Sedimentäre Klima-GeSchichten

Gewinnung von Umweltarchiven mit HIlfe einer Bohrplattform auf dem Grafenbergsee (Dachtsteingebirge, Österreich) © DAI-RGK // Antje Fischer

Forschung

Teilprojekte

Okrney Insel Rousay: Vulnerabilität und Resilienz menschlicher Gesellschaften im Spiegel der von Mensch-Umwelt-Beziehungen auf den Orkney-Inseln vom Mesolithikum bis zum Mittelalter

Seit 2018 werden landschaftsarchäologische Methoden (Methoden der Fernerkundung, geophysikalische Prospektion, bodenkundliche Analysen, Bohrungen und GIS-Modellierungen) zur Untersuchung der Beziehung zwischen Grabbauten und Siedlungen der neolithischen Orkney-Insel Rousay durchgeführt. Den zahlreichen Grabmonumenten Rousays (entlang der S-Küste der Insel und der Saviskaill Bay im Norden) stehen nur zwei Siedlungen (Rinyo und Swandro) gegenüber, jedoch hat sich die Landschaft der Bewohner Orkneys seit dem frühen Holozän (ca. 9.700 v. Chr.) bis etwa 2.000 v. Chr. massiv verändert. Durch einen Meeresspiegelanstieg von bis zu 30 m können Siedlungen und weitere Grabmonumente unter Wasserabdeckung geraten sein oder sich heute in Küsten- oder Uferbereichen befinden. Dazu gehören beispielsweise die Siedlungen von Swandro (Rousay), Cata Sand (Sanday) sowie das UNESCO-Weltkulturerbe „The Heart of Neolithic Orkney“, welche massiv vom Klimawandel und der damit einhergehenden Küstenerosion bedroht sind.

Um die Auswirkungen der marinen Transgression im frühen Holozän und schließlich auch den Einfluss des Menschen auf seine Umwelt besser zu verstehen, wurde 2005 das Rising Tide Project durch die University of Dundee ins Leben gerufen, dass seit 2017 als  „Turning Back the Tide“ Projekt von der University of Highlands and Islands (UHI) fortgeführt wird. Bisherige Untersuchungen umfassen Sedimentbohrungen auf den Inseln Sanday und Mainland (Bay of Skaill, Loch of Harray, Lock of Stenness, Bay of Firth) sowie um Scapa Flow. Dadurch konnten Daten für die Entschlüsselung der Meeresspiegelgeschichte und den Umweltbedingungen auf Orkney vom Mesolithikum bis zur Bronzezeit geleistet. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen werden die Forschungen zum neolithischen Rousay fortgeführt und die Kolleg:innen der UHI unterstützt werden. Zur detaillierten Rekonstruktion der neolithischen Landschaft Rousays werden verschiedene Prospektionsmaßnahmen durchgeführt, deren Erkenntnisse auch für die Erstellung eines angepassten Denkmalkonzeptes gefährderter Fundstellen genutzt wird.

Saltscape Hallstatt: Vulnerabilität und Resilienz menschlicher Gesellschaften im klimasensitiven Alpingebiet der Salzlandschaft Hallstatt

Das Projekt befasst sich mit der Beziehung zwischen Mensch, Umwelt und Klima im hochalpinen Raum. Im Besonderen gilt unser Interesse hierbei der Frage nach Resilienz und Vulnerabilität sozioökologischer Systeme im Hinblick auf Klimaveränderungen. Hierzu wird die Entwicklung der sozioökologischen Systeme im Umfeld der prähistorischen Salzbergwerke von Hallstatt untersucht. Die Forschungen sind eingebettet in den RGK Themenschwerpunkt „Siedlungsdynamiken und Sozialstrukturen“, in dessen Rahmen unter anderen eisenzeitliche Großsiedlungen und ihr Umfeld unter Berücksichtigung neuester naturwissenschaftlicher und landschaftsarchäologischer Ansätze untersucht werden. Diese alpine Karstlandschaft stellt ein sensibles und besonderes Ökosystem dar, das besondere Räume und Ressourcen bietet und empfindlich auf klimatische und andere Impulse reagiert. Eine der wesentlichen Ressourcen dieses Raums sind die großen Karstmulden, in denen sich Kälteseen bilden und das Aufkommen von Bäumen behindern. Hierdurch entstehen unterhalb der Baumgrenze baumfreie Flächen, ein wichtige Ressource für die Hochweidenutzung.

