Forschung
Mit 3D-Technologien und web-gestützten Geoinformationsdiensten schafft MayaArch3D neue Forschungswerkzeuge für die Archäologie, die Kunstgeschichte und die Denkmalpflege. Mit modernen Methoden der Informatik und der Digitalisierung von 3D-Objekten werden so archäologische Fundorte, weitverstreute Informationen und Objekte auf einer Internetplattform nach internationalen Standards dokumentiert, georeferenziert, virtuell zusammengeführt, und analysiert.
Zentraler Bestandteil dieses Projektes ist es, die Informationen zur Archäologie, Architektur und zu Funden aus Copan nach Datentyp, Informationsgehalt und insbesondere hinsichtlich ihrer späteren Verwendung für die GIS-Analyse zu sammeln, strukturieren und in einer Datenbank abrufbar zu machen.
Folgende Methoden werden dafür angewandt:
• Aufnahme von 3D-Daten und Geländevermessung bei Feldkampagnen vor Ort mit Methoden des Remote Sensing, d.h. Photogrammtrie, 3D-Laserscanning (Abb. 5) und Satellitenbildauswertung. (vgl. Bisherige Arbeiten)
• Entwurf eines konzeptionellen Datenbankmodells, das die verschiedenen Objekttypen in ihrem jeweiligen Raum- und Zeitbezug berücksichtigt. Hierzu wird als Ergebnis ein entsprechendes Entity-Relationship-Diagramm erstellt, das als Grundlage der weiteren Implementierung in einem konkreten DBMS, wie z.B. PostgreSQL dient
• Umsetzung von Im- und Exportmöglichkeiten in verschiedene Dateiformate unter besonderer Berücksichtigung internationaler Standards für den Datenaustausch
• Aufbau eines Geographischen Informationssystems (GIS) zur Modellierung von Geodaten und Georeferenzierung von Informationen und Daten. Die vorhandenen Daten werden auf einer gemeinsamen Plattform zusammengeführt, die einen dezentralen, webbasierten Zugriff erlaubt, so dass die Daten gleichzeitig von mehreren Forschergruppen genutzt werden können. Die Projektergebnisse werden dann in besagtes GIS integriert, welches anschließend als Datenbank und für raumzeitliche Analysen (4D-Ansatz) genutzt werden kann.
• Programmierung von Abfragewerkzeugen, die zur Lösung der oben aufgeführten archäologischen Forschungsfragen geeignet sind. Durch die 3D-Fähigkeit entstehen neue Abfragemöglichkeiten, aber auch neue Notwendigkeiten der Implementierung von Abfragetools. So müssen z.B. Sichtfelder (Viewsheds) und Aufwandsberechnungen (Cost surfaces) auf 3D-Oberflächen projiziert werden. Abfragen von Siedlungsplänen, topographischen Merkmalen, Richtungen, Material- und Fundverteilungen, die bisher in 2D-Ansichten durchgeführt werden, sollen in der 3D-Umgebung möglich sein.
Dabei ist insbesondere zu beachten, dass das interaktive Abfragesystem nicht als Insellösung für den Fundort Copan entwickelt werden soll. Vielmehr soll eine Plattform entstehen, die durch die weitestgehende Nutzung von offenen Standards mit anderen Systemen interoperabel ist, und auch für andere Fundorte implementiert werden kann. Die Entwicklungen orientieren sich daher an Web-Service Standards, die derzeit in internationalen Standardisierungsgremien wie dem W3C-Consoritum erarbeitet werden. Speziell für die GIS Komponenten sind hierbei die Standards des Open Geospatial Consortium (OGC) relevant. Hier werden herstellerübergreifend für Geoinformationsdienste insbesondere auch für die webbasierte 3D-Visualisierung sowie die hier relevante Prozessierung und Analyse von Geodaten neue Standardisierungsvorschläge entwickelt (z.B. OGC Web 3D Service, OGC Web Processing Service etc.). Diese werden auf ihre Tauglichkeit im Anwendungsfall evaluiert und getestet und in geeigneter Form eingebracht.
