Marib - die Hauptstadt von Saba in Südarabien

Blick von Westen auf das antike Stadtgebiet mit neuzeitlichen Lehmziegel- und Steinhäusern im Hintergrund und antiken Spolien im Vordergrund. © DAI, Außenstelle Sanaa // Irmgard Wagner

Ergebnisse

Die Stadt Marib in der gleichnamigen Oase ist die größte antike Stadtanlage Südarabiens. Ihre Ursprünge sind im frühen 2. Jt. v. Chr. zu suchen, und sie wurde wohl durchgängig bis in die Neuzeit als Siedlungsplatz genutzt. Im frühen 1. Jt. v. Chr. entwickelte sich Marib zur Hauptstadt von Saba und zu einem wichtigen Handelsstützpunkt für die Karawanen entlang der Weihrauchstraße.

Das im Jahre 2001 begonnene und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft von 2007-2010 geförderte Projekt Archäologische und epirgraphische Erforschung der sabäischen Hauptstadt Marib (Jemen) hat zum Ziel, Fragen nach der Organisation und Raumgestaltung der Stadt, der Chronologie und der Ausprägung ihrer materiellen Kultur, der Geschichte, den Wechselbeziehungen von Stadt und Umland sowie den überregionalen Kontakten zu beantworten. Der Fundplatz bietet für Südarabien darüber hinaus die einmalige Möglichkeit, ein fundiertes chronologisches Gerüst für die Entwicklung des sabäischen Reiches von seiner Formierung im späten 2. Jt. v. Chr. bis zu seinem Ende im 6. Jh. n. Chr. zu erstellen. Der archäologische Teil des Forschungsprojektes wurde von der Orientabteilung des Deutschen Archäologischen Instituts, der epigraphische Teil vom Lehrstuhl für Semitische Philologie und Islamwissenschaft bzw. der jetzigen Forschungsstelle Antikes Südarabien und Nordostafrika an der Philosophischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena übernommen. Die Arbeitsschwerpunkte des archäologischen Projektes Marib-Stadt mussten teilweise den äußeren Umständen angepasst werden. Statt großangelegter Ausgrabungen fanden archäologische Geländebegehungen in der antiken Stadt und im Bereich der antiken Oase von Marib (Projekt Marib Oase) statt. Diese Arbeiten waren zwischen 2001 und 2007 möglich. Seit 2009 können aufgrund der politischen Situation im Jemen keine Arbeiten vor Ort in Marib mehr ausgeführt werden.

Die Stadt Marib mit einer Größe von 98,5 ha gliedert sich in unterschiedliche Nutzungsbereiche. Insgesamt war die Stadtanlage von einer heute noch teilweise sichtbaren, über 4 km langen Umfassungsmauer mit Türmen umgeben. Sieben Tore vermittelten in das Innere der Stadt. Administratives Zentrum der sabäischen Hauptstadt bildete der bisher nur inschriftlich bekannte und noch in der islamischen Überlieferung hoch gerühmte Palast Gumdan. Den Surveyergebnissen zufolge fanden sich im Mittelpunkt von Marib Tempelanlagen und Verwaltungsbauten sowie Wohnbebauung und Handwerksbereiche. Der markante, 20 m hohe Hügel mit den Überresten von Lehmhäusern des neuzeitlichen Marib besteht vollständig aus mittelalterlichen Schichten. Innerhalb des zentralen Stadtgebietes konnten fünf Podien beobachtet werden, welche vermutlich einst Tempel trugen. Der berühmteste, auch in den Schriften genannte Tempel Harunum mag vielleicht in dem Bau identifiziert werden, der heute von der Suleiman-Moschee eingenommen wird. Hier befinden sich noch acht monumentale Steinpfeiler, die den Eingangsbereich in den Tempel schmückten. Bei der geomagnetischen Prospektion kam eine dichte Besiedlung aus unregelmäßig rechteckigen Gebäuden zutage, deren Zeitstellung aber noch unklar bleibt.

