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Konzept

Cluster 6 rückt die kulturelle Interaktion zwischen zuvor getrennten Akteuren und Gruppen ins Zentrum, und soll über die Prozesse des unmittelbaren Aufeinandertreffens hinaus Fragen nach den Folgen kultureller Interaktion anhand materieller wie schriftlicher Zeugnisse verfolgen. Zugleich und vor allem soll dabei ein allzu selbstverständliches Konzept überprüft werden.

Der Titel „Connected Cultures?“ spielt auf die heuristische Analysekategorie der „connectivity“ bzw. der „Konnektivität“ an, die im derzeitigen Forschungshorizont auch als „Vernetzung“ oder neuerdings auch als „Verflochtenheit“ diskutiert wird. So stellt sich das Cluster einer anhaltenden Diskussion, greift allerdings buchstäblich kritisch in die Debatte ein, wenn es die Belastbarkeit des Konzepts überprüft, indem es die Aufmerksamkeit auf die unverkennbaren Brüche und Diskontinuitäten und Über- bis Umformungen im Zuge kultureller Interaktion lenkt und so vielleicht allzu irenischen Narrativen die Dynamiken der Dissoziation bis Disruption als im besten Fall korrektive Interpretationsansätze entgegenstellt.

Die Leitfrage des Clusters lautet: Lassen sich durch einen Perspektivwechsel die parallelen, versetzten und nur in Einzelaspekten verbundenen Entwicklungen von Gruppen und Gesellschaften bis Gemeinschaften möglicherweise durch die Anerkennung regional und lokal begrenzter kultureller Interaktion pluralistischer beschreiben als bisher? Unter drei, aufeinander aufbauenden Aspekten soll die Arbeit strukturiert werden:

ÜberSetzen, ÜberTragen, ÜberFormen: Der erste Aspekt zielt auf die epistemischen und epistemologischen Grundlagen, denn Gewohntes wird durch Fremdes hinterfragt, Eigenes und Anderes lässt sich durch Vergleich identifizieren, und Überraschendes kann neu gedacht und zugelassen werden. Drei Komplexe von Praktiken sind von grundlegender methodischer und erkenntnistheoretischer Bedeutung, wenn wir mit unseren disziplinären, regionalen und lokalen Wissensbeständen und Wissenstraditionen derartige Prozesse untersuchen. Die Übersetzung von Dingen, Ideen und Praktiken; die Übertragung von zuvor Nichtlokalem durch Austausch bis Handel; die Überformung von Objekten bei kulturellen Kontakten. Diskontinuität, Desintegration, Differenz: Solche Aspekte beleuchten für gewöhnlich das Scheitern von Kontakten von einem ,disconnecting‘ bis hin zur Disruption. Aber markieren Brüche bewußte Aufgabe und ein Ende des Bestehenden? Hier sollen ihre Formen, ihre Bandbreite und Intensität am Anfang oder Ende kultureller Prozesse thematisiert werden. Damit sind nicht nur Diskontinuität, Desintegration und Differenz, die wir in den materiellen wie schriftlichen Quellen zu finden meinen, angesprochen, sondern auch Unterschiede in den Betrachtungsweisen der heutigen Forscherinnen und Forscher, die solche Brüche feststellen. ZusammenTreffen, NeuEntdecken, UmFormen: Dieser Aspekt kehrt den zweiten um, denn jeder Anfang beschreibt Diskontinuität, benötigt des Bruches bis hin zum Verlust des Bisherigen. Aber wann ist ein Bruch ein Ende und wann ein Anfang? Ist nicht auch die ‚Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen‘ denkbar? Setzen wir hier nicht sogar Zäsuren zum Zweck der Klassifikation als reiner Konvention? Ein dynamischer Ansatz soll starren Grenzziehungen die Prozeßhaftigkeit historischen Geschehens entgegensetzen. Begreift man Anfang und Ende als Prozeß, besteht die Chance, das Zusammentreffen alter und neuer Elemente wie auch ihrer Umformung als heuristische Kategorie fruchtbar zu machen.

Die drei Aspekte verstehen sich als exemplarische und argumentativ verschränkte Sondagen und sollen insgesamt auf breiter empirischer Basis bisherige theoretische Interpretamente kultureller Interaktion wie insbesondere durch die Analysekategorie der „Konnektivität“ bestimmte Modellierungen kritisch evaluieren und die Diskussion durch neue Konzeptualisierungen weiterentwickeln.