Unser Forschungsprogramm umfasst die Erschließung und Auswertung von Umweltarchiven, die besiedlungs- und landschaftsarchäologische Analyse dieses Kleinraums sowie die hochauflösende Modellierung der Mensch-Umweltbeziehung. In einem ersten Schritt wurden im Jahr 2021 die Sedimente des Grafenbergsees (1.600 m Höhe) mit Hilfe einer schwimmenden Bohrplattform beprobt. Es konnten ein Oberflächen-Bohrkern von knapp 1,5 m und zwei Sedimentsequenzen von 5 und 6 Metern Länge gezogen werden. Erste Hinweise lassen vermuten, dass die volle holozäne Sequenz erbohrt wurde. Aktuell befinden sich die Bohrkerne am Institut für Geologie der Universtität Innsbruck. Hier erfolgt die sedimentologische Auswertung. Palynologische Analysen sowie SedaDNA-Untersuchungen sind geplant. Ferner sind die  Untersuchung weiterer Umweltarchive und die Vernetzung mit anderen Projekten, wie dem Hipercoring-Hallstatt-History (H³), vorgesehen, Hieraus ist ein Kooperationsprojekt mit dem Österreichischen Archäologischen Institut zu "Alpinen Interdependenzen" hervogegagenen, das Fragen der Auswirkung von Hochweidenutzung und klimatischer Veränderungen am Beispiel der Grafenbergalm untersucht.

Küstenlandschaft Norddalmatiens: Siedlung und Raumproduktion im Wandel

Schwankungen des Meer- und Seespiegels haben in der Küstenlandschafts starke Auswirkungen auf Möglichkeit der Nutzung von Land und Wasser (Besiedlung, Verkehrswege). Darüber hinaus sind zahlreiche archäologische Stätten durch den mit dem Klimawandel verbundenen Anstieg des Meeresspiegels gefährdet. Im Rahmen des Projektes befassen wir uns daher mit Fragen der Mensch-Umwelt-Beziehungen vor dem Hintergrund der Produktion von Raum - z.B. Raumaneignung und -nutzung - in unterschiedlichen Zeiten, Kulturen und Ökotopen.

Ausgehend von dem RGK-Projekt "Vom Karstgebirge zum Meer. Siedlungsform, Raumentwicklung und -nutzung von der Eisenzeit bis zur Spätantike am Vrana-See" sollen durch Prospektionen und Bohrprofile aus der Adria und dem Vrana-See neue Klima- und Umweltarchive erschlossen und Daten zur Klimageschichte und zu Mensch-Umwelt-Beziehungen gesammelt werden. Das Groundcheck-Projekt kann dabei auf Erkenntnisse aus früheren archäologischen Projekten in benachbarten Regionen aufbauen, wie z.B. dem "Neothermal Dalmatia Project". Seit 2019 untersuchen wir mit landschaftsarchäologischen Methoden (Fernerkundung, geophysikalische Prospektion, Bohrungen und GIS-Modellierung) einen Transsekt südöstlich von Zadar, der sich von den Bergen über den Vrana-See bis zum Meer erstreckt.

Im Oktober 2021 wurde eine erste Vermessung des Meeresbodens mit einem Ortungssonar durchgeführt. Die Messungen haben nicht nur unsere Datenbasis zu den Fundstellen erweitert, sondern helfen uns auch, die durch den Meeresspiegelanstieg veränderten Küstenlinien und Hafenanlagen besser zu verstehen. Darüber hinaus ist es uns gelungen, Gebiete mit starken Sedimentablagerungen zu identifizieren, die für die Gewinnung von Umweltarchiven von zentraler Bedeutung sind.

Bodenarchive

Da die naturwissenschaftliche Analytik immer mehr an Bedeutung gewinnt und neue Methoden zur Gewinnung von Informationen aus Bodenproben entwickelt werden (z.B. Bodenchemie, Mikrobiologie, aDNA), hat das RGK bereits vor einigen Jahren beschlossen, mit der Archivierung von Bodenproben und der Hälfte der Bohrkerne zu beginnen. Darüber hinaus gewinnen Bodenproben zunehmend an Bedeutung, da sie Informationen über archäologische Stätten liefern können, wenn Ausgrabungen nur eingeschränkt oder gar nicht möglich sind oder die Überreste der Stätten längst verschwunden sind. Die Gewinnung und Archivierung von Bohrkernen und Bodenproben ist Teil mehrerer Projekte der Initiative Ground Check des Deutschen Archäologischen Instituts (RGK, Istanbul, Madrid; u.a. das sog. "Brückner Archiv"). Im engen Austausch mit Nachbarwissenschaften sollen die Rahmenbedingung für Lagerkapazitäten und Forschungsinfrastrukturen geschaffen sowie Standards und Leitfäden am DAI entwickelt werden. So werden Proben und Bohrkenre nun z. B. mit einer in den Geowissenschaften etablierten International Geo-Sampling Number (IGSN) versehen.