Kom el-Gir – eine ptolemäisch-römische Siedlung im Nildelta

Der Kom el-Gir ist eine antike Siedlung im nordwestlichen Nildelta. Die Eckdaten der Siedlung, von der hellenistischen Gründung (4.–1. Jh. v. Chr.) bis zur Aufgabe in spätrömischer oder frühislamischer Zeit (4–9. Jh. n. Chr.), markieren eine Phase intensiver Erschließung dieser Region.

Blick über den Kom el-Gir nach Nordwesten. © DAI Kairo // R. Schiestl

DAI Standort  Abteilung Kairo

Laufzeit  seit 2019

Team  Dr. Mustafa Tupev

Laufzeit  seit 2019

Partner  Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München

Projekt-ID  2890

Permalink  https://www.dainst.org/projekt/-/project-display/4715602

Überblick

Die antike Siedlung des Kom el-Gir liegt im nordwestlichen Nildelta, etwa 30 km südlich der modernen Mittelmeerküste und etwa 20 km südlich des Burullus-Sees, der Teil eines der Küste vorgelagerten Lagunengürtels ist. Der Ort befindet sich etwa 4 km nordöstlich von Buto (Tell el-Fara’in). Das Nildelta ist heute wie in der Antike wichtiger Wirtschafts- und Siedlungsraum Ägyptens, doch hat sich die Gestalt der Landschaft und die Besiedlung grundlegend geändert. Die Region war in der ptolemäisch-römischen Zeit (4. Jh. v. Chr.–7. Jh. n. Chr.) von zahlreichen kleineren Nilarmen durchzogen, an deren Ufern Siedlungen gegründet wurden. Heute sind die natürlichen Wasserstraßen verschwunden und die Landschaft ist durch künstlich angelegte Kanäle geprägt, die der Bewässerung der intensiven Landwirtschaft dienen. Durch einen archäologischen Survey wurde deutlich, dass diese Region wohl erst im Laufe des 1. Jt. v. Chr. auf breiter Basis besiedelt wurde. Dieser Prozess der Erschließung und Besiedlung erlebte in römischer und spätrömischer Zeit (1. Jh. v. Chr.–7. Jh. n. Chr.) seinen Höhepunkt. Der Ort Kom el-Gir steht stellvertretend für diese dynamische Entwicklung, die offenbar in frühislamischer Zeit deutlich abflachte. In der Neuzeit nahm das nördliche Delta lange eine Randlage ein, deren intensive Nutzung erst ab dem frühen 20. Jh. einsetzte. Aufgrund der vergleichsweise dünnen modernen Besiedlung liegen uns aus dieser Region überdurchschnittlich viele frei stehende und gut erhaltene antike Siedlungshügel vor, die aber die archäologische Forschung bisher nicht behandelte. Mit dem Kom el-Gir soll ein solcher Fundplatz exemplarisch untersucht werden.

 

Projektbericht

Die Siedlung des Kom el-Gir wurde, nach momentanem Wissensstand, in ptolemäischer Zeit gegründet (4.–1. Jh. v. Chr.) und bestand bis in die spätrömische oder frühislamische Zeit (7.–9. Jh. n. Chr.). Über die regionale Besiedlung vor der ptolemäischen Zeit ist weitaus weniger bekannt; sie war mit hoher Wahrscheinlichkeit deutlich spärlicher. Während sich an der Oberfläche des Kom el-Gir, wie an beinahe allen antiken Siedlungshügel dieser Region, keine aufragenden Monumente befinden, konnte die Siedlungsstruktur durch Prospektion erfasst werden: Es sind dies neben Wohnhäusern auch ein Tempelgeviert und ein spätrömisches Kastell. Der Name Kom el-Gir („Kalksteinhügel“) verweist jedoch auf den ehemaligen Bestand an Steinarchitektur. Mit der Erschließung der Randzone des Norddeltas ab ptolemäischer Zeit (spätes 4. Jh. v. Chr.) wurde ein bedeutender neuer Wirtschaft- und Siedlungsraum Ägyptens gewonnen, der bis in die spätrömische Zeit (4. Jh.–7. Jh. n. Chr.) florierte. Bisher ist über das Leben in der Antike in diesem Teil Ägyptens aber kaum etwas bekannt. Weil keine schriftlichen Dokumente aus dem Delta in dieser Zeit überliefert sind, ist es Aufgabe der Archäologie, grundlegende Einblicke in die Lebens- und Wirtschaftsweise dieser Region zu geben. Der Kom el-Gir stellt dafür eine sehr gut geeignete Fallstudie dar, da der Siedlungshügel nicht überbaut ist und bisher von massiven Störungen verschont blieb. Es ist somit möglich, auf der Ebene einzelner Wohnhäuser Einblicke in die Lebensweisen dieser Region zu gewinnen. Das ptolemäische und römische Ägypten war geprägt von einer religiösen und ethnischen Vielfalt, deren Untersuchung man sich hier im Kontext einer ländlichen Siedlung des Deltas nähern kann. Die in der Siedlung errichteten Monumentalgebäude eines Tempels und eines Kastells werfen Fragen der Koexistenz und der Konflikte unterschiedlicher Gruppen, staatlicher Ebenen und Interessen auf. Dem gegenüber steht die Frage imperialer Strategien, Neuland zu erschließen und zum größtmöglichen wirtschaftlichen Gewinn zu nutzen. Durch die Rekonstruktion der antiken Landschaft, vor allem der antiken Wasserstraßen unmittelbar um die Siedlung, kann ein Verständnis für die Umwelt, ihre Veränderungen und die Einbettung der Siedlung darin gewonnen werden.

