Raum & Zeit
Der Khawlan bildet eine Berglandschaft östlich der jemenitischen Hauptstadt Sanaa. Insgesamt umfasst der Khawlan eine Fläche von über 2500 km² mit Gebirgen von teilweise über 3000 m Höhe sowie einem Übergangsbereich zum Wüstenrandgebiet hin. Während in diesen Randgebieten Landwirtschaft nur über Bewässerung möglich ist, erfolgt sie im Hochland teilweise über Regenfeldbau.
Der Fundort Tan'im befindet sich im westlichen Khawlan, 25 km östlich von Sanaa, unweit des zentralen Bergmassivs des Jabal al-Laws. Er liegt am östlichen Ende des gleichnamigen Wadis am Fuße eines steilen Felsmassives. Diese Felsformationen bilden Teil eines großen Vulkans, der das ansonsten in Ost-West-Richtung verlaufende Wadi an dieser Stelle blockiert und dem abfließenden Wasser des Sayls nur einen schmalen Durchlass lässt. Heute ist die Gegend um Tan'im intensiv besiedelt und landwirtschaftlich genutzt. Das Zentrum der antiken Stadt wird von einem rezenten Dorf gleichen Namens überdeckt.
Zur Geschichte des Khawlan ist bisher nur wenig bekannt. Spätestens im 3. Jt. v. Chr. entwickelten sich kleine Dorfgemeinschaften entlang der Hochlandwadis. Sie bestanden in der Regel aus wenigen Gebäuden mit ovalem bis rechteckigem Grundriss. Die Bauten, die zum größten Teil aus organischen Materialien errichtet wurden und nur steinerne Fundamentmauern aufweisen, besitzen in der Regel nicht mehr als zwei Räume. Die Bewohner lebten vorwiegend von Kleintierhaltung und betrieben in begrenztem Umfang Landwirtschaft. Während in den südlichen Bereichen des Khawlan spätestens gegen Mitte des 2. Jt. v. Chr. die Besiedlung aussetzt, findet sich in den höheren, weiter nördlich gelegenen Regionen eine Kontinuität bis ins späte 2. Jt. v. Chr. Etwa um die Jahrtausendwende können im gleichen Gebiet die ersten eisenzeitlichen Befunde identifiziert werden. Ein Fundplatz (Lakmat Qays), der während des Surveys der Außenstelle Sanaa entdeckt wurde, weist sowohl eine spätbronzezeitliche Besiedlung als auch früheisenzeitliche Befunde in direkter Kontinuität auf, was für eine lokale Entwicklung spricht.
Spätestens im 8. Jh. v. Chr. kommt es zur Gründung der Stadtanlage von Tan'im. Bereits in dieser frühen Phase ist die materielle Kultur sabäisch geprägt, auch die Inschriften nennen sabäische Gottheiten. Allerdings gibt es auch lokale Eigenheiten: Dies gilt insbesondere für die zahlreichen kleineren landwirtschaftlich geprägten Siedlungen in der Region, die vor allem in der Keramik deutliche Unterschiede zu Typen aus dem sabäischen Kernland aufweisen. Bis in das 3. Jh. n. Chr. bleiben Tan'im und die gesamte Region unter sabäischer Oberhoheit. Einhergehend mit der Machtverschiebung innerhalb des sabäischen Reiches von den Oasenregionen ins Hochland mit der neuen Hauptstadt Sanaa erweitern auch die Stammesverbände im Khawlan ab dem 1. Jh. v. Chr. ihren Einfluss kontinuierlich. Dieses manifestiert sich in Tan'im unter anderem in neuen aufwändigen Bauprogrammen. Unklar ist bisher die Stellung des Khawlan ab der Zeit, als das Reich von Himyar die Herrschaft über ganz Südarabien übernimmt. Tan'im zumindest scheint ein regionales Zentrum zu bleiben. Im 4. Jh. n. Chr. ist dann in Tan'im auch der Religionswechsel zum Monotheismus erkennbar, Teile der Bevölkerung konvertieren zum Judentum. Für diese Religionsgemeinschaft bleibt Tan'im bis ins frühe 20. Jh. n. Chr. ein Ort mit überregionaler Bedeutung.
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