Diese Strukturen erstreckten sich aber nach jetziger Kenntnis nur auf etwas mehr als die Hälfte des Stadtgebietes im zentralen und östlichen Bereich. Der Verlauf der Stadtmauer spricht dafür, dass es sich bei diesem Gebiet um den ältesten Teil der Siedlung handelt. Warum zu einem späteren Zeitpunkt riesige, durch eine Stadtmauer umschlossene Bereiche in das Stadtgebiet integriert, aber nur teilweise eine Bebauung erfuhren, bleibt vorerst ungeklärt. Doch scheinen zumindest die großen Freiflächen im Südwesten als Lagerplatz für Karawanen genutzt worden zu sein. Hier war einerseits eine Kontrolle der Handelsaktivitäten gewährleistet und andererseits der Schutz der Karawanen sichergestellt. Im südlichen Bereich zeichnete sich in den mächtigen Erosionsrinnen, die hier das Stadtgebiet durchstoßen, ein ungewöhnlicher Befund ab: Innerhalb eines doppelten Mauerringes lagern teilweise über 10 m hohe Sedimentpakete. Während sich an der Oberfläche dieser Sedimente zahlreiche Baustrukturen mittelsabäischer Zeit (2. Jh. v. Chr.-2./3. Jh. n. Chr.) befanden, waren die unteren Bereiche nahezu fundleer. Geomorphologische Untersuchungen ergaben zwei unterschiedliche Erklärungen dafür: Während die fehlende Schichtung und Struktur der Sedimente im südwestlichen Stadtgebiet für eine landwirtschaftliche Nutzung möglicherweise als Gärten oder landwirtschaftliche Flächen intra muros sprechen, waren andere Gebiete nie erschlossen. In diesen Bereichen weisen die Sedimente eine teilweise ungleichmäßige Schichtung sowie zahlreiche Diskordanzen auf. Dies bedeutet, dass sie zwar durch regelmäßige – anscheinend auch mehr oder minder kontrollierte – Überflutungen entstanden, doch wurde dieses Gelände weder als Gartenland noch als Bauland genutzt. Ähnlich war die Situation jenseits der südlichen Stadtmauer. Hier befanden sich nahe dem Wadi Dhana Sedimente, die ebenfalls nie eine landwirtschaftliche Nutzung erfuhren. In einer Inschrift aus Marib wird ausdrücklich verboten, die Feldflächen bis direkt an die Stadt heranzuführen. Beim nördlichen und nordöstlichen Stadtmauerabschnitt scheint dieses Verbot allerdings nicht bzw. nur zeitweise gegolten zu haben: Bis unmittelbar an die Mauer heran erstreckten sich hier Wasserwirtschaftsbauten, die aber möglicherweise nicht der Bewässerung von Feldflächen dienten, sondern der Regulierung von Kanälen, die entlang der Stadtanlage verliefen.

Die Begehungen in Marib-Stadt ergaben zudem, dass Marib auch in islamischer Zeit dicht besiedelt war. Ein in der Forschung immer wieder postulierter Bruch in der Siedlungskontinuität etwa zu Lebzeiten Mohammeds lässt sich nicht belegen. Stattdessen ist festzustellen, dass neben dem zentralen Siedlungshügel von Marib gerade das westliche und nördliche Stadtgebiet in islamischer Zeit eine intensive Nutzung erfuhr. Hier fanden sich dicht beieinander stehende Lehmziegelhäuser, die auf Bruchsteinfundamenten ruhten. Die frühislamischen Bauten sind durchgängig unter Verwendung antiker Spolien gebaut worden und weisen eine einfache Konstruktionsweise auf. Marib ist bereits in dieser Zeit nicht mehr als städtisches Zentrum zu sehen, sondern bildete vielmehr eine Ansammlung landwirtschaftlich orientierter Siedlungsplätze, die nur noch bedingt als Handelsplatz fungierten. Leider sind die Datierungen für die islamischen Siedlungsphasen nach wie vor äußerst ungenau. Der markante Hügel im Zentrum gehört frühestens in das 16. Jahrhundert, die Besiedlung eines Hügels weiter im Südwesten in das 10.-12. Jahrhundert und das sich südlich daran anschließende Gebiet wurde wohl noch früher wiedergenutzt. Diese Zeitstellung ist parallel mit der Errichtung der Moschee des Suleiman ibn Dawud innerhalb eines sabäischen 8-Pfeiler-Tempels zu sehen.