Forschung
Das Gorbunovo Torfmoor ist aus archäologischer Sicht sehr bedeutend. Von hier stammt die größte Kollektion an anthropomorphen und zoomorphen Holzskulpturen aus der Bronzezeit. Sie datieren ins späte 4. und ins 3. Jt.v.Chr. und vergleichbare Objekte in der nordrussischen Tiefebene finden sich bis ins Baltikum. Die für die Region einmaligen Erhaltungsbedingungen von organischen Resten im Feuchtbodenmillieu boten eine große Chance in die ehemaligen Abläufe von Ritualen oder/und der Lebenswelt der prähistorischen Bewohner oder Nutzer dieses Orte zu erforschen.
Neben der Edition der bisherigen Forschungen am bedeutendsten Feuchtbodenfundplatzes des Ural und damit der bislang östlichsten Fundregion mit Feuchtbodenfundplätzen in Eurasien war geplant systematische Nachgrabungen in den bekannten Fundplätzen durchzuführen. Neuen Holzproben sollte es ermöglichen, die Orte in das 2017-2018 erarbeitete Chronologiegerüst am Fundplatz 'Torfstich VI' einzubinden. Auf dieser Basis sollte ein skaliertes archäologisches Geoinformationssystem entstehen, das die Siedlungsgeschichte der zentralen Uralregion im Zentrum hatte.
Ein weiteres Ziel war die photogrammetrische Erfassung ausgewählter Objekte der Sammlungen zur exakten Vermessung und technischen Analyse.
Von 2017 bis 2022 beteiligt sich die Eurasien-Abteilung an den Ausgrabungen im Gorbunovo-Torfmoor, die Kollegen der Dendrochronologie unterstützen die Aktivitäten mit ihren Messungen an den sehr gut erhaltenen Hölzern. Die Aufgabe des DAI Teams war es, die komplizierten Holzbefunde mit Hilfe neuer technologischer Dokumentationsverfahren und Dendrochronologie zu entschlüsseln. Dank moderner Dokumentationstechnik wäre es möglich gewesen, auch die Ergebnisse der Altgrabungen in die aktuellen Grabungspläne einzubinden. Die Arbeiten im Ural wurden nach dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine 2022 eingestellt.
Ab Beginn des 20. Jahrhunderts bargen Arbeiter während des Torfstichs im Gorbunovo-Torf etwa 8km westlich von Nižnij Tagil immer wieder auf archäologische Funde. Mitte der 1920er Jahre fanden erste Ausgrabungen an verschiedenen Stellen im Torfmoor statt und zwischen 1926 und 1939 öffnete der Archäologe D. N. Eding am Fundplatz ""Šestoj raz'rez/Torfstich VI" fast 600 Quadratmeter Fläche. Er erfasst mehrere Holzplattformen und dazwischen liegende Strukturen. Aufgrund der zum Teil sehr kleinen Grabungsschnitte und einem eher groben Meßnetz waren die Kontexte jedoch lange unverständlich. bedeutender sind daher auch die zahlreichen Holzskulpturen von Menschen, Elchen und Vögeln sowie zahlreichen Paddel, die aus diesen Ausgrabungen stammen. Nach weiteren kleinflächigeren Ausgrabungen in den 1940er und 1980er Jahren (A. Ja. Brjusov, V. F. Strakov und andere) begann ab 2008 eine neue Etappe in der Erforschung des Denkmals. Zuvor waren in den 1980er und 1990er Jahren viele Fundstellen aus verschiedenen Perioden am Rand der Torfsenke entdeckt, dokumentiert und teilweise ausgegraben worden. Seit 2008 übernahm Dr. Natalia Chairkina (Institut für Geschichte und Archäologie, Ural-Abt. der Russischen Akademie der Wissenschaften) die Arbeiten im Gorbunovo Torfmoor. Ihre Aufgabe war es zunächst, die zahlreichen keinen und kleinsten Flächen der Altgrabungen in einen Zusammenhang zu bringen und mit neuen Methoden der Radiokarbondatierung ein erste unabhängige zeitliche Einordnung der verschiedenen Schichten zu erstellen. Ein weiterer Aspekt war die Datierung und Edition der vielen Holzskulpturen mit moderner Fototechnik.
Eine der vom DAI-Team vorangetrieben Aspekte ist die photogrammetrische Dokumentation der Holzkonstruktionen. Die jetzigen Grabungsflächen sind so in die Altgrabungen eingepasst, dass auch deren Dokumentation aus den Archiven in Sankt Petersburg und Moskau eingebunden werden kann. Alle Hölzer wurden dendroarchäologisch dokumentiert und ein Großteil ist jahrringgenau datiert. Sie wurden mit einer detaillierten statistischen Analyse ausgewertet.
Im Gorbunovo-Torfmoor haben wir 2016 erstmals versucht Magentometermessungen durchzuführen (Prof. Dr. Jörg Fassbinder, LMU München). Diese Methode erlaubt zerstörungsfreie Einblicke in den Boden, ist jedoch auf feuchtem Untergrund wie in einem Moor kaum einsetzbar. Gorbunovo liegt jedoch geographisch soweit nördlich, dass die stärkere Inklination des Erdmagnetfeldes die Empfindlichkeit des Messgerätes deutlich erhöht. Es konnten anthropogene Spuren entdeckt werden, die noch ihrer Ausgrabung harren.
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