Marib und Sirwah (Jemen) - Bauhistorische Untersuchungen an den Stadtmauern

Sirwah. Fernsicht auf die Stadtanlage mit ihrer Ummauerung. © DAI, Aussenstelle Sanaa // Mike Schnelle, Orient-Abteilung

Forschung

Ansätze und Methoden

Während sich die bauarchäologischen Untersuchungen an der Stadtmauer von Marib auf die Dokumentation der wenigen oberirdisch sichtbaren Teile der Ummauerung beschränkten, konnten in Sirwah darüber hinaus in mehreren Arealen archäologische Grabungen durchgeführt werden.

Aufgrund der fast vollständigen Überdeckung der erhaltenen Reste der Stadtmauer von Marib mit Versturz, Kulturschichten und Sedimenten ist deren Untersuchung ohne archäologische Prospektionen schwierig. Die Dokumentationen umfassten in Marib die fotografische Aufnahme der oberirdisch sichtbaren Elemente der Stadtmauer und ihr tachymetrisches Aufmaß mit dem Schwerpunkt auf der Nördlichen und Teilen der Östlichen Ummauerung. Einzelne Bauteile wurden auf Grundlage des tachymetrischen Aufmaßes und der Photodokumentation photogrammetrisch entzerrt bzw. verformungsgerecht als Handzeichnung dokumentiert. Anhand der unterschiedlichen beim Bau verwendeten Materialien und deren Be- und Verarbeitung im Kontext mit stratigrafischen Überlegungen konnten einzelne Bauphasen differenziert und diese den epigraphischen Quellen gegenübergestellt werden. Dadurch gelingt es, Bauphasen zu differenzieren und zeitlich einzuordnen.

Im Gegensatz zur Fortifikation von Marib sind größere Teile der Stadtmauer von Sirwah oberirdisch sichtbar, wenn auch oft ihres Schalenmauerwerks beraubt. Alle sichtbaren Teile der Stadtmauer wurden tachymetrisch eingemessen, meist mit dem Laserscanner erfasst, photographiert und photogrammetrisch ausgewertet. An mehreren Stellen konnten archäologische Sondagen durchgeführt werden, welche Ergebnisse zum Verlauf, der Konstruktion, der Materialität und verschiedenen Bau- und Nutzungsphasen erbrachten. Zusätzlich wurden sedimentologische Untersuchungen durchgeführt und verschiedene Datierungsmethoden, wie OSL und 14C-Datierung angewandt.

Seit 2007 sind in Marib und seit 2009 in Sirwah keine archäologischen Arbeiten vor Ort möglich. Der Zustand der Stätten, so auch der Fortifikationen der beiden sabäischen Zentren, wird im Rahmen eines Monitorings unter Nutzung von aktuellen Satellitendaten überwacht. Die Ergebnisse werden im Projekt AYDA (Ancient Yemen Digital Atlas) dokumentiert.

Forschungsgeschichte

Die Stadtmauer der antiken sabäischen Hauptstadt Marib geriet im Jahre 1888 erstmals in den Blickpunkt des Interesses, als der Forschungsreisende Eduard Glaser Marib besuchte. 1952 publizierte der ägyptische Archäologe Ahmed Fakhry seinen archäologischen Reisebericht als Ergebnis einer 1947 in den Jemen durchgeführten Forschungsreise. Er veröffentlichte darin neben Beschreibungen auch Photographien des antiken Stadtareals von Marib. Besonders erwähnenswert sind die Sammlung von epigraphischem Material und seine große Sorge um die Erhaltung der antiken Architekturen. Zu jener Zeit sind in Marib die antike Stadtmauer aber auch andere Bauten im antiken Stadtgebiet zugunsten des Neubaus eines Gouverneurspalastes demontiert worden, was Fakhry photographisch und schriftlich während seiner Anwesenheit dokumentierte.

Auf rein epigraphischen Forschungen beruhend, legte im Jahre 1976 Hermann von Wissmann die Geschichte Maribs und seiner Befestigung in einem ersten Entwurf dar. Darüber hinaus publizierte er erstmals einen maßstäblichen Plan des antiken Stadtgebiets der sabäischen Hauptstadt. 1979/80 begannen die Untersuchungen durch das Deutsche Archäologische Institut in Marib. In ihrem Artikel „Die Stadtmauer von Marib“ hat B. Finster erstmals den Versuch einer Bestandsaufnahme der Ummauerung Maribs unternommen. 2001 wurden die archäologischen und bauhistorischen Arbeiten in Marib von der Außenstelle Sana’a des Deutschen Archäologischen Instituts wieder aufgenommen.

In den Jahren 2002 und 2003 ist die Stadtmauer im Rahmen eines Surveys des antiken Stadtgebietes innerhalb des hier vorgestellten Projektes so weit möglich dokumentiert worden. 2005 mussten aktuelle Zerstörungen im antiken Stadtgebiet und auch im Bereich der Stadtmauer zur Kenntnis genommen und dokumentiert werden. Danach war eine Fortsetzung der Arbeiten in Marib aus Sicherheitsgründen nicht mehr möglich.

