Elephantine | Lebenswirklichkeiten

Die Überreste der Siedlung von Elephantine liegen an der Südspitze der Insel Gezirat Aswan am Nordende des ersten Nilkatarakts. In der Bildmitte befindet sich der Siedlungshügel mit den Tempelanlagen, nach Norden schließt sich das nubische Dorf Koti an. © DAI Kairo // A. Hassan

Ergebnisse

Von Herbst 2013 bis Herbst 2018 wurden in zwei aneinandergrenzenden, je 10 x 10 m messenden Schnitten Siedlungsreste, beginnend im späten Alten Reich (ca. 6. Dynastie) bis zum Ende der 13. Dynastie, freigelegt. Letzte Klärungs- und Konsolidierungsarbeiten im Feld wurden bis Frühjahr 2019 um den nordöstlichen der beiden Schnitte herum durchgeführt. Die ältesten Straten wurden im nordöstlichen der beiden Ausgrabungsareale erreicht, während im südwestlichen Areal die Arbeiten nach Erforschung der jüngsten Spuren des Hauses 169 beendet wurden. Im nördöstlichen der beiden Ausgrabungsschnitte wurden nur stark durch frühere Grabungsaktivität gestörte Befunde freigelegt. Die Reste von Haus 169 und die südwestliche Hälfte von Raum 2 in Haus 166 waren dagegen archäologisch intakt erhalten. Bereits parallel zu den Ausgrabungsarbeiten lief die Fundbearbeitung und naturwissenschaftliche Untersuchung des Fundmaterials an. Diese sind weiterhin in Arbeit. Die bereits verfügbaren Ergebnisse der Forschungsarbeiten sind im Detail in den unten genannten und zum Teil für den Download verfügbaren Veröffentlichungen beschrieben.

Zusammenfassung erster Ergebnisse

Im Rahmen des Projekts 'Lebenswirklichkeiten' konzentrierte sich die Arbeit auf die Siedlungsschichten des Mittleren Reichs. Die Grabbauten des Alten Reichs, die im nordwestlichen der beiden Ausgrabungsschnitte entdeckt wurden, wurden daher nicht mehr ausgegraben, sondern mit gesiebtem Erdmaterial bedeckt und stehen so geschützt für zukünftige Untersuchungen zur Verfügung. Die ältesten Baustrukturen in diesem Gebiet waren Reste von drei Häusern aus der 11. Dynastie (H170–H172, Phase H). Diese frei stehenden Gebäude standen etwa einen Meter voneinander entfernt, sodass zwischen ihnen schmale Gassen frei blieben. Nach Aufgabe dieser Häuser wurde das Gebiet einige Zeit nicht als Baugrund genutzt. Teile von Flossenstrahlen, Fischköpfen und -schwänzen, vorwiegend von großen Fischen (insbesondere Nilbarschen und großen Welsen von mehr als 120 cm Länge) deuten darauf hin, dass hier zu einem Zeitpunkt mehrere dieser Tiere zerlegt und die fleischlosen Abfälle hinterlassen wurden. Die Mauern der verlassenen Häuser dienten wahrscheinlich als Rohmaterialressource für die neuen Ziegel, die vor Ort hergestellt wurden. In einer der harten Lehmschichten einer Ziegelschlammgrube befanden sich an zwei verschiedenen Stellen einige Abdrücke eines 17,6 cm langen Kinderfußes: eine Momentaufnahme des täglichen Lebens auf Elephantine vor vielen Jahrtausenden.

Die darüber anschließenden Häuser 167 und 168 waren durch frühere Ausgrabungsarbeiten an dieser Stelle der Nordweststadt der Insel stark zerstört worden (Phase G). Ab der fortgeschrittenen 12. Dynastie entstand ein Stadtviertel, das seine äußere Form bis in die 2. Zwischenzeit an beibehalten sollte. Am abfallenden Hang des Inselrückens schlossen sich im ausgegrabenen Bereich drei Häuser aneinander, von denen das mittlere in schmaler Form zwischen zwei weitläufigen Gebäuden eingezwängt war. Die Eingänge lagen jeweils in der südöstlichen Gasse. Von den frühen Siedlungsschichten der 12. Dynastie (Häuser 174, 175 und 182; Phase F) sind nur wenige Mauer- und Einbaureste erhalten bzw. ausgegraben worden. Zur nächst jüngeren Bauphase (ab der späten 12. Dynastie; Phase E) gehört Haus 73, das die Form eines sog. Hofhauses zeigt, dessen Räume an drei Seiten um einen offenen Hof angeordnet sind. Haus 73 teilt sich eine Mauer (M567) mit Haus 166 im Westen. Diese beiden Gebäude datieren laut der in ihnen gefundenen Keramik in die späte 12. Dynastie. In den Schichten auf den Böden des Hauses 166 wurden mehrere kleine Karneolabsplitterungen und einige Amethystkugeln gefunden. Sie weisen auf die Herstellung von Perlen aus Halbedelsteinen in diesem Haus hin. Das südwestlich neben Haus 166 anschließende Haus 169 ist bisher eines der größten ergrabenen Häuser des Mittleren Reichs auf Elephantine. Seine älteste Phase war aufgrund der Umbauten späterer Zeit schlecht erhalten. Die seit der späten 12. Dynastie vorhandenen Innenstrukturen des Hauses erlebte bis zu seiner Aufgabe nur einen einzigen größeren Umbauschritt mit.

