Tartas 1 - Ein mehrperiodiger Bestattungsplatz in der Waldsteppe Westsibiriens

Tartas 1. Birkenwald. © DAI Eurasien-Abteilung // Sabine Reinhold

Ergebnisse

Alle Gräber sind in parallel verlaufenden Grabreihen, die grob Nord-Süd verlaufen und am ehemaligen Flusslauf beginnen angeordnet. Die ältesten Gräber der frühbronzezeitlichen Odino-Kultur liegen direkt am Ufer des ehemaligen Flusses, heute noch als Altarm wasserführend. Es folgen Gräber der etwas jüngeren Krotovo-Kultur uns später ein große Zahl an Andronovo (Fёderovo) Bestattungen. Das 2015 ausgegrabene Areal mit Gräbern der Andronovo-Kultur befindet sich bereits etwa 200 m vom Fluss entfernt. Die Gräber dieser Epoche umfassen Körperbestattungen, teilweise mit einem Bestattungsritual, bei dem nachträglich die Gräber geöffnet wurden und die Skelette aus dem Verband gerieten, und Brandgräber. Auch sie bilden Gruppen, genauso wie eine Reihe von Gräbern, die von Kreisgräben umfasst sind und die in den Arealen der Grabungen 2014/15 zum Vorschein kamen. Nicht nur die Keramikbeigaben, die Unterschiede in der Verzierung zwischen benachbarten Bestattungsreihen zeigen und die ebenfalls vorhandenen Bronzeobjekte wie Schmuck und Waffen erlauben Einblicke in die Bestattungssitten der Andronovo-Gruppen. Eine aktuelle Studie zeigt zum Beispiel die Bedeutung, die Fische – vor allem aber nicht nur Karpfen und Hechte – im Totenritual gespielt haben müssen. Sowohl als Speisebeigabe in Gefäßen oder auf Geweihtellern, wie auch in der Grabfüllung fast jeden fünften Andronovo-Grabes wurden Fischreste entdeckt. In einer Landschaft, die durch Flüsse, Seen und Sümpfe charakterisiert ist, sollte man annehmen, dass Fisch ein wichtiger Bestandteil der täglichen Nahrung war. Die Bevölkerung der Andronovo-Kultur gilt jedoch als aus dem Süden eingewandert und wird allgemein mit einer Pastoralwirtschaft verbunden. Sowohl archäologische wie auch paläogenetische Argumente zeigen, dass zwischen den lokalen Verbänden der älteren Krotovo-Kultur und den Andronovo-Gruppen eine intensive Vermischung stattfand. Sie führte zu hybriden Bestattungsbräuchen, und möglicherweise auch dazu, dass die Andronovo-Bestattungsgemeinschaft in Tartas 1 die lokale Ressource „Fisch“ in ihre Riten aufnahm. In wieweit Fischkonsum eine Rolle in der täglichen Ernährung dieser Bevölkerungsgruppen gespielt hat und ob sich dieser im Verlauf der Epochen veränderte, war Ziel der Studie zur Ernährung der bronzezeitlichen Gruppen in Westsibirien.

In Tartas 1 wurden nicht nur Gräber ausgegraben. Der Platz auf der Flussterrasse wurde zu verschiedenen Zeiten auch für Siedlungen und vermutlich auch für Ritualbauten genutzt. 2011 wurden zwei solcher Ritualkomplexe ausgegraben, 2013 und 2014 folgten weitere Komplexe. Von ihnen waren nur noch zahlreiche Gruben im Untergrund erhalten, aus denen sich lang-rechteckigen bis quadratischen Gebäude und Opfergruben rekonstruieren ließen. In diesen wurden Bronzewaffen aber auch Gußmaterial und –formen geborgen. Momentan werden diese Komplexe in die Pachomov-Kultur, also die Spätbronzezeit, datiert. Das Magnetogramm der Gesamtfläche zeigt noch mehrere dieser Strukturen, deren Fundspektrum einen Nutzen als Alltagsgebäude eher ausschließen.

Siedlungsreste wurden in Form eines frühbronzezeitlichen Grubenhauses der Odino-Kultur bereits 2006 entdeckt. Zwischen 2015 und 209 wurden die Reste einer neolithischen Siedlung an der Kante der Flussaue ausgegrabent. Dort wurden nicht nur zwei rechteckige Halbgrubenhäuser mit umfangreichem Stein- und Silexinventar entdeckt. Die Häuser umgaben mehrere bis zu 3,5m tiefe Gruben, die in den harten sandigen Untergrund eingetieft waren. Zur großen Überraschung enthielten diesen Gruben mehrere Lagen von Tierskeletten – Fische, Vögel, Hasen aber auch die Skelette von Hunden und Vilfraßen. Die Funktion dieser Gruben ist noch offen. Mit diesem aktuellen Komplex mehren sich allerdings die neolithischen Fundplätze der Umgebung. Eine systematische Analyse von Radiokarbondaten zeigte, dass die Komplexe ins 7. Jt. v. Chr. datieren. Sie definieren erstmals mit einer Serie von Daten abgesichtert das Frühneolithikum in diesem Teil Westsibiriens.