 

 

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Magnetischer Plan der Siedlung des Kom el-Gir, auf einem Satellitenbild (google earth). Magnetic plan of the settlement of Kom el-Gir placed on a satellite image (google earth). © DAI Kairo // R. Schiestl
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Magnetische Messungen am Kom el-Gir. Magnetic measurements at the Kom el-Gir © DAI Kairo // R. Schiestl
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Der Kom el-Gir auf historischen Karten: oben, Ausschnitt aus Tafel 36 des Atlas der Description de l’Egypte, 1828, darunter, Karte, El-Falaki 1872/1911. The Kom el-Gir on historical maps: above, from Plate 36 of the atlas of the Description de l’Egypte, below, map, El-Falaki 1872/1911. © DAI Kairo // R. Schiestl
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Blick auf die westliche Abbruchkante des Siedlungshügels des Kom el-Gir. Die umliegenden Felder werden sukzessive auf Kosten des antiken Tells vergrößert. View of the western edge of the settlement mound of Kom el-Gir. The surrounding fields have been successively expanded at the expense of the ancient tell. © DAI Kairo // R. Schiestl
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Testschnitt im Bereich des spätrömischen Kastells am Kom el-Gir. Ausschnitt des südwestlichen Eckturms des Kastells. Test excavation in the area of the Late Roman fort at Kom el-Gir. Section of the castellum’s south-western tower. © DAI Kairo // R. Schiestl
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Bohrungen am Kom el-Gir im Bereich des spätrömischen Kastells. Drillings at the Kom el-Gir in the area of the Late Roman fort © DAI Kairo // R. Schiestl
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Kom el-Gir, Oberflächenfund einer spätrömische Amphore mit plastisch applizierten Augen. Kom el-Gir, surface find of a Late Roman amphora with plastically applied eyes. © DAI Kairo // R. Schiestl
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Ansicht des Kom el-Gir von Feldern im Westen. Der Hügel erhebt sich wenige Meter über die umliegenden Felder. View of the Kom el-Gir from the fields to the west. The mound rises only a few metres above the surrounding fields. © DAI Kairo // R. Schiestl
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Kom el-Gir, Fayenceamulett des Gottes Bes aus Verfüllung mit Siedlungsabfall der hellenistisch-spätrömischen Zeit (4.Jhd.v.-6.Jhd.n.Chr.). Kom el-Gir, faience amulet of the god Bes from fill with settlement refuse of the Ptolemaic–Late Roman period (4th century BCE to 6th century CE). © DAI Kairo // H. Möller
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Kom el-Gir, Glasscherbe, ptolemäisch (4.-1. Jhd.v.Chr.), aus Verfüllung mit Siedlungsabfall der hellenistisch-spätrömischen Zeit. Kom el-Gir, glass shard, Ptolemaic (4th to 1st centuries BCE), from fill with settlement refuse of the Ptolemaic–Late Roman period. © DAI Kairo // H. Möller