Die Forschungsgeschichte zur Ummauerung von Sirwah beginnt erst mit Ahmed Fakhry in der Mitte des 20. Jahrhunderts, während die antike Stadtanlage bei Forschenden bereits lange zuvor bekannt war. A. Fakhry publizierte nach seiner Jemen-Reise im Jahre 1947 eine erste Planskizze der Stadtanlage und Photographien der Befestigungsanlage. 1975 besuchte der Epigraphiker C. Robin Sirwah und dokumentierte große Teile des Stadtgebietes photographisch, bevor es zu größeren Zerstörungen durch Erdbeben und vor allem durch Steinraub an der Stadtmauer kam. 1979/80 begannen die Untersuchungen durch die Aussenstelle Sanaa in Sirwah, die sich zunächst auf den Almaqah-Tempel, der Teil der östlichen Stadtbefestigung ist, konzentrierten.

2001 wurden die archäologischen und bauhistorischen Arbeiten in Sirwah durch die Aussenstelle nach einer längeren Pause wieder aufgenommen. Zwischen 2004 und 2009 ist die Stadtmauer intensiv bauhistorisch und archäologisch untersucht und dokumentiert worden. Nach 2009 war eine Fortsetzung der Arbeiten in Sirwah aus Sicherheitsgründen nicht mehr möglich.

Forschungsziele

Die Untersuchungen an den Stadtmauern von Marib und Sirwah sind als Grundlagenforschung einzuordnen. Daher ist zunächst das Ziel die Lage, Konstruktion, Materialität und Baugeschichte der Ummauerungen zu skizzieren. Dies muss sich bei der Stadtmauer von Marib zunächst auif die oberirdisch sichtbaren Bauteile beschränken sowie auf die Auswertung der epigraphischen Quellen und ihre Gegenüberstellung mit dem bisher erreichbaren baulichen Befund. Nach den vorangegangenen Surveykampagnen an der Stadtmauer von Marib müssen dann zukünftige Ausgrabungen detaillertere Informationen zur Lage, zum Verlauf, zur Konstruktion und zur Datierung der verschiedenen Phasen der Ummauerung liefern. Weiterhin ist geplant, die begonnene Bestandsaufnahme der umfangreichen Befestigungswerke fortzuführen. Dies ist umso dringender, da die noch erhaltenen Mauerzüge aktuell stark durch Plünderungen und Steinraub bedroht sind.

Die archäologischen und bauhistorischen Untersuchungen an der Stadtmauer von Sirwah haben das Ziel, tiefere Einblicke in die sabäische Wehrarchitektur zu gewinnen. Dabei sollen zum einen das Phänomen der Integration von nichtmilitärischer Architektur in die Befestigungswerke, zum anderen jenes von separat errichteten Baukomplexen untersucht werden, die gerade für Sirwah besonders prägend sind. Aufgrund der Verwendung von sehr verschiedenem Steinmaterial zu unterschiedlichen Zeiten mit entsprechend sich verändernden Steinbearbeitungs- Konstruktions- und Versatztechniken besteht die Hoffnung, neue Erkenntnisse für die Entwicklung der sabäischen Bautechnik zu erlangen. Ferner ist die Erforschung der Bau- und Nutzungsgeschichte der Stadtmauer eine Aufgabe dieses Projektes.

Marib. Stadtgrenze des antiken Stadtgebietes, die sich nur durch die Trennung zwischen helleren und dunkleren Ablagerungen erkennen lässt. Im Hintergrund der rezente Siedlungshügel. © DAI, Aussenstelle Sanaa // Mike Schnelle
Marib. Teil der nordwestlichen Stadtmauer mit dem vom Schalenmauerwerk beraubten Mauerwerkskernen der Türme. © DAI, Aussenstelle Sanaa // R. Baumgartner
Marib. Turm der nördlichen Stadtmauer mit dem erhaltenen Schalenmauerwerk aus Kalkstein. © DAI, Aussenstelle Sanaa // Mike Schnelle
Marib. Mauerabschnitt der südöstlichen Stadtmauer mit unterschiedlichen Baumaterialien. © DAI, Aussenstelle Sanaa // R. Baumgartner
Sirwah. Südliche Eckturmanlage der Stadtmauer mit einer rezenten Spolienüberbauung. © DAI, Aussenstelle Sanaa // Mike Schnelle
Sirwah. Kamermauersystem der südwestlichen Stadtmauer. © DAI, Aussenstelle Sanaa // Mike Schnelle
Sirwah. Baufuge an einem Abschnitt der nordwestlichen Stadtmauer. © DAI, Aussenstelle Sanaa // Mike Schnelle
Sirwah. Mauerabschnitt der nordwestlichen Stadtmauer. © DAI, Aussenstelle Sanaa // Mike Schnelle
Sirwah. Grabungsarbeiten an einem Wasserauslass im Bereich der nordwestlichen Stadtmauer. © DAI, Aussenstelle Sanaa // Mike Schnelle
Sirwah. Kurtine im Bereich der nordöstlichen Stadtmauer mit bauinschrift in situ. © DAI, Aussenstelle Sanaa // Mike Schnelle