Pompeji – Die Casa dei Postumii und ihre insula.

© Domenico Esposito // Domenico Esposito

Forschung

Forschungsziele

Das Untersuchungsgebiet besteht in einem großen Atrium-Peristyl-Haus, der Casa dei Postumii (VIII 4, 4. 49), und den es umgebenden Läden, Werkstätten, Laden- und Obergeschosswohnungen, die zum Anwesen (insula) des Haupthauses gehört haben könnten. Der Baukomplex, zentral an einer der Hauptstraßen Pompejis gelegen, eignet sich für die Untersuchung der multifunktionalen Nutzung einer städtischen Immobilie in einer diachronen Perspektive. Mit seiner interdisziplinären Forschungsstrategie und einem primär sozio-ökonomischen Ansatz zur Erforschung der pompejanischen Wohnarchitektur gehörte das Projekt zu den Pionieren dieser Art von Forschung in den Vesuvstätten. Die publizierten Vorberichte und Artikel wurden in der Forschung breit rezipiert, und regten weitere Projekte an. Die abschließende Veröffentlichung der Forschungsergebnisse bleibt ein Desiderat. Dies gilt umso mehr, als verschiedene Themen des Projekts – etwa die räumliche Organisation der wirtschaftlichen Nutzung von Architektur – noch immer intensiv diskutiert werden.

Ziel der aktuellen Arbeiten am Projekt "Die Casa dei Postumii und ihre insula in Pompeji" ist die abschließende, monographische Publikation des zwischen 1997 und 2002 durchgeführten Dokumentations-, Grabungs- und Restaurierungsprojekts in Pompeji. Während der aktiven Arbeit vor Ort und bis kurz nach Abschluss der Untersuchungen wurden jährliche Vorberichte publiziert. Die abschließende Veröffentlichung der Forschungsergebnisse blieb bislang ein Desiderat.

Fragestellung

Inhaltlich spiegelt das von 1997 bis 2002 in Pompeji durchgeführte Dokumentations-, Grabungs- und Restaurierungsprojekt die damaligen wissenschaftlichen Interessen am repräsentativen Wohnen in Pompeji einerseits und der Nutzung der Immobilien als ökonomischem Potenzial andererseits wider. Man wollte die Strukturen der sozialen Verschränkungen innerhalb einer insula besser untersuchen.

Ähnlich wie es ab den späten 1990er Jahren auch eine Reihe anderer Teams aus Italien, England, Spanien, Japan, USA usw. mit vergleichbaren Forschungsstrategien verfolgte, sollte gleichzeitig ein eigener Beitrag zur intensiveren Erforschung der älteren Bauphasen des untersuchten Areals geleistet werden.

Hervorzuheben ist, dass die Arbeiten in der Casa dei Postumii nicht auf archäologische Dokumentations- und Grabungskampagnen beschränkt blieben, sondern parallel dazu Konservierungsarbeiten im Haus, insbesondere im sog. cubiculum 5, durchgeführt wurden.

Forschungsgeschichte

Das westliche Drittel der Insula VIII 4, das von der Casa dei Postumii und den an sie angrenzenden Läden, Laden- und Mietwohnungen eingenommen wird, wurden in den Jahren 1861/62 unter der Leitung von Giuseppe Fiorelli freigelegt. Die unmittelbare Nähe zum Theaterviertel und zu der zweiten, wenige Jahre vorher bekannt gewordenen Thermenanlage der Stadt, den Stabianer Thermen, ließen die Casa dei Postumii für die Besucher Pompejis bald zu einem wichtigen Beispiel der prachtvollen Hausarchitektur Pompejis werden. Die Casa di