Dafür ist das technische Ziel des Projektes, ein offenes, robustes, skalierbares und aktuellen Standards (OGC, W3C, ISO) genügendes System zu entwickeln, welches für Datenquellen, Nutzergruppen und Anwendungen erweiterbar und für vielfältige Bereiche der eHumanities beispielhaft ist. Ein solches System kann zur Beantwortung der wissenschaftlichen Fragestellungen der Archäologie beitragen, wobei die Geoinformatiker vertiefte Expertise zur Lösung archäologischer Fragen entwickeln müssen.
Dieses Forschungswerkzeug soll es Wissenschaftlern erlauben, die Vorteile von 3D-Darstellungen und –Simulationen mit den analytischen Möglichkeiten eines GIS zu kombinieren, um online und in Echtzeit die Vergleiche und Analyse einer Vielzahl von Datentypen zu ermöglichen und Architektur und Landschaft als ein integriertes System zu analysieren. Es soll ein 3D-WebGIS für die archäologische Analyse Copans erschaffen werden, welches es Archäologen ermöglicht, interaktiv Informationen, Bilder und 3D-Objekte abzurufen, zu analysieren und zu manipulieren. Durch den Einsatz neuer Algorithmen der Geoinformatik soll der Zugriff auf Text-, Bild- und 3D-Daten, die virtuelle Rekonstruktion von Gebäuden und Skulpturen und vor allem deren raum- und zeitbezogenen Analyse für wesentliche Fragestellungen der Archäologie in einem 3D-GIS ermöglicht werden. Insofern können Zusammenhänge entdeckt werden, die andernfalls nicht erkennbar wären.
Durch die GIS-gestützte räumliche Analyse der urbanen Struktur von Copan in Kombination mit weiteren geographischen Daten sollen Erkenntnisse über die soziale und politische Struktur der Gesellschaft der klassischen Maya-Zeit gewonnen werden.
Spezifisches Ziel des MayaArch3D Projektes ist es, 3D-Modelle von Copan in eine sogenannte Geodateninfrastruktur (GDI) mit Web-basierten interaktiven Analyse- und Visualisierungswerkzeugen einzubinden, so dass archäologische Analysen in einem georeferenzierten System vorgenommen werden können und der Vergleich von Objekten (z. B. Gebäuden) an verschiedenen Standorten durchgeführt werden kann.
Für die archäologische Analyse sind insbesondere Fragen des Gestaltungsprozesses des urbanen Raumes im Laufe der Zeit, der Beziehung zum Umland, der sozialen Hierarchie, der funktionalen Gliederung der Stadt und der sozioökonomischen Bedeutung von Siedlungsarealen von Bedeutung. Die Analyse der räumlichen Struktur von Copan kann wichtige Erkenntnisse über die sozioökonomischen Verhältnisse, die Veränderung des Stadtbildes im Laufe der Zeit und über die Geschichte der Maya-Kultur im Allgemeinen geben. Durch die Untersuchung von Zugangsmustern können öffentliche von nichtöffentlichen Räumen unterschieden werden. Sichtverbindungen zwischen Gebäuden und Monumenten geben Aufschluss über urbane Strukturen und Gestaltungsprinzipien der jeweiligen Herrscher. Höhenverhältnisse lassen hierarchische Beziehungen von Gebäuden erkennen. Durch eine gezielte kombinierte Abfrage des 3D-GIS-Systemes hinsichtlich dieser und anderer Aspekte sind umfangreiche Ergebnisse zu erwarten, die mit herkömmlichen, nicht raumbezogenen Untersuchungen von Teilaspekten des Siedlungsgefüges nicht möglich wären. Beispielsweise sollen die räumlichen und zeitlichen Veränderungen in der Stadtlandschaft zwischen der Herrschaft des 13. und 16. Herrschers von Copan (715-822 n. Chr.) festgestellt und verstanden werden. Wir erwarten durch Studien zur Ausrichtung, ästhetischen Erfahrung sowie zu Zugang und Sichtbarkeit, Informationen zu erhalten, die uns helfen werden, Veränderungen in der sozio-politischen Organisation Copans im Laufe der Zeit ermitteln zu können.
