Colón: Siedlungsstrukturen im Nordosten von Honduras

© DAI-KAAK // Mike Lyons

Ergebnisse

Da ein Großteil der Feldkampagne 2020 aus Feldbegehungen und der Dokumentation neuer oder bisher nur unzureichend untersuchter Fundorte bestand, konnten viele Erkenntnisse zum vorspanischen Siedlungswesen in Nordosthonduras gewonnen werden. In der Gesamtbetrachtung der Fundorte an der Küste ergeben sich einige allgemeine Kriterien für präferierte Standorte von vorspanischen Siedlungen. Allen voran scheint es bei den Fundorten die Tendenz zum Siedeln auf natürlichen, erhöhten Terrassen und in der Nähe von fließendem Süßwasser wie Flüssen oder Bächen zu geben, was die Wichtigkeit von nutzbaren Wasserquellen bei dem gleichzeitigen Schutz vor Überflutungen für die Menschen in vorspanischer Zeit aufzeigt.

Die Fundplätze im Hinterland wie Colonia Suyapa und La Polaca scheinen als Verbindungen ins südlich der Bergkette liegende Aguán-Tal gedient zu haben. Das Tal des Aguán-Flusses zeichnet sich durch seine besondere Fruchtbarkeit und die guten Bedingungen für Landwirtschaft aus. Dieses Potential muss auch schon in vorspanischer Zeit genutzt worden sein. Unsere Vermutung wurde durch die Ergebnisse erster Siedlungsprospektionen bestätigt. In den Randzonen des Aguán-Tales fanden sich große Siedlungen aus unterschiedlichen Zeitstufen. Diese Siedlungen müssen in Kontakt mit den von uns dokumentierten Küstensiedlungen gestanden haben. Siedlungen wie Suyapa und La Polaca, die auf halber Höhe an natürlichen Verbindungsrouten durch die Küstenkordillere lagen, stellen die logischen Zwischenstationen für die Kommunikation zwischen Küste und Aguán-Tal dar. Hier eröffnet sich ein interessantes Forschungsfeld, um in weiteren Siedlungsprospektionen das wirtschaftliche und kulturelle Netzwerk der Untersuchungsregion zu erschließen.

Eine weitere interessante Beobachtung ist die chronologische Vielfältigkeit der Fundorte. Die vorläufige und noch unvollständige Auswertung der Keramik erlaubt eine Datierung der bisher dokumentierten Fundorte von der Präklassik bis in die Cocal-Phase. Der Großteil der Fundorte scheint dabei cocalzeitlich zu sein und tendiert, mit Ausnahme von Jericó – Trujillo, zu einer geringen Ausdehnung und wenig oberflächig sichtbarer Architektur. Nur zwei Fundplätze können wahrscheinlich in die Selin-Phase datiert werden: Coraza Alta und Colonia Suyapa. Beide scheinen eine bedeutende Größe, Siedlungsdichte und größere Hügelstrukturen aufzuweisen. Als einziger Fundort der Präklassik erscheint Betulia – Pueblo, welcher sich durch eine dichte Ansammlung von Artefakten und Hügelstrukturen auszeichnet.

In zukünftigen Feldkampagnen kann Dank des Zugriffs auf aktuelle LiDAR-Daten des Küstenstreifens das durch die intensiven Begehungen gewonnene Verständnis der Region erweitert und durch die Sichtung («ground-truthing») bisher unbekannter potentieller Fundorte validiert werden. Kleinere Testgrabungen werden in Zukunft dabei helfen, Keramik und Proben für die C14-Datierung von Fundorten mit bisher unbekannter Zeitstellung zu gewinnen und so das chronologische Verständnis der Region zu verbessern. Besondere Beachtung muss dabei den Fundorten Betulia – Pueblo, Coraza Alta und Colonia Suyapa geschenkt werden. Betulia – Pueblo ist in Anbetracht des beinahe vollständigen Fehlens präklassischer Fundplätze in der Region besonders vielversprechend. Schon bei der erfolgten Baubegleitung der Latrine eines lokalen Anwohners wurden zahlreiche bedeutsame Funde gemacht, darunter eine Keramikmaske und Ganzgefäße. Im Profil der Grabung wurde die Tiefe der archäologischen Funde deutlich und ein Siedlungshorizont war klar erkennbar. Eine archäologische Grabung würde das Verständnis von dieser wenig bekannten Phase von Nordosthonduras bedeutend erweitern.

Die Tatsache, dass Coraza Alta der einzige Fundort mit größeren Hügelstrukturen ist, welche durch moderne Aktivitäten nicht extrem gestört sind, macht ihn besonders vielversprechend, um Einsicht in Siedlungsaktivitäten der Menschen der Selin-Phase und insbesondere der Architekturmerkmale ihrer Bauwerke zu bekommen. Grabungen in Colonia Suyapa, einem der größeren Fundorte im Vorgebirge der Nombre de Dios-Gebirgskette könnten vergleichende Daten liefern, welche Unterschiede im Siedlungsmuster von den Schwemmlandebenen an der Küste, dem Aguán-Tal und der dazwischenliegenden Gebirgskette aufzeigen könnten.

Downloads

https://projectdb.dainst.org/fileadmin/Media/Projekte/5671/Dokumente/slsa_jb2020__p033-058__Honduras__Reindel_et_al__high-resolution.pdf M. Reindel et al., Archäologisches Projekt Colón: Bericht über die Feldkampagne 2020. In: SLSA Jahresbericht 2020 (2021), S. 33-58.

https://projectdb.dainst.org/fileadmin/Media/Projekte/5671/Dokumente/DAI_e-Jahresbericht_2020.pdf e-Jahresbericht 2020 des DAI - KAAK

https://projectdb.dainst.org/fileadmin/Media/Projekte/5671/Dokumente/Bachelorarbeit_Jeannine_geschwaerzt.pdf Bachelorarbeit von Jeannine Langmann mit dem Titel "Vernetzte Karibik: Beziehungen zwischen den Großen Antillen und Zentralamerika in präkolumbischer Zeit" (2021)

https://projectdb.dainst.org/fileadmin/Media/Projekte/5671/Dokumente/Reindel_et_al_-_2023_-_2022_SLSA_Jahresbericht.pdf M. Reindel et al., Archäologisches Projekt Colón, Honduras: Bericht über die Aktivitäten im Jahr 2022. In: SLSA Jahresbericht 2022 (2023), S. 53-72.