Geoarchäologische und archäologische Untersuchungen zur Genese und Funktion von Erdwerken in Palau (Mikronesien)

Das Erdwerk Euid Elked im Staat Aimeliik © CAU Kiel // Christian Hartl-Reiter

Ergebnisse

Erdwerke Palaus - Ergebnisse

Ergebnisse

Anhand der Auswertung von Satellitenbilden und historischen Luftbildern der Insel Babeldaob ließen sich bisher 134 Erdwerke lokalisieren. Große Teile der Insel sind allerdings von dichtem Sekundärwald bewachsen, sodass von einer noch weitreichenderen Landschaftstransformation ausgegangen werden kann. Die Auswertung von LiDAR-Daten, die Erdwerke auch unterhalb der Vegetation erfassen können, wird diese Anzahl sicher deutlich nach oben korrigieren.

Die digitalen Höhenmodelle und Orthofotos zeigen viele Details, die mit dem bloßen Auge im Gelände nicht zu erkennen sind. Die Erdwerke sind also meist deutlich weitläufiger als bisher angenommen. Das Volumen an transportiertem und verbautem Material ist immens und lässt Rückschlüsse auf eine ehemals hohe Bevölkerungszahl im heute nur spärlich besiedelten Babeldaob zu.

Geoarchäologische Untersuchungen

Die Konstruktionstechniken und Funktionen der Erdwerke wurden anhand von geo–archäologischen Methoden untersucht. Es stellte sich heraus, dass die gewaltigen Anlagen zum größten Teil aus menschlich aufgetragenem Material – häufig mehrere Meter mächtig – bestehen. Erst wurden Lagen aus Saprolith (stark verwittertes vulkanisches Gestein) ausgebracht, dann mehrere mächtige Lagen Lehms. Alle untersuchten Testschnitte und Profile zeigten mehrere Meter dicke Aufträge von umgelagertem Saprolith, der mit Keramikbruchstücken und Holzkohle durchmischt war. In den horizontalen Bereichen wurden zudem fruchtbare Gartenböden aufgetragen, in denen sich eine Vielzahl von Pflanzgruben nachweisen ließen (Abb. 22). So ließ sich schlussfolgern, dass weite Bereiche der Anlagen für den Gartenbau genutzt wurden.

Besonders beeindruckend ist die geomorphologische Stabilität der Erdwerke. Die nachweisbaren Erosionsprozesse in Form von Sedimentation am Fuße der steilen Terrassenstufen oder Kronen bewegen sich maximal im Bereich weniger Zentimeter. Die viele Meter hohen, nahezu vertikalen Terrassenwände rutschten nicht ab; trotz häufiger tropischer Starkregen sind sie seit Jahrtausenden stabil. 

Am Fuße der Kronen ließen sich regelhaft umlaufende Gräben nachweisen. Anders als bisher angenommen, dienten diese nicht der offenen Entwässerung. Grabenfüllungen aus Steinen und Lehm und einer Vielzahl von Keramikbruchstücken, sowie seltener in situ Feuerstellen weisen auf eine sehr kurze Öffnungszeit. Sedimentation ließ sich auch innerhalb der Gräben nicht nachweisen.

Zwei der untersuchten Standorte weisen Vertiefungen in den Kronen auf (Abb. 23). Bodenkundliche Untersuchungen zeigten, dass in diesen Bereichen konstant-feuchte Bedingungen herrschten (Abb. 24). Der Nachweise von Diatomeen, mikroskopischen Resten von Algen, die sich nur in stehendem Wasser bilden, untermauern die bodenkundlichen Erkenntnisse. Dies deutet darauf hin, dass die Vertiefungen entweder als Wasserbecken oder für den Anbau von Sumpftaro (Colocasia esculenta) benutzt wurden. Da die Flächen in beiden Fällen nicht ausreichend sind, um einen signifikanten Beitrag zur Versorgung mit Trinkwasser oder Taro zu gewährleisten, legt hier eine rituelle Nutzung nahe.

Archäologische Flächengrabungen

In zwei Erdwerken wurden größere Flächengrabungen im Bereich der Kronen durchgeführt. In beiden Fällen ließen sich mehrere Bestattungen nachweisen. Ganz ungewöhnlich für die Insel Babeldaob mit ihren stark sauren Böden, waren die Skelette teilweise recht gut erhalten.

Bestattungen in der Krone des Erdwerks Ngerbuns el Bad, Staat Aimeliik

Das Erdwerk Ngerbuns el Bad zeichnet sich aus durch weitläufige terrassierte Hänge, eine Abfolge von länglichen Plattformen und einer hochpyradmidenförmigen Krone mit abgeflachter Spitze. Die Anlage ist Teil eines größeren Systems von Erdwerken in der direkten Umgebung. Die Krone ist einer der höchsten Punkte in der Landschaft und bildet Sichtachsen zu anderen Erdwerken.

Circa einen Meter unter der aktuellen Oberfläche der Krone wurde eine weitläufige Steinlage gefunden. Wie das Baumaterial der ca. 10m-hohen Krone wurden auch diese Steine dorthin transportiert und dann verbaut.

In der Krone wurden sechs Bestattungen gefunden. Soweit sich die Lage nachvollziehen lässt, sind alle in Rückenlage bestattet. Drei Gräber wurden innerhalb einer künstlich aufgeschütteten Erhebung aus rötlichem Material gefunden. Diese Gräber sind annähernd Nord-Süd ausgerichtet. Die anderen drei Bestattungen wurden direkt auf die Steinlage gebettet und sind annähernd West-Ost ausgerichtet.

Erste anthropologischen Untersuchungen konnten zeigen, dass die Toten in Matten u.ä. eingeschlagen waren, da die Schultern und Arme sehr eng am Körper anliegen. Hierzu gibt es frühe Beschreibungen von Augustin Krämer. Er bildet Fotografien von sogenannten Todenmatten in seinem Bericht über Palau ab.

Bemerkenswert sind auch die Ergebnisse der Untersuchungen zu Mikrofossilien im Füllsediment der Grabgruben. Es wurde eine Vielzahl Partikeln aus dem Spikulärskelett von Meeresschwämmen nachgewiesen. Dass diese auf natürlichem Wege in die Füllsedimente gelangt seien könnten, ist auszuschließen. Als Teil der Bestattungssitten wurden also auch Meeresschwämme in die Gräber gelegt.

Die exklusive Lage der Gräber auf der Krone des Erdwerkes deutet auf eine hohe soziale Stellung der Verstorbenen. Die Zugänglichkeit der Bereiche ist sehr limitiert, da die Seitenwände der Krone sehr steil und hoch sind. Auch hier gibt es Parallelen zu heutigen traditionellen Bestattungssitten in Palau: Mitglieder des höchsten Klans werden in einem erhöhten Teil des Friedhofes begraben, um sicherzustellen, dass Unbefugte sich nicht den Gräbern nähern.

Bestattungen in der Krone des Erdwerks Ngerbngei, Staat Ngaraard

Das Erdwerk Ngerbngei zeichnet sich durch eine annähernd dreieckige Plattform mit hohen und steilen Seitenwänden aus. In zwei Ecken befinden sich aufgeschüttete Rampen. Bei den Ausgrabungen der geoarchäologischen Sondage im Zentrum der Plattform wurde der anstehende Saprolith bereits nach ca. 50cm erreicht.

In einer der Rampen wurde ein keilförmiger Grabungsschnitt angelegt. Auch hier wurden sechs Bestattungen gefunden; auch hier lässt sich eine Mehrphasigkeit nachweisen. Anders als im Erdwerk Ngerbuns el Bad waren die älteren Grabgruben in den anstehenden Saprolith eingetieft. Teilweise wurden diese durch jüngere Grabgruben, die in die Füllschichten der Rampe eingetieft wurden, geschnitten. Die Skelette waren deutlich schlechter erhalten, doch auch hier ließ sich eine diachrone Veränderung der Ausrichtung der Grabgruben nachweisen: Die älteren Grabgruben sind Nord-Süd ausgerichtet, die jüngeren Ost-West. 

In einer der Grabgruben wurden zwei Stücke Koralle gefunden; eines davon ist durchbohrt. Auch dies stellt eine Parallele zu traditionellen Bestattungssitten dar: Ist eine verstorbene Person aus einem anderen Klan und/oder von einer anderen Insel, soll aber dennoch auf dem entsprechenden Klanfriedhof bestattet werden, so werden der Person Korallenstücke oder Brandungskiesel mit ins Grab gegeben.

Die Skelette aus den beiden Erdwerken in Babeldaob bergen großes Potenzial für genetische Untersuchungen. Sowohl Zähne als auch die Felsenbeine von sieben verschiedenen Individuen wurden für DNA-Untersuchungen beim Max-Planck Institut für evolutionäre Anthropologie eingereicht. Idealerweise ließe sich mit den DNA-Proben der Bestatteten aus den Erdwerken Babeldaobs eine wichtige Forschungslücke bezüglich der Besiedlungsgeschichte West-Mikronesiens schließen.

Ein interessanter Nebenaspekt der Untersuchungen ist die Feststellung, wie sehr die Erdwerke durch Kampfhandlungen im Zweiten Weltkrieg in Mitleidenschaft gezogen wurden. Palau war ein wichtiger Stützpunkt der Japaner und wurde nach langen und blutigen Auseinandersetzungen 1944 von amerikanischen Truppen eingenommen. Zeugnisse dieser Kampfhandlungen finden sich auf vielen Erdwerken. Da diese im Regelfall die höchsten Punkte im Gelände sind, wurden sie bevorzugt von japanischen Streitkräften für ihre Stellungen benutzt. Noch heute finden sich verrostete Flakgeschütze auf den obersten Stufen, in einigen Erdwerken wurden Schützengräben angelegt, und einige sind durch Bombardements von See und aus der Luft stark beschädigt worden. Die entstandenen Bombenkrater, die im Gelände bei der dichten Vegetation leicht zu übersehen sind, ließen sich mithilfe der digitalen Höhenmodelle sehr gut darstellen.