Für all diese Analysen werden Informatik-gestützte Werkzeuge benötigt, die im Rahmen des Projekts erstmals sowohl web-gestützt, als auch in 3D und auf Standards basierend erarbeitet werden.
Allgemeine Forschungsgeschichte der GIS Analyse in Copan
Die Dokumentation der Ruinen von Copan begann mit der Entdeckung des Fundortes im 19. Jahrhundert. Erste Karten im Maßstab 1:2500 wurden von J. Galindo und später von J. L. Stephens und F. Catherwood erstellt (Graham 1963, Stephens 1841). Spätere Karten wie diejenigen von G. B. Gordon (1896) und G. Strömsvik (1947) im Maßstab 1:1500 wurden zunehmend detailreicher. Eine unveröffentlichte Karte der Hauptgruppe von Copan von E. Shook im Maßstab 1:400 wird im Archiv des Peabody Museums der Harvard Universität aufbewahrt. H. Hohmann und A. Vogrin fertigten 1982 einen Vermessungsplan der Hauptgruppe im Maßstab 1:200 an. In den späten 1970er Jahren wurden Kartierungen außerhalb der Hauptgruppe, im Bereich des Siedlungsareals von Copan, vorgenommen (Willey et al. 1978; Willey and Leventhal, 1979, Baudez 1983). Als Ergebnis wurden Siedlungspläne im Maßstab 1:2000 von einer Fläche von 24 Quadratkilometern vorgelegt (Fash and Long, 1983). In einer zweiten Phase dieses Vorhabens wurden Ausgrabung und detaillierte Architekturaufnahmen im Siedlungsbereich Sepulturas vorgenommen (Sanders 1986, Hohmann and Kostka 1995a,b, Kostka 1995). A. L. Maca (2002) erstellte die erste GIS-Kartierung des Copan-Tales, wobei er sich auf nur eine Siedlungsgruppe konzentrierte. Mit dem Einzug digitaler Technologien in der Archäologie wurden unter Einsatz von LIDAR, Photogrammetrie, Laserscan und strukturiertem Licht diverse Vorhaben zur Aufnahme von Geländeoberflächen, Gebäuden, Skulpturen und Inschriften vorgenommen (Gray and Boardman, 2001).
Bisherige Arbeiten an 3D WebGIS für Copan
Das MayaArch3D Projekt baut auf Ergebnisse eines Pilot Projektes, die von Jennifer von Schwerin von 2009 bis 2010 geleitet wurde (von Schwerin et al. 2011). Das Projekt benutzt ein geografisches Informationssystem (GIS), das in 2007 von Heather Richards-Rissetto entwickelt wurde. Sie digitalisierte und georeferenzierte die Kartierungen früherer Projekte in Copan und integrierte sie mit anderen thematischen Karten in ein GIS. Das GIS enthält Informationen über archäologische, moderne und natürliche Kenndaten, ebenso wie ein digitales Höhenmodell. Dazu erstellte sie eine 3D-computersimulierte Stadtlandschaft, die 24 Quadratkilometer des Copantals erfasst.
