Ressourcennutzung auf Rapa Nui (Osterinsel/Isla de Pascua), Chile

© DAI // Annette Kühlem

Ergebnisse

Ava Ranga Uka A Toroke Hau - Ergebnisse

Der Wissensstand über die Nutzung von Wasser auf der Osterinsel war zu Beginn der Forschungsarbeiten des DAI am Fundort Ava Ranga Uka A Toroke Hau sehr begrenzt und basierte zum größten Teil auf ethnografischen Daten. Mit einer jährlichen Durchschnittsniederschlagsmenge von bis zu 2000 mm gehört die Osterinsel zu den subtropischen Orten mit den höchsten Niederschlägen weltweit. Die geologischen Gegebenheiten der Insel bedingen allerdings, dass Oberflächenwasser sehr schnell versickert. 

Seit 2008 werden Ausgrabungen in Ava Ranga Uka A Toroke Hau unter der Leitung des Deutschen Archäologischen Instituts durchgeführt - ein Projekt, das erstmals zeigt, dass Wasserbau und intensive anthropogene Landschaftsgestaltung integraler Bestandteil ritueller Praktiken auf der Osterinsel waren. Der Fundort befindet sich fast genau im Zentrum der Insel, an einem Ort, an dem sich laut frühen Karten die ursprünglichen Klangebiete überschnitten haben. Innerhalb dieser Gebiete waren verschiedene Ressourcen - wie Obsidian und Basalt für lithische Produkte, Böden, Tuff, aber auch Süßwasser - sehr ungleich verteilt. Ava Ranga Uka A Toroke Hau liegt auf 270 m über dem Meeresspiegel an der Quebrada Vaipú, einem kleinen Bach, der heute nur nach starken Regenfällen Wasser führt. Anhand von Prospektionen entlang des Bauchlaufes konnte festgestellt werden, dass in diesem Bereich trotz des zumindest saisonalen Vorkommens von Trinkwasser keine höhere Besiedlungsdichte herrscht, als auf der restlichen Insel. Könnte der Zugang zum Wasser in der Quebrada Vaipú sozial sanktioniert und somit eingeschränkt gewesen sein?

Der Fundort Ava Ranga Uka A Toroke Hau lässt sich in drei Bereiche unterteilen, die Zeremonialplattform Ahu Hanuanuemea (Regenbogen-Ahu) mit einem einzelnen Moai am östlichen Hochufer, monumentale, hydraulisch aktive Strukturen in einer kleinen Weitung des Bachbettes und eine kleine Wohnhöhle im Süden des Fundortes. Der zentrale Bereich des Fundortes hat eine Größe von 80 mal 50 Metern und wird von einer Erosionsrinne zerschnitten, die einen Teil der Installationen zerstörte, gleichzeitig aber optimale Profile von bis zu sechs Metern kulturellen Schichten schuf. Die Installationen, die die Zerstörung überstanden haben, umfassen zwei dammartige Erdwerke, ein System von megalithisches Steinbecken, Kanälen, Uferbefestigungen, Terrassen, ausgedehnte Pflasterungen und anthropogene Nutzflächen auf verschiedenen stratigraphischen Ebenen.

Die dammartigen Erdwerke R1 und R2

Die markantesten hydraulischen Installationen sind die beiden dammartigen Konstruktionen R1 und R2, die im Abstand von 45 Metern bis in das heutige Bachbett reichen. Gemäß Radiokohlenstoffdaten wurde die Anordnung im späten 13. bis frühen 14. Jahrhundert errichtet und möglicherweise gleichzeitig durch ein außergewöhnliches Flutereignis zerstört. Eine undatierte mündliche Überlieferung über den Ortsnamen des Fundortes unterstützt die Annahme, dass Sturzfluten während der Zeit der Besiedlung von Ava Ranga Uka A Toroke Hau eine reale und manchmal tödliche Bedrohung darstellten: Der Name des Ortes kann als "wo der Körper von Uka, der Tochter von Toroke Hau, im Bachbett trieb", übersetzt werden.

Das Auftreten solch schwerer Überschwemmungen muss im Zusammenhang mit der vorherigen dramatischen Erosion gesehen werden, die für die gesamte Insel während der späteren vorkontaktzeitlichen Ära rekonstruiert werden konnte.

Ursprünglich waren die beiden dammartigen Konstruktionen nur 15 Meter lang; Struktur R1 erreichte schließlich eine Höhe von ca. 3 Metern, während R2 etwa 5 Meter hoch war. Die Ausgrabung (R1) und die Oberflächenreinigung (R2) zeigten eine ähnliche Bauweise, d.h. eine Struktur, die hauptsächlich aus grobem Kies und Erde besteht, gestützt von einer dünnen Stein- und Felsmauer auf der Talseite. 

