Zentrum und Peripherie: der Siedlungsraum der Paracas-Kultur (800-200 v. Chr.)

Ergebnisse

Fundort Cutamalla

In Cutamalla wurden während ersten Grabungen in den Jahren 2007 und 2010 Teilflächen einer großen, runden und den Fundort kennzeichnenden Kreisanlage mit vertieftem Hof in Sektor B und offensichtliche Wohnbauten in Sektor A ausgegraben. Im aktuellen Projekt wurde im Jahr 2012 ein weiterer Teilbereich der Kreisanlage in Sektor B ergraben. Diese für den Fundort als typisch anzusehende Kreisanlage verfügt über einen rundlichen Plan mit einem Durchmesser von ca. 40 m. Zentral befindet sich ein runder, eingesenkter Platz mit einem Durchmesser von 22 m. Diesen Platz umgibt eine zum Zentrum hin abfallende 3 m breite Terrasse, daran anschließend liegen sechzehn D-förmige Strukturen, von denen zehn ausgegraben wurden. Diese Strukturen werden von einer Trockenmauer aus Feldsteinen gebildet und sind 4 - 5 m breit und 5 - 5,50 m lang. Der gerade Mauerteil ist dabei zum Zentrum des Hofes hin orientiert, so dass die halbkreisförmigen Mauerteile gewissermaßen die „Blütenblätter“ einer blütenförmigen Kreisanlage bilden, die sich in der Aufsicht ergibt.

Das Fundmaterial stammte zum größten Teil aus den D-förmigen Strukturen bzw. den Gruben, die sich im internen Hof befanden. Es handelt sich hauptsächlich um Grobkeramik, wenig Feinkeramik, zahlreiche Spinnwirtel, Spitzen und Abschläge aus Obsidian, Schlagsteine und Reibsteine, sowie Tierknochen. Als herausragende Funde tauchten eine Goldperle, ein feinkeramisches Gefäß und ein Stück Jade auf.

Im Jahr 2014 wird an diesem Fundort weitergegraben, ein besonderes Augenmerk wird auf den Siedlungsbereich gerichtet werden.

Fundort Collanco

Die enorme Ausdehnung des Fundortes Collanco stellte eine große Herausforderung für die Dokumentation und Planerstellung dar. Im Rahmen des Forschungsprojektes wurde im Jahr 2013 ein Auftrag an die Firma ArcTron3D erteilt, um mit modernen Methoden der 3D-Vermessung ein Geländemodell des Fundortes zu erstellen. Eine entsprechende Messkampagne fand Ende Januar und Anfang Februar 2013 statt. Nach dem Ausbringen von Passpunkten im Gelände, die in das lokale Messsystem eingebunden wurden, wurden mehrere Befliegungen des Geländes mit einem Gleitschirm durchgeführt und hochauflösende Fotos aus möglichst senkrechten Positionen angefertigt. Die Luftaufnahmen wurden unter Verwendung des Softwarepakets Aspect3D zu dem gewünschten Geländemodell verarbeitet. Die photogrammetrische Dokumentation umfasste eine Gesamtfläche von 4,5 qkm. Dabei wurden Terrassen und obertägig sichtbare Reste von Siedlungsbauten auf einer Fläche von 1,7 qkm dokumentiert. Im Siedlungsbereich, der für die Ausgrabung vorgesehen war, wurde ebenso von ArcTron3D eine hochpräzise Geländevermessung mit einem Laserscanner vorgenommen. Das so erstellte Geländemodell des Grabungsbereiches konnte gleichzeitig als 3D-Dokumentation der Oberflächenbefunde verwendet werden, so dass bei der nachfolgenden Ausgrabung die manuelle Dokumentation der Oberflächenbefunde entfiel und direkt mit der Ausgrabung begonnen werden konnte. Danach wurde eine umfangreiche Flächengrabung im Siedlungsbereich des Fundortes Collanco durchgeführt, die ein Areal von 600 m² umfasste. Es wurden zwei Gebäudekomplexe ausgegraben, die in ihrer Grundstruktur den blütenförmigen Kreisanlagen von Cutamalla gleichen. Die Gebäudekomplexe bestehen jeweils aus einem ovalen, von West nach Ost orientierten Platz mit einer Länge von ca. 15 m und einer Breite von ca. 10 m. Im nördlichen Teil ist der Platz von einer niedrigen Mauer in einen Süd- und einen Nordbereich untergliedert. In den nördlichen und östlichen Bereichen der Plätze sind zudem Bereiche durch Umfassungsmauern abgegliedert. An die Plätze sind D-förmige Strukturen von zwei bis drei Metern Länge und Breite angebaut. Manche dieser D-förmigen Strukturen weisen Inneneinbauten wie Bänke und Treppenbereiche auf. Im Randbereich des zentralen Platzes sowie einer D-förmigen Struktur des nördlichen Gebäudekomplexes wurden zudem zwei Bestattungen mit insgesamt sechs Individuen festgestellt. Die Stratigraphie lässt darauf schließen, dass sie vor der Errichtung des Gebäudekomplexes bzw. zu Beginn seiner Nutzung beigesetzt wurden. Auf dem Fundort befinden sich vier weitere obertägig erkennbare Gebäudekomplexe, welche dem architektonischen Grundprinzip eines zentralen Platzes und daran angegliederten D-förmigen Strukturen zu folgen scheinen.

