Forschung
Bereits zu Beginn der Erforschung der antiken Oase von Marib war das Awam-Heiligtum bekannt. Von den frühen Forschungsreisenden, die Marib erreichten, gelang es dem Franzosen Thomas J. Arnaud 1843 als erstem Europäer den Awam, im Volksmund Haram Bilkis genannt, zu besuchen und richtig als Tempel zu deuten. Den Friedhof allerdings erkennt er nicht, obwohl ihm große Mengen an Menschenknochen in einigen Bereichen der Oberfläche auffallen, die ihm aber von Einheimischen als die Reste von sabäischen Menschenopfern erklärt werden. Auch der Österreicher Eduard Glaser, der sich auf seiner dritten Jemenreise 1887/88 für sechs Wochen in Marib aufhält und dort intensive Forschungen betreibt, kann das Friedhofsgelände nicht identifizieren. Zwar beschreibt und skizziert er den Tempel recht genau, bemerkt auch die vier Pfeiler des sog. Mausoleums, erkennt dieses aber nicht als Grabbau. Ähnlich ergeht es fast 50 Jahre später dem arabischen Journalisten N. M. el-Azm sowie 1947 dem berühmten ägyptischen Archäologen Ahmed Fakhry, der sich fünf Tage in Marib aufhält und sich intensiv mit dem Awam-Tempel auseinandersetzt. Erst die Ausgrabungen der Wendell Phillips Expedition der American Foundation for the Study of Man unter der archäologischen Leitung von Frank P. Albright 1951/52 können zweifelsfrei die Existenz eines sabäischen Friedhofes unmittelbar südlich und südöstlich des Tempelovals nachweisen. In zwei Bereichen des Friedhofs, im Areal der sog. South-Tombs und des Mausoleums werden Schnitte angelegt. Eine vollständige Dokumentation und damit eine detaillierte Veröffentlichung allerdings blieben aus, da das Team aus Sicherheitsgründen überstürzt die Oase verlassen musste und später die Arbeiten nicht beenden konnte.
Die Arbeiten wurden erst 1997 fast weitere 50 Jahre später durch die Außenstelle Sanaa der Orient-Abteilung im Friedhofsgelände des Awam-Tempels wieder aufgenommen. In fünf aufeinanderfolgenden Grabungskampagnen konnten dabei in verschiedenen Bereichen des Friedhofs Grabungen durchgeführt und monumentale Grabbauten freigelegt werden. Allerdings mussten die Feldforschungen bereits 2002 wieder eingestellt werden, da es innerhalb des ansässigen Stammes zunehmend zu Sicherheitsproblemen kam, die ein gefahrenloses Arbeiten vor Ort verhinderten. Bei einer Verbesserung der Sicherheitslage ist die Wiederaufnahme der Grabungen sowie Konsolidierungsmaßnahmen zum Erhalt dieses überaus wichtigen antiken Fundplatzes geplant.
Das Projekt hat zum Ziel, den sabäischen Totenkult, die Bestattungssitten, Grabarchitektur und das Beigabenspektrum zu untersuchen. Über diese wichtigen Bereiche sabäischer Kultur war bisher - abgesehen von den kurzen Grabungen der American Foundation for the Study of Man in den Jahren 1951/52 - so gut wie nichts bekannt.
Bei zahlreichen Objekten, die mit den Bestattungssitten Sabas in Verbindung gebracht wurden, handelte es sich um Zufallsfunde oder um Exponate aus dem Kunsthandel. Ein Fundkontext fehlte fast immer. Die Grabungen im Friedhof des als Pilgerstätte fungierenden sabäischen Staatsheiligtums sollen diese Lücke schließen und wichtige Beiträge zur Erforschung der vorislamischen Bestattungssitten im Jemen liefern. Da bisher keine weitere sabäische Nekropole von entsprechender Größe und Erhaltungszustand in der Region bekannt ist, können die dokumentierten Befunde, Architekturen und Fundobjekte als Referenzmaterial für andere Forschungen dienen, die sich dieser Thematik widmen.
Projekt exportieren