Archäologisches Projekt Nasca-Palpa, Peru

Bodenzeichnungen bzw. Scharrbilder wurden zuerst in der Paracas-Zeit (800-200 v. Chr.) angelegt und entwickelten sich in der frühen und mittleren Nasca-Zeit (0-450 n. Chr.) zur vollen Blüte. Nach der Nasca-Zeit (600 n. Chr.) wurden keine Geoglyphen mehr hergestellt. © DAI-KAAK // Markus Reindel

Forschung

Forschungsgeschichte

Die Südküste Perus wurde vom Beginn des 20. Jahrhunderts an archäologisch erforscht. Die frühen Unternehmungen konzentrierten sich auf Grabfunde, insbesondere die polychromen Keramikgefäße und Textilien der Paracas- und Nasca-Kultur, deren stilistische Untersuchungen erste Vorstellungen von der Vorgeschichte der Region erlaubten. Die Geoglyphen wurden erstmals 1926 von Wissenschaftlern beschrieben und seit 1940 näher erforscht, was eine Unzahl von zum Teil phantastischen Hypothesen zu deren Deutung hervorbrachte. Siedlungsstudien begannen erst um 1957. Seit 1980 wird die Nasca-Kultur systematischer untersucht und die Geoglyphen werden in den Zusammenhang mit den Siedlungen der Region gestellt. An nur wenigen Orten des Nasca-Gebietes wurden Ausgrabungen vorgenommen. Der Publikationsstand zu archäologischen Funden und Befunden der Nasca-Kultur ist äußerst dürftig.

Die Erforschung der Paracas-Kultur beschränkte sich weitgehend auf die nördlich des Untersuchungsgebietes gelegene Paracas-Halbinsel und das Ica-Tal (Abb. 01.). Nennenswerte Paracas-zeitliche Siedlungsbefunde aus dem Nasca-Gebiet waren bislang nicht bekannt. Auch zur frühesten keramikführenden Kultur der Region, der Initialzeit (1800–800 v. Chr.), lagen bislang kaum Untersuchungen vor.

Seit 1997 ist die KAAK maßgeblich an der Erforschung des Prozesses der Sesshaftwerdung und der Siedlungsentwicklung von ersten akeramischen Siedlungen bis hin zu komplexen Gesellschaftsformen im Nasca-Gebiet beteiligt (siehe Link 'Forschungsprojekt Nasca-Palpa, SLSA'). In den bisherigen Arbeiten wurden die naturräumlichen Gegebenheiten im Forschungsgebiet erfasst und charakterisiert und die archäologischen Fundplätze systematisch durch Oberflächenbegehungen, topographische Vermessungen und Testgrabungen erfasst. Die Geoglyphen wurden mit photogrammetrischen Methoden dreidimensional kartiert, im Gelände vollständig dokumentiert (siehe Virtuelle Überfliegung des digitalen Geländemodells) und anschließend einer archäologischen Analyse unterzogen. Intensive Siedlungsgrabungen bzw. Ausgrabungen in Gräberfeldern, Grabanlagen und Abfalldepots wurden an folgenden Fundorten durchgeführt:

Die Grabungen ermöglichten die Dokumentation einer weitgehend lückenlosen Abfolge der Kulturstufen im Raum Palpa, die mittlerweile von den Spuren frühester Bodenbauern um 3800 v. Chr. bis zur Zeit der Inkas im 15. Jahrhundert n. Chr. reicht.

In nachfolgenden Kampagnen wurde das Untersuchungsgebiet photogrammetrisch kartiert und mit Hilfe eines geographischen Informationssystems ausgewertet. Neben den Nasca-zeitlichen Geoglyphen wurden auch deren Vorläufer aus der Paracas-Zeit, die in Palpa erstmals umfassend dokumentiert werden konnten, untersucht. Eine Gesamtkartierung und archäologische Analysen eines Teilgebietes der Geoglyphen liegen in gedruckter Form vor (s. Reindel et al. 2003; Lambers 2006). Die Daten der Prospektion und der Siedlungsgrabungen wurden für die Publikation aufbereitet. Die Ergebnisse zur Kultur- und Landschaftsgeschichte wurden mit naturwissenschaftlichen Verfahren präzisiert. Dazu wurden im Rahmen eines vom BMBF geförderten Projektverbundes Nasca/Palpa (siehe Teilprojekt 'NTG-Projekt') in enger Zusammenarbeit von Archäologen und Naturwissenschaftlern neue naturwissenschaftliche Methoden und Technologien entwickelt, die einen Beitrag zur Lösung von Forschungsproblemen der Region Palpa sowie der Archäologie und Landschaftsgeschichte im Allgemeinen leisten können.

Im Herbst 2004 fand in Palpa eine Feldkonferenz zum Thema "Entwicklung und Adaption archäometrischer Techniken zur Erforschung der Kulturgeschichte von Palpa" statt, in deren Rahmen auch das vom Projekt eingerichtete Lokalmuseum eröffnet wurde (siehe Link 'Lokalmuseum in Palpa'). Darin wurden die im Projekt verwendeten Methoden und vorläufigen Ergebnisse einem breiteren Publikum vorgestellt und die Kulturgeschichte der Region mit Grabungsfunden erläutert.

Die Abschlusskonferenz zum BMBF-Projektverbund Nasca/Palpa fand am 14./15. Juni 2007 im Wissenschaftszentrum in Bonn statt.

Forschungsziele

Die Kulturgeschichte einer Region steht in engem Zusammenhang mit ihren jeweiligen klima- und landschaftsgeschichtlichen Gegebenheiten. Ziel des Projektverbundes Nasca-Palpa war die Erforschung der Kultur- und Landschaftsgeschichte der Region um Palpa an der Südküste Perus über einen möglichst langen Zeitraum, vom Beginn der Besiedlung der Region (nach jüngsten Funden um 3800 v. Chr.) bis zum Ende der vorspanischen Zeit (ca. 1530 n. Chr.). Mit Hilfe von Kartierungen, Gelände- und Fundortaufnahmen, Ausgrabungen und geoarchäologischen Untersuchungen wurden die kulturellen Hinterlassenschaften (Siedlungen, Gräber, Petroglyphen und Geoglyphen) systematisch dokumentiert und damit die archäologischen Grundlagen für die wissenschaftliche Erforschung der Kulturgeschichte des Nasca-Gebietes geschaffen. Die Jahrtausende alten Geoglyphen (Bodenzeichnungen oder Scharrbilder; Abb. 02.) wurden mit modernsten photogrammetrischen Methoden erstmals in einem größeren Gebiet kartiert und beschrieben. Damit lieferte das Archäologische Projekt Nasca-Palpa einen Beitrag zum Erhalt eines der wichtigsten Bodendenkmäler Südamerikas.

In enger Zusammenarbeit von Archäologen und Naturwissenschaftlern wurden verschiedene Methoden und Technologien der Prospektion und der Datierung von Funden und Befunden neu- bzw. weiterentwickelt und hinsichtlich unterschiedlicher Fragestellungen getestet (siehe Teilprojekt 'NTG-Projekt'). Eines der wesentlichen Ziele war dabei die Erarbeitung einer numerischen Chronologie für die Südküste Perus. Daneben wurden neueste Methoden zur Analyse menschlicher und tierischer Überreste entwickelt und erprobt. Der Einsatz dieser Methoden sollte es ermöglichen, Lebensumstände und Umweltbedingungen der vergangenen Kulturen im Untersuchungsgebiet zu rekonstruieren.