Geophysikalische Prospektionen im Fundort Huayuncalla

Im Rahmen des Projektes Anden-Transekt waren in den Jahren 2008 bis 2010 archäologische Untersuchungen an dem Fundort Huayuncalla durchgeführt worden. Der Fundort Huayuncalla befindet sich auf einem Bergrücken in einer Höhe von 3100 m, etwa 3 km südöstlich des Fundortes Cutamalla. Dort waren zwei Siedlungskonzentrationen festgestellt worden, die mit den projektinternen Bezeichnungen PAP-814 und PAP-815 versehen wurden. Vorrangiges Ziel der Forschungen in Huayuncalla war zunächst die Dokumentation der Siedlungsreste der Nascazeit (200 v. Chr. – 600 n. Chr.) und des Mittleren Horizontes (600 – 1000 n. Chr.) gewesen. In den tiefen Schichten waren jedoch auch runde und D-förmige Gebäude gefunden worden, die denen von anderen Paracas-Fundorten wie etwa Cutamalla sehr ähnlich waren. Diese Gebäude konnten jedoch nur in kleinen Sektoren ausgegraben werden. Es war zu vermuten, dass die Gebäudereste der Paracaszeit zu einem größeren Architekturkomplex in Form einer Kreisanlage gehörten, so wie sie an anderen Paracas-Fundorten dokumentiert worden waren. Um die Existenz der vermuteten Kreisanlagen zu überprüfen, wurden die in Frage kommenden Bereiche geophysikalisch prospektiert. Jörg Fassbinder vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege führte im August 2013 Magnetometermessungen mit einem Cäsiummagnetometer durch. Insgesamt wurden in PAP-814 fünf Messquadrate von 40 m x 40 m Seitenlänge, d.h. eine Fläche von 8000 qm prospektiert. Der bisher noch nicht kartierte Fundort PAP-815 wurde topographisch vermessen, während gleichzeitig die Magnetometerprospektionen vorgenommen wurden. Insgesamt wurden sechs Einheiten von 40 m x 40 m Seitenlänge, d.h. eine Fläche von 9600 qm vermessen. Als Ergebnis der geophysikalischen Prospektion in Huayuncalla kann festgehalten werden, dass sich drei Gebäudekomplexe nachweisen ließen, die hinsichtlich ihrer Lage, Größe und Form den Kreisanlagen entsprechen, die an anderen Fundorten der Region als typisch für die späte Paracaszeit anzusehen sind. Es ist anzunehmen, dass die bisher durchgeführten Untersuchungen nur einen kleinen Anteil der in Huayuncalla vorhandenen Gebäude aus der Paracaszeit nachweisen konnten. Huayuncalla ist somit ein weiterer Fundort mit den typischen Merkmalen, die offenbar eine charakteristische Architekturtradition dieser Region an der Westseite der peruanischen Anden ausmachen.

Eine detaillierte Auswertung der Funde und Befunde aus Cutamalla und Collanco steht noch aus, daher kann eine abschließende Interpretation dieser bisher in der andinen Archäologie einzigartigen, blütenförmigen Kreisanlagen noch nicht abschließend formuliert werden. Die Ausgestaltung der zentralen Plätze von Collanco deutet jedoch auf eine mögliche Nutzung als Wohnbereiche hin, während die D-förmigen Strukturen als daran angrenzende Nutz- oder Speichergebäude gedient haben könnten.

Für Cutamalla wird eine Nutzung der Kreisanlagen als Produktions- und Speicherstätte bisher als am wahrscheinlichsten erachtet. Für eine Nutzung als Speicherstätte sprechen die gefundenen Speichergruben im zentralen Platz der Kreisanlage und die großen internen Gruben der D-förmigen Strukturen, die ebenfalls als Speicher gedient haben könnten. Aufgrund der zahlreich gefundenen Spinnwirtel und Obsidianartefakte wird für Cutamalla außerdem zusätzlich eine Funktion als Produktions- oder Redistributionsstätte für möglich erachtet. Kamelidenhaar für Textilien und Obsidian aus dem Hochland waren für die Küstenregion der Paracaskultur besonders wichtig und könnten in solchen „Blumenstrukturen“ vorverarbeitet und von dort an die Küste gebracht worden sein. Die Auswertung sämtlicher Grabungsergebnisse, eine umfassende, unabhängige Analyse und Klassifikation der ergrabenen Keramik, Radiokarbondatierungen und die makrobotanische Analyse der Bodenproben werden dazu beitragen, die Funktion der "Blumenstrukturen" genauer zu klären, um so dass Verhältnis zwischen Hochland und Küste während der Paracaskultur besser verstehen zu können.