Zu den wichtigsten Elementen von Haus 169 durch die gesamte 13. Dynastie zählt der erste Hof (R04), in dem eine Feuerstelle bzw. der sogenannte Ofenraum R07 lag und der aufgrund verschiedener Befunde und Funde als Arbeitshof interpretiert wird. Hier wurde gekocht und handwerklichen Tätigkeiten nachgegangen, zu denen die Herstellung von Schmuckgegenständen aus Amethyst und Straußeneierschale sowie von roten Farbpigmenten aus lokalem Hämatit gehörten. Im rückwärtigen Hof, von dem aus eine Treppe auf das Dach oder in einen ersten Stock führte, spendete eine auf Säulen stehende Decke Schatten. Auch er wurde für häusliche Aktivitäten genutzt, jedoch gibt es auf diese nur wenige Hinweise. Wahrscheinlich wurden hier unter anderem Waren oder Rohmaterialien geöffnet, die unter anderem von staatlichen Institutionen geschickt und versiegelt worden waren. Weitere kleinere Räume werden als Lagerräume identifizeirt. Wie der erste Stock bzw. die Überdachung beschaffen war, lässt sich nicht mehr mit Sicherheit erschließen. Die verschiedenen Feuerungen im Ofenraum wie auch in den anderen in Raum 04 nachgewiesenen Feuerstellen müssen eine Auswirkung auf die Wohnatmosphäre in Haus 169 gehabt haben. Nicht nur die große Hitze, die lediglich über das vermutlich offene oder nur leicht überdeckte Dach entweichen konnte, muss dabei in Betracht gezogen werden. Die Feuer wirbelten sicher auch feinste Aschepartikel auf, die sich, wenn kein Wind wehte, in größeren Teilen des Hauses sowie auf die umliegenden Häuser legten. Da vermutlich, wie auch heute noch, an den meisten Tagen des Jahres Nordwinde herrschten, wurden diese Partikel nach Süden weggetragen. Dadurch war der bisher schon als relativ sauberer Hof identifizierte hintere Teil des Hauses (R08) vor dieser Verschmutzung gefeit. Die ersten Studien der Insektenreste zeigten ein fast ausschließlich anthropogenes Faunenspektrum. Somit wurden nur Insekten, die sich im Lebensumfeld von Menschen und von Tieren aufhalten, identifiziert. Die Hausfliege, die bevorzugt in Dung und Nahrungsabfällen brütet, taucht überwiegend auf. Die zweitgrößte Gruppe stellen Nahrungsmittelschädlinge, die auf Getreide, Früchte und Gemüse zielen. Außerdem fanden sich mehrere omnivore Insektenarten, darunter solche, die sich über trockene menschliche Fäkalien hermachen, wie Gibbium psylloides. Ein als Toilette zu identifizierender Bereich wurde jedoch nicht im Haus gefunden.

Nach Aufgabe von Haus 169 (und wohl auch den Häusern 166 und 73, über denen jedoch keine stratigrafischen Reste mehr erhalten waren) wurde der Bereich erneut als Lehmziegelproduktionsstätte genutzt. Sich überlagernde Stampfflächen zeugen von dieser Tätigkeit. Die erhaltenen Mauern dienten vermutlich wieder als Ressource für den Rohstoff. Die aus diesem gebauten jüngeren Gebäude der 2. Zwischenzeit und des Neuen Reichs wurden bereits vor einigen Jahren von dem Kooperationspartner des DAI auf Elephantine, dem Schweizerischen Institut in Kairo, untersucht und entfernt.

iDAI-bibliography

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