Im Rahmen einer Tagung in Copan wurden in 2009 mittels eines ferngesteuerten Modellhelikopters photogrammetrische Aufnahmen von Gelände und Architektur in Testgebieten von Copan aufgenommen, womit erste 3D-Modelle der Akropolis erzeugt werden konnten. So wurden beispielsweise aus den Daten der photogrammetrischen Aufnahmen des Nahbereichs von Tempel 22 und des Osthofes (Abb.6) ein 3D-Computermodell vom existierenden Tempelkomplex erstellt (vgl. Abb. 7 unten links). Diese Modelle weisen eine solche Genauigkeit auf, dass sich von ihnen akkurate Messungen ableiten lassen. Ausgewählte Stelen und skulptierte Bauschmuckelemente wurden mit einem Laserscanner aufgenommen um realitätsbasierte 3D-Modelle zu machen (vgl. Abb. 5). Im Jahr 2011 wurden weitere Skulpturen im British Museum in London photogrammetrisch dokumentiert. Die resultierenden hochauflösenden 3D-Modelle wurden als Testobjekte für das 3D-Dokumentationssystem verwendet.
Im Rahmen der Vorarbeiten zu diesem Projekt übernahm die FBK (Bruno Kessler Stiftung) und Graphitech (beide aus Trento, Italien) in 2010 die Aufgabe der Entwicklung der Software QueryArch3D, eine webbasierte, 3D-fähige Plattform, die die kombinierte Abfrage von Informationen aus dem Dokumentationssystem von Copan ermöglicht (Agugiaro et al. 2010). Dieses online Virtual Research Environment (VRE) ist das erste dieser Art für eine alte Maya Stadt und wird genutzt, um 3D-Modelle und die mit ihnen zusammenhängenden archäologischen Daten im Kontext einer geografisch referenzierten Virtual-Reality-Landschaft analysieren und vergleichen zu können.
Als Fallbeispiel verwenden wir digitale Sammlungen zur Maya Architektur Copans, um die Möglichkeiten der Plattform zu testen und zu demonstrieren. Es wurde hierfür eine Möglichkeit erarbeitet, wie sich diese 3D-Modelle online mit einer Datenbank verlinken lassen, so dass sowohl Anfragen nach Eigenschaften als auch Raum-bezogene Anfragen umgesetzt werden können. Eine räumliche Datenbank unter Verwendung von GIS-Daten ist das Kernstück des QueryArch3D Tools. Zur interaktiven Steuerung und 3D-Visualisierung nutzt QueryArch3D ein Videospiel Engine Development Tool zu Kreierung von interaktiven 3D-Inhalten, auf die offline und online mittels eines freien Web-Player Plug-Ins zugegriffen werden kann. Die Software kann hier getestet werden.
Dieses computergrafische 3D-Modell kombiniert und segmentiert wirklichkeits-basierende Modelle von Bauschmuckelementen mit virtuellen Rekonstruktionen oder Simulationen. Zu diesen und andern segmentierten Modellen von Strukturen sind Fotografien und Texte verlinkt und durch die Verwendung der 3D-Modelle lassen sich einfache Sichtlinienanalysen durchführen. Auch sind metrische Messungen vermittels eines Messungswerkzeugs bereits möglich.
Mit diesem Forschungswerkzeug ist es in der online navigierbaren Virtual-Reality-Landschaft möglich:
1) zwei- und dreidimensionale Daten in vielfacher Auflösung zu integrieren, darzustellen und zu bearbeiten
2) diese Modelle mit archäologischen Daten zu verknüpfen und attributbezogene und räumliche Suchabfragen durchzuführen
3) 3D-Gebäude und Artefakte zu visualisieren, zu vergleichen und zu analysieren .
Beta-Tests dieses Prototyps wurden im Herbst 2011 von 100 Forschern, Studenten und Dozenten der Geisteswissenschaften in Europa und den USA durchgeführt. Die Umsetzung der daraus resultierten Verbesserungsvorschläge ist Gegenstand der gegenwärtigen Arbeiten. Die Software wird im Rahmen des Projektes mit den Entwicklungen der Geoinformatiker der Universität Heidelberg kombiniert und für die Anforderungen des 3D-Systems perfektioniert.
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