In Ava Ranga Uka A Toroke Hau liefert die Stützmauer von R1 und auch die Schichtung ihres Erdbaus Hinweise auf drei Bauphasen, die Reparaturen und Erhöhungen nach Zerstörungen und Schäden durch Sturzfluten widerspiegeln könnten. Weder Auslass noch Überlauf konnten festgestellt werden; tatsächlich haben sie vielleicht nie existiert. Die markanteste Entdeckung im Bereich direkt oberhalb von Struktur R1, auf den sich die Ausgrabungen und auch die geomorphologischen Studien von Hans-Rudolf Bork und Andreas Mieth (Universität Kiel) konzentrierten, war die Seltenheit von alluvialen Sedimenten, die im Flussbett zu erwarten gewesen wären und das Gebiet als Reservoir hätten identifizieren können. Daher wurde hier kein größeres Wasserreservoir angelegt, obwohl oberhalb von Struktur R2 fein geschichtete Sedimente in einer geschützten Nische erfasst werden konnten, was die Annahme eines sehr kleinen Reservoirs oder Rückhaltebeckens unterstützen könnte.

Geomorphologische Untersuchungen in Kombination mit den archäologsichen Ausgrabungen ergaben, die Erdwerke keine Staudämme waren. Vielmehr nehmen wir an, dass die beiden Erdwerke als Maßnahmen der "aquatischen" Landschaftsarchitektur dienten, die sich in Monumentalität und repräsentativem Erscheinungsbild manifestierte. 

Die Stratigraphie des Fundortes

Die kulturellen Ablagerungen mit ihrer zeitlichen Tiefe und stratigraphischen Details sind eine der Eigenschaften, die Ava Ranga Uka A Toroke Hau auf Rapa Nui einzigartig machen. Die geomorphologische Analyse der Profile zeigte, dass es sich bei den meisten Schichten nicht um Sedimentablagerungen handelt, sondern die Schichten antropogener Natur sind: Aus herbeigeschafftem Material wurden horizontale Flächen geschaffen, die dann verdichtet wurden. In vielen Fällen wurde das Material aufgrund bestimmter Eigenschaften wie Korngröße oder sogar Farbe ausgewählt. Was könnten die Motive für ein solches selektives Verhalten und den damit verbundenem Energieaufwand gewesen sein? 

Immer wieder wurden die künstlich geschaffenen Oberflächen, darunter auch aufwändige Pflasterungen mit neuem Material bedeckt. Funktionale oder operative Gründe hierfür sind nicht ersichtlich. Könnte es sich also um rituelle Versiegelungen handeln, wie sie in Neuseeland vorkommen? 

Pflasterungen, Pflanzgruben und Kanäle

Im Bereich der weitläufigen Pflasterungen im Zentrum des Fundortes wurden kreisförmige, von Steinen gefasste Pflanzgruben gefunden. Innerhalb der Gruben ließen sich die typischen Abdrücke von Palmwurzeln nachweisen, die auf der Osterinsel ausschließlich für die heute ausgestorbene endemische Jubea sp. bekannt sind. In der gleichen Pflasterfläche wurden drei parallel verlaufende Kanäle entdeckt. Abdecksteine deuten darauf hin, dass ein Kanal unterdirdisch verlief. Analsysen der Ablagerungen innerhalb der Kanäle zeigen, dass die Kanäle dazu verwendet wurden, den Wasserfluss entlang der Quebrada zu leiten. Ob sie in einer funktionalen Beziehung zur Plantage von Palmen standen, bleibt unklar.

Der Fund der Palmenpflanzgruben stellt einen Paradigmenwechsel für Rapa Nui dar. So fanden Bäume bisher nur im Kontext von Deforestation und angeblichem Ecozid und Kollaps Erwähnung. Durch die Forschungen am Fundort Ava Ranga Uka A Toroka Hau wissen wir nun, dass Palmen auch gezielt angepflanzt wurden und Teil einer religiösen Architektur waren. Die zeigt viele Parallelen zu anderen Inseln Ost-Polynesiens, wo heilige Bäume einen integralen Bestandteil von Zeremonialplattformen darstellen. 

