Forschung
- Grabungen in den beiden Unterkunftsgebäuden und der Nekropole des Hauptklosters
- Structure from Motion zur Erstellung einer 3-D-Rekonstruktion des Hauptklosters
- Tachymetrische Bauaufnahme für eine zeichnerische Rekonstruktion des Hauptklosters
- Auswertung der epigrafischen ...
Mit dem modernen Namen „Deir el-Bachit“ wird vor allem eine zentral im Höhensattel von Dra’ Abu el-Naga gelegene kompakte und ummauerte Klosterruine bezeichnet, die vom späten 6. / frühen 7. Jh. bis zum Ende des 9. / Anfang des 10. Jhs. von koinobitischen Mönchen bewohnt war. Im Zuge weiterer archäologischer Erforschung durch das DAI Kairo und die LMU wurde diese Anlage zur Unterscheidung von den zugehörigen Außenanlagen XXVI und XXVII, die ebenfalls auf dem Hügel von Dra’ Abu el-Naga liegen, als Hauptkloster bezeichnet. Dieses war gelegentlich von Forschern seit dem 19. Jh. erwähnt worden, auch wurden von Sir John Gardner Wilkinson und später von Peter Grossmann Skizzen der sichtbaren Überreste angefertigt (vgl. Burkard/Mackensen/Polz 2003, 46f.), eine archäologische Untersuchung fand jedoch bis 2001 nicht statt. Im Zuge der archäologischen Arbeiten an der pharaonischen Grabanlage K 93.11, auf der dem Nil zugewandten Südseite von Dra’ Abu el-Naga durch das DAI Kairo, wurden bereits in 1993–1999 erste Erkenntnisse über das Kloster gewonnen. Entdeckt wurden Wirtschaftsbetriebe, die zum Kloster gehörten und die Vorhöfe der pharaonischen Grabanlage überdeckten (vgl. Rummel, in Red.). Die Ergebnisse dieser Grabungen bildeten die Grundlage für drei Surveys und Vorkampagnen, die 2001–2003 vom Institut für Ägyptologie und Koptologie und dem Institut für Provinzialrömische Archäologie der LMU München in Zusammenarbeit mit dem DAI Kairo durchgeführt wurden (vgl. Burkard/Mackensen/Polz 2003). Ziel war dabei die Aufnahme eines Grundrissplans der zentral im Höhensattel gelegenen Klosteranlage (Hauptkloster) sowie eine erste wissenschaftliche Einschätzung des Fundorts. 2004–2009 folgte dann erstmals eine großflächige archäologische Untersuchung im Zentrum des Hauptklosters und in der zugehörigen Klosternekropole. Diese Arbeiten wurden von der DFG gefördert und führten zu weitreichenden Erkenntnissen über das alltägliche Leben und die wirtschaftlichen Grundlagen der Klostergemeinschaft. So konnten das Refektorium (Abb. 2), mehrere Mönchszellen (Abb. 3, Mönchszelle), Arbeitsräume, Webstuhlgruben, der zentrale Turm, Vorratsspeicher und Stallungen freigelegt werden. Die kleinteilige Innenausstattung aus Lehm bietet einmalige Einblicke in das Leben der Mönchsgemeinschaft. Die Untersuchung ökonomischer Aspekte wie die Herstellung von Textilien und Flechtwaren, deren Verkauf und der Handel mit weiteren, am Kloster hergestellten Produkten (z. B. Keramik, Backwaren) ergaben wichtige Aufschlüsse über das wirtschaftliche Leben am Kloster. 2009 erfolgte, finanziert durch die Gerda Henkel Stiftung, die separate Untersuchung eines verschlossenen Lehmbehälters, in dem verschiedene Gegenstände und Keramikflaschen deponiert waren, von deren Datierung auch Rückschlüsse auf die Chronologie der Bauten auf den südlichen Klosterterrassen möglich waren. Die Auswertung der Keramik aus den Grabungen der Jahre 2004–2009 ergab einen Datierungsrahmen für die Nutzung der Klosteranlage zwischen dem 6. und 10. Jh. n. Chr., wobei als Hochphase vor allem das 7. – 9. Jh. zu gelten hat (vgl. Beckh 2013, 54ff.). Die fortlaufende Edition und Übersetzung der für das Klosterleben so wichtigen Texte auf Ostraka werden in einer eigens entwickelten Datenbank KoptO-online des Instituts für Ägyptologie und Koptologie der LMU München zugänglich gemacht und publiziert.
2010–2012 wurde ein neues Survey-Projekt begonnen, das von der Fritz-Thyssen-Stiftung finanziert wurde.
