für die Gesellschaft und ihr Selbstverständnis.  Welche gesellschaftlichen Veränderungen gingen mit solchen Dimensionssprüngen einher? Vor dem Hintergrund laufender Projekte u.a. in Dahschur (Ägypten) und Göbekli Tepe (Türkei) sollen dabei unterschiedliche Interpretationsansätze diskutiert werden.

Ordnung: Architektur ordnet Raum. Mit der Entwicklung komplexer Gesellschafts- und Staatsstrukturen entwickelte sich die Notwendigkeit der Standardisierung und Normierung im Bauwesen, von Idealstadtkonzepten und der Ausbildung von Bautypen bis zur Festsetzung eines Maßsystemen und eines Proportionskanons. Beispiele finden sich von Japan, China und Indien bis Griechenland und Ägypten. Wie wurden diese Ordnungssysteme definiert, welche Ziele verfolgten sie und welche Rolle spielten sie bei der Etablierung von Staats- und Gesellschaftsstrukturen? Implizieren diese Ordnungssysteme ein bestimmtes Menschenbild oder Lebensideal?  Inwiefern ging mit der Entwicklung und Veränderung gebauter Ordnungen ein Wandel des Welt- und des Gesellschaftsbildes einher?

Kontrolle: Die Schaffung eines geschlossene Innenraumes erlaubt die vollständige Kontrolle über dessen Eigenschaften: seine Dimension, Beleuchtung, Akustik, Ausstattung und räumlichen Bezüge. Zugleich wird der Mensch hier mit dem implizierten Weltbild auf besondere Weise konfrontiert. Die Kammern von Megalithbauten, die Säulenhallen der Ägypter, Perser und Maya und Zentralbauten wie das Pantheon oder die Hagia Sophia offenbaren ein jeweils unterschiedliches Verständnis davon, was Raum ist. Welche Welt-, Menschen- und Gesellschaftsbilder liegen diesen Raumkonzepten jeweils zu Grunde? Und wie stehen beabsichtigte Raumwirkung und tatsächliche Raumwahrnehmung im Verhältnis?