Das megalithische Becken T1

Die beiden Erdwerke R1 und R2 sowie die Kanäle in Ava Ranga Uka A Toroke Hau sind nicht die einzigen Installationen im Bachbett, die hydraulisch aktiv waren. Nur wenige Meter oberhalb von R1 befinden sich die Überreste des megalithischen Beckens T1. Das aufwändig gebaute Wasserbecken (Innenmaße 5 mal 2,75 m; Tiefe 1,5 m) wurde aus großen, bearbeiteten Basaltplatten hergestellt. An seiner Südost-Ecke befindet sich ein kleiner kastenförmiger Annex, durch den Wasser aus dem Bach in das Becken umgeleitet wurde. Das Becken gründet auf dem gewachsenen Fels des Bachbetts. Drei Petroglyphen wurden in den Fels gerictzt: ein menschlicher Fußabdruck, ein abstrahiertes Doppelkanu, und ein bisher nicht eindeutig identifiziertes Tier mit großen Augen. Entlang der Südwand ist die Basis gepflastert. Das Pflaster deckt eine längliche Grube von 50 cm Tiefe ab. Die Füllung der Grube bestand aus dunklem grauem Lehm, der sich mit dünnen Schichten feiner weißer vulkanischer Asche abwechselte. Die Grube enthielt eine einzigartige Sammlung archäologischer Artefakte und makro-archäobotanischer Resten, deren Erhaltung dem dauerhaft feuchten Milieu zu verdanken war. Eine erste vorläufige Studie verzeichnete Äste, Blätter, Wurzelfasern, Kürbissamen und etwa 220 Nussschalenfragmente der endemischen Palmenart (Jubaea sp.; freundliche persönliche Mitteilung von C. Orliac). Auch drei hölzerne Werkzeuge (Ahlen) und etwa 250 bearbeitete Obsidian- und Basaltartefakte wurden in deiser Grube gefunden.  Einige der Artefakte sind miniaturisiert, andere teilweise poliert. Unzählige blaugraue Strandgerölle (poros), die von der Küste ins Inland transportiert wurden, deuten auf eine rituelle Funktion der Gruben und ihrer Inhalte. Diese Manuporte werden häufig als rituelle Opfergaben hauptsächlich aus der Umgebung von Ahu gefunden. Die Grube unterhalb der Basis des Beckens wird daher als eine Art Gründungsopfer interpretiert. 

Auf Grundlage von vier Radiokarbonproben aus unverbrannten Nussschalen konnte das Becken und die Opfergrube auf das 16. / frühe 17. Jahrhundert datiert werden. Zu dieser Zeit war die Insel bereits zum größten Teil entwaldet. In Ava Ranga Uka A Toroke Hau aber, lassen sich anhand von archäologischen Nachweisen die Existenz von Palmen und deren Integration in die Architektur des Fundortes nachweisen. Die Nüssen innerhalb des Gründungsopfers weisen zusätzlich auf eine rituelle Bedeutung der Palmen. Auch auf dem Hochufer, innerhalb des Vorplatzes der Zeremonialplattform wurde eine Palmenpflanzgrube gefunden. Die Grube wurde in den anstehenden Feld gehackt und mit Gartenerde gefüllt. Innerhalb der Grubenfüllung lassen sich die typischen Wurzelröhren nachweisen. Teil des Ahu Hanuanuamea war also einst eine angepflanzte Palme. Interessant in diesem Zusammenhang sind Vergleiche mit anderen Inseln Ost-Polynesiens. Hier wurden heilige Bäume, denen eine große religiöse Bedeutung zukam, in dei Architektur von Zeremonialplätzen integriert - ganz wie die Palmen am Fundort Ava Ranga Uka A Toroke Hau.

Zeremonialplattform Ahu Hanuanuamea

Ausgrabungen im Seitenflügel der Zeremonialplattform Ahu Hannuanuamea ergaben, dass der Ort einst für Bestattugen genutzt wurde. Es ließen sich sowohl ein Steinkistengrab, als auch ein Krematorium nachweisen. Beide Bereiche waren wiederum mit blaugrauen Strandgeröllen bedeckt. Ava Ranga Uka A Toroke Hau diente also auch der Bestattung von Toten.

Zusammenfassung

Die Kombination von hydraulischen Installationen, Palmenpflanzungen und Totenkult ist einzigartig für Rapa Nui und unterstreicht die Bedeutung des Fundortes. Trotz der knappen Wasservorkommnisse auf der Insel dienten die Installationen in Ava Ranga Uka A Toroke Hau nicht der Irrigation oder einfacher Wasserbevorratung. Das begrenzte Wasser der Quebrada Vaipú wurde zu einer wertvollen Ressource, deren Zugang und Nutzung möglicherweise unter Tabu gestellt und von Eliten kontrolliert wurde. Ava Ranga Uka A Toroke Hau bildete somit das architektonische Rahmenwerk für eine bisher unbekannte Form von Wassermanagement mit starken rituellen Komponenten.