Im Rahmen des Surveys wurden erstmals eine genaue Vermessung des gesamten Hügels und eine Kartierung der koptischen und pharaonischen Monumente vorgenommen. Der Survey erfasste das Wegenetz mit der Anbindung an die überregionale Karawananstraße (die sog. Farshût Road) und dokumentierte zahlreiche monastische Einrichtungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Hauptkloster im Höhensattel des Hügels von Dra’Abu el-Naga standen. Im Zuge des Survey-Projekts wurde auch ein Schutthaufen aus einer Altgrabung, der vor der Nordmauer des Klosters lag, untersucht. Dabei wurden zahlreiche Ostraka entdeckt, die es ermöglichten, das Kloster auf dem Hügel von Dra‘ Abu el-Naga als das bislang nur aus Papyrusurkunden bekannte Pauloskloster zu identifizieren (vgl. Beckh/Eichner/Hodak 2011; Beckh 2016; Hodak 2016). Erstmals wurde außerdem entdeckt, dass die von christlichen Anachoreten besiedelten Anlagen XXVI und XXVII (Abb. 4), die bereits H.E. Winlock 1926 kurz beschrieben hatte (H.E. Winlock/W.E. CRUM, The Monastery of Epiphanius at Thebes. Part 1, New York 1926, 21f.), zum zentralen Kloster im Höhensattel (Hauptkloster) gehört haben. Keramikfunde, die in das 5. Jh. datiert werden konnten, belegen in den als Wohnbehausungen von Anachoreten genutzten Anlagen XXVI und XXVII darüber hinaus die früheste monastische Besiedlung auf dem Hügel (Beckh 2016; Beckh/Chameroy 2020; Beckh (in Red.) a). Auf der Grundlage der positiven Survey-Ergebnisse begann 2013 ein bis 2015 andauerndes neues Kooperationsprojekt zwischen dem DAI Kairo, dem Institut für Ägyptologie und Koptologie der LMU München und dem Römisch-Germanischen Zentralmuseum Mainz, das zunächst als Pilotprojekt geplant war und von der DFG finanziert wurde. Ziel war es, die Sakraltopografie des Klosters, seine Entwicklungsphasen sowie die Frage nach dem sakralen Zentrum des Hauptklosters – der Kirche – und seiner Wechselbeziehung mit einem in Anlage XXVI vermuteten Kultort zu untersuchen. Zu diesem Zweck wurden in den Jahren 2013 bis 2015 Sondierungsgrabungen im Hauptkloster und in Anlage XXVI durchgeführt. Zusätzlich erfolgte eine geophysikalische Prospektion im Hauptkloster. Als überraschendes Ergebnis während der Grabungen innerhalb des baulich ältesten Teils der Anlage XXVI – der ursprünglich pharaonischen Grabhöhle (Grab A), die in der Spätantike nachgenutzt wurde und die den Nukleus der monastischen Besiedlung bildete – kam der Altarraum einer Kapelle zutage (Beckh/Chameroy 2020). Hier hatte sich in einer der umgestürzten Altarsäulen in einem Versteck sogar ein Münzhort, bestehend aus 29 byzantinischen Goldmünzen (Abb. 5), erhalten. Im März 2017 begann schließlich, basierend auf den Ergebnissen aus dem Survey-Projekt und dem Pilotprojekt, ein neues internationales Kooperationsprojekt zwischen dem DAI Kairo und dem damaligen Institut für Kulturgeschichte der Antike (IKAnt) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien (jetzt fusioniert mit dem Österreichischen Archäologischen Institut, Abteilung Altertumswissenschaften). Dieses Projekt mit dem Titel ‚Sakraltopografie einer Klosterlandschaft und ihre Entwicklung auf dem Hügel von Dra’ Abu el-Naga / Oberägypten: Deir el-Bachît und das thebanische Pauloskloster‘ wird auf deutscher Seite von der DFG, auf österreichischer Seite vom FWF (Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung) finanziert und dauert bis jetzt an. Im Zentrum steht weiterhin die bereits in der Pilotphase begonnene Untersuchung der kleinteiligen Sakraltopografie, die sich zwischen dem 5. bis 10. Jh. auf dem Hügel von Dra‘ Abu el-Naga entwickelt hat und in dieser Ausprägung bislang einzigartig ist.
Im Mittelpunkt des 2017 begonnenen Projekts stehen folgende Fragen:
Die interne Entwicklung und Organisation des Klosterverbands soll geklärt werden, insbesondere die Vernetzung der drei größeren monastischen Einrichtungen auf dem Hügel: das Hauptkloster, Anlage XXVI und Anlage XXVII (Abb. 4). Ziel ist es außerdem, die Auslöser für die Wandlung und Verlagerung der monastischen Strukturen von den Anachoretenbehausungen in den Anlagen XXVI und XXVII hin zu einer koinobitischen Gemeinschaft im Hauptkloster zu erfassen. Dies schließt auch das regionale und überregionale Umfeld des Klosters und die Wechselwirkung politischer Ereignisse und Strömungen auf die Klosterentwicklung ein. Zudem rückt nicht nur das Verhältnis der beiden Außenanlagen und des Hauptklosters zueinander, sondern auch das der jeweiligen Bewohner in den Mittelpunkt. Ziel ist es daher, besonders die Sozialstrukturen und den Rang bestimmter Personen zu klären und die Liste der Äbte des Klosters weiter zu vervollständigen. Es soll dabei nicht nur ein umfassendes Bild von den Lebensbedingungen der Mönche, sondern auch der administrativen und organisatorischen Hierarchien zwischen den Außenanlagen und dem Hauptkloster sowie der sozialen Hierarchien der Bewohner gewonnen werden, was in dieser Form bislang noch bei keinem ägyptischen Kloster untersucht worden ist.
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