Der Friedhof des Awam-Tempels - Eine sabäische Nekropole in der Oase v

Awam-Friedhof in der Oase von Marib. Blick auf die aus Stein gebauten Grabmausoleen der Areale D und E. © DAI, Außenstelle Sanaa // Johannes Kramer

Raum & Zeit

Das Awam-Heiligtum und der angeschlossene Friedhof sind eng mit der Geschichte Sabas verknüpft. Neben dem in der Stadt Marib gelegenen Harunum-Tempel ist der ebenfalls dem sabäischen Hauptgott Almaqah geweihte Awam-Tempel außerhalb der Stadt in der Oase von Marib das vermutlich wichtigste sabäische Heiligtum. Sowohl im 1. Jt. v. Chr. als auch in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten besitzt es als zentrale Pilgerstätte überregionale Bedeutung. Nahezu über die gesamte polytheistische Periode Südarabiens waren Tempel und Friedhof in Betrieb. Die genaue Nutzungsdauer lässt sich allerdings vor allem aufgrund von Plünderungen im Friedhofsbereich archäologisch nur bedingt bestimmen. Die stark zerstörten Befunde machen eine genaue stratigraphische Beobachtung nahezu unmöglich. Stützt man sich auf das verfügbare epigraphische Material, so ergibt sich ein Zeitraum zwischen dem frühen 7. Jh. v. Chr. und der zweiten Hälfte des 4. Jh. n. Chr. Während das Ende des Heiligtums mit der Phase der Einführung des Monotheismus in Südarabien sicher zu datieren ist, liegt der Beginn vermutlich deutlich früher als die epigraphischen Zeugnisse vermuten lassen. Alle bisher bekannten großen sabäischen Heiligtümer sind frühe Gründungen, später eingeführte Kulte mit dazugehörigen Sakralbauten sind in der Region nicht bekannt. Auch die von der American Foundation for the Study of Man (AFSM) durchgeführten Grabungen im Awam-Tempel belegen, dass der heute sichtbare Tempelbau mindestens einen Vorgängerbau besessen hat. Dieser kann wie etwa die frühen Phasen des Bar’an-Tempels ins 10. Jh. v. Chr. zurückreichen. Eine Datierung in protosabäische Zeit, in die Formierungsphase der sabäischen Kultur, ist somit auch für den Awam-Tempel und seinen dazugehörigen Friedhof wahrscheinlich. Vor allem die relativ gut datierbaren Keramikfunde sprechen für diesen frühen Zeitansatz der Anlage des Friedhofes.

Marib bleibt auch mit dem Verlust seiner einstigen politischen Macht in mittelsabäischer Zeit weiterhin ein wichtiges Zentrum der südarabischen Kulturen. In dieser Zeit findet sich eine große Anzahl an Weihgaben und Widmungsinschriften im Tempelareal, die nicht nur von lokalen Bewohnern der Oase niedergelegt wurden, sondern vielmehr von Herrschern sowie Eliten der sabäischen und himyarischen Hochlandregionen. Dies belegt die anhaltende Bedeutung des Platzes als Pilgerheiligtum und Begräbnisstätte. Nur die Abwendung der südarabischen Oberschicht von den polytheistischen Kulten und die Einführung monotheistischer Religionen im 4. Jh. n. Chr. führten zu einer Aufgabe des Kultplatzes.

Die Oase von Marib mit der gleichnamigen antiken Hauptstadt liegt im Zentrum der Arabischen Republik Jemen am südwestlichen Rand der Wüste Rub'al Khali und ist etwa 135 km von der modernen Hauptstadt Sanaa entfernt. Sie wird im Nordosten von den vulkanischen Ebenen al-Hashab, im Norden und Osten von der Sand- und Steinwüste Ramlat as Sab'atayn und im Süden und Südwesten von den Bergen Jabal Balaq al-Awsat und Jabal Balaq al-Qibli eingefasst. Das Wadi Dhana teilt die Landschaft in die Nord- und Südoase. Der Awam-Tempel liegt in der Nordoase ca. 4 km südöstlich außerhalb der antiken Stadt Marib (ca. 1200m ü. NN).