Ergebnisse
Die Forschungen der Jahre 2012 bis 2023
Made in Apunirereha - Eine Manufaktur für Steinbeile
Im Südosten der Insel Malaita konnten während der Feldkampagnen 2012 bis 2019 mehrere Areale lithischer Produktionsstätten archäologisch näher untersucht werden. Insgesamt handelt es sich um zwei Schlagplatzreviere, die etwa 700 Meter voneinander entfernt liegen.
Die archäologischen Arbeiten konzentrierten sich auf den Fundplatz Apunirereha unweit des Weilers Maniaha.
Bei dem Freilandfundplatz Apunirereha handelt sich um ein mehrere 100 m² großes Areal mit außerordentlich umfangreichem Materialaufkommen an geschlagenen Steingerätschaften. Lokale, leicht zugängliche Feuersteinvorkommen prädestinierten Apunirereha in besonderem Maße für die Herstellung von Steinwerkzeugen. Die Ausgrabung im Zentrum des Schlagplatzes lieferte große Mengen an Abschlagmaterial, dutzende Kern- und Scheibenbeile sowie Schaber und Kratzer in großer Typenvielfalt. Die vielfältigen Varianten im Werkzeugbestand emöglichen die Entwicklung und Aufstellung eines Typologiegerüstes für die Einreihung entsprechender Artefakte von den Salomonen Inseln. Die stratigraphische Sequenz und eine Serie von 14C Daten, gewonnen aus Holzkohlestücken von Feuerstellen und Erdöfen (‚Umu‘), sprechen für eine lange Nutzung des Platzes in einem zeitlichen Rahmen zwischen 6.500 v. Chr. und 1.600 n. Chr. Die Daten um 6.500 v. Chr. belegen die Anwesenheit des Menschen bereits im mittleren Holozän. Mit diesem Alter ist Apunirereha jetzt der älteste Fundplatz auf den zentralen Salomonen.
Gebrauchsspurenanalysen, die am TraceoLab der Universität Liège an ausgewählten Steinbeilen und Schabern durchgeführt wurden, ergaben, dass alle Fabrikate unbenutzt sind. Dies bekräftigt die Annahme, dass die gefertigten lithischen Produkte ‚Made in Apunirereha‘ als Handels- oder Tauschware zumindest regional in Umlauf gebracht worden sein mussten.
Die vielfältigen Varianten im Werkzeugbestand ermöglichen die Entwicklung und Aufstellung eines Typologiegerüstes für die Einreihung entsprechender Artefakte von den Salomonen Inseln.
Aus verschiedenen Schichtkontexten und aus Feuer- und Kochstellen wurden Holzkohleproben isoliert, die für eine Radiokarbondatierung bestimmt waren. Eine erste 14C Datierungsserie markiert den zeitlichen Rahmen dieses Schlagplatzes zwischen 2050 BP und 500 BP. Die gefertigten lithischen Produkte wurden anzunehmend als Handels- oder Tauschware regional und überregional in Umlauf gebracht.
Der Fundort ‚Apunirereha’ nimmt dabei eine wichtige geographische sowie historische Schlüsselposition für den Salomonen-Archipel ein.
Das Ria – Felsdach
Am zweiten Fundplatz, dem Ria – Felsdach, einem etwa 20 m langen und bis zu 3 m auskragenden Felsüberhang, konnten während einer ersten Begehung Hinweise auf eine Anwesenheit des Menschen an diesem Ort festgestellt werden. In jüngerer Zeit diente dieses natürliche Felsschutzdach nach Mitteilung der lokalen Bevölkerung nur noch gelegentlich als temporäres Refugium oder spontaner Rastplatz.
An der Oberfläche liegende ortsfremde Gerölle und lithische Gerätschaften gaben Anlass dort eine kleine Sondage vorzunehmen. In den Jahren 2012 bis 2019 wurden unter dem Felsdach Ausgrabungen durchgeführt. Stratifizierbare Kulturschichten mit unterschiedlichen Befundstrukturen wie Feuerstellen und Steinpflasterungen sowie umfangreiches Fundmaterial bestätigten die Nutzung des Felsdaches auch in der Vergangenheit als einen vom Menschen stark frequentierten Wohnplatz. Aus allen Kulturschichten konnten verschiedene Steingeräte wie etwa Steinbeile, Schaber, gezähnte Stücke, Abschlagmaterial und Reste von Kleinfauna sowie Schalen von Schnecken und Muscheln geborgen werden. Als Schmuckelemente sind ein aus Perlmutt gefertigtes und nur als Fragment erhaltenes Pektoral, ein Amulett, hergestellt aus einer marinen Kegelschnecke sowie einzelne perforierte Perlen zu deuten. Die Perlen waren Bestandteil einer Kette, die auf den Salomonen als sogenanntes ‚Muschelgeld‘ ein einheitliches Zahlungsmittel oder Wertträger darstellten.
Der Felsüberhang diente aber nicht nur als schützende Lagerstätte, sondern zu bestimmten Zeiten auch mehrfach als Bestattungsplatz. Insgesamt konnten sieben Bestattungen, diese in unterschiedlichem Erhaltungszustand, identifiziert werden. Alle Bestattungen sind radiokarbondatiert auf unterschiedliche Zeiträume zwischen 460 und 1490 vor heute. Das älteste 14C Datum, das die frühe Nutzung des Felsdaches belegt, ergaben Holzkohlestücken die um 1620 vor heute datiert sind.
Die Bestattungen geben nicht nur Auskunft über den praktizierten Totenritus vor etwa 500–1500 Jahren, sondern ermöglichen auch anthropologische und genetische Analysen am Skelettmaterial. Die paläopathologischen Untersuchungen an den Menschenresten aus dem Fundplatz Ria werden vom Referat Naturwissenschaften und prähistorische Anthropologie des DAI durchgeführt.
Im melanesischen Raum sind Bestattungsplätze in der Regel mit einem schützenden Tabu belegt – die Einheimischen sprechen von ‚tambu‘. Als heilige Plätze verbieten sich an diesen Orten Besichtigungen oder archäologische Eingriffe. Obgleich sich in unmittelbarer Nähe zum Fundplatz Ria solche mit Tabu belegten Orte befinden, war der Felsüberhang selbst frei von Restriktionen. Dies änderte sich auch nicht mit der durch die Ausgrabungen neu erlangten Erkenntnis, dass es sich um einen prähistorischen Bestattungsplatz handelt. Eine nachträgliche Um- oder Neudeklarierung der Stätte in das Wertmaß eines Tabu-Ortes bleibt ausgeschlossen.
Mikrogebrauchspurenanalyse
Mikrogebrauchspurenuntersuchungen an den Steinwerkzeugen belegen, dass diese– im Gegensatz zu dem lithischen Inventar aus Apunirereha – stark benutzt wurden. Die Artefakte zeigen an ihren Arbeitskanten und funktionalen Enden Gebrauchsretuschen und Aussplitterungen sowie vereinzelte Glanzpartien (Gloss), die von einer Bearbeitung pflanzlichen Materials herrühren. Die Lithik aus dem Ria-Felsdach liefert somit wichtige Informationen zur einstigen Verwendung der Steinwerkzeuge. Neu im Forschungsprogramm sind jetzt auch archäo-ethnologische Studien zu Beispielen rezenter Schäftungen von antiken Steinbeilen und der Herstellung der Schäftungsmasse. Chemische Analysen zu diesem Klebstoff sind in Vorbereitung.
In den Jahren 2020 und 2021 wurden Geländebegehungen auf der Insel Nu’usi und auf der Nggela-Inselgruppe durchgeführt. Dabei konnten neue prähistorische Fundstellen entdeckt werden, die auf Grund des archäologischen Fundmaterials lohnend scheinen für eine weitere Untersuchung.
Der archäologische Survey auf Nu’usi führte zur Entdeckung eines Fundplatzes mit verschiedenen Befundstrukturen und sichtbaren Hinweisen auf eine lithische Produktionsstätte. Interessant sind außerdem architektonische Überprägungen der natürlichen Inseltopographie in Form von umlaufenden Uferbefestigungen, künstlichen Hügeln und einem Wegesystem, die alle aus Feuersteinknollen und Korallenstöcken angelegt wurden. Verschiedene Areale auf der Insel sind durch unterschiedlich starke Anhäufungen lithischen Materials markiert. Mehrere Feuersteinbeile, Beilrohlinge und Steinabschläge weisen die Zonen als Werkstätten zur Produktion steinerner Gerätschaften aus.
Nggela Inseln
Die Nggela-Inselgruppe, auch als Florida Islands bezeichnet, liegt zwischen den Inseln Guadalcanal und Malaita und setzt sich, neben vielen kleineren Inseln, aus den Hauptinseln Nggela Sule, Nggela Pile, der Sandfly Insel (Mbokonumbeta) und Vatilau zusammen.
Das Ziel des archäologischen Geländesurveys auf Nggela im Frühjahr 2021 war die Suche nach potenziellen prähistorischen Fundstellen. Zu Zeiten mariner Regression im Pleistozän war Nggela südöstlichster Teil von »Greater Bougainville« oder »Greater Bukida«, jener Großinsel, die auf Grund der erweiterten Landmasse Buka, Bougainville, Choiseul, Isabel und Nggella verband. Am nordwestlichen Ende dieser langgestreckten Großinsel befindet sich auf der heute zu Papua Neuguinea gehörenden Insel Buka der Fundplatz Kilu Cave, eine paläolithische Höhlenstation, die auf 28.000 BP bis 20.000 BP datiert ist. Es ist daher nicht auszuschließen, dass die Menschen während des Paläolithikums sich trockenen Fußes bis zum letztmöglichen Außenposten Nggela ausgebreitet haben.
Insgesamt konnten während der Feldbegehungen acht Höhlenfundorte und zehn Felsüberhänge entdeckt und kartiert werden.
Marau Sund
Im Jahr 2022 wurde ein weiterer Survey im Marau Sund im Osten der Insel Guadalcanal durchgeführt. Dabei konnten auf Marapa Island Feuersteinabschläge und zwei Keramikscherben, eine davon mit Ritzverzierung, aufgesammelt werden. Die entdeckten Keramikscherben, datieren wahrscheinlich in die Lapita oder Postlapita-Zeit und stellen ein absolutes Novum für die zentralen Salomonen dar. Die Insel Guadalcanal galt seither als keramikfrei. Die Diskussion um den Migrationsweg der Lapita-Leute wird durch die neuerlichen Funde somit neu angefacht. Die Fundstelle auf Marapa soll 2023 erneut aufgesucht und archäologisch sondiert werden.
Im Forschungsprogramm verankert sind weitere Gebrauchsspurenuntersuchungen an den Steingeräten sowie die petrologische Charakterisierung des Rohmaterials und Werkstoffes „Feuerstein“‚Silex’ und dazugehörige Provenienzanalysen.
Kooperierende Institutionen und Partner: Solomon Islands National Museum (Director Tony Heorake, Deputy Director und Chief Archaeologist Lawrence Kiko), Ministry of Culture and Tourism Solomon Islands (Directors of Culture John Tahinao und Dennis Marita). TraceoLab, Université de Liège (Sonja Tomasso).
Logistische Hilfestellung: Deutsche Botschaft Canberra (Australien), Honorarkonsulat der Bundesrepublik Deutschland auf den Salomonen (Honorarkonsulin Jessica Bradford).
Beiträge zum Projekt in den DAI e-Forschungsberichten
eDAI FB 1-2014
eDAI FB 2-2018
eDAI FB 2-2021
Downloads
eFB14-1 Moser_Malaita.pdf (pdf) MALAITA, SALOMONEN INSELN Besiedlungsgeschichte Melanesiens – Vorgeschichte der Salomonen Inseln
eDAI FB2-2018 Apunirereha und Ria (pdf) Apunirereha und Ria, Salomonen Inseln
eDAI FB 2-2021 Nu'usi und Nggela (pdf) Nu’usi und Nggela, Salomonen.
Journal of Global Archaeology 2020 (pdf) A closer look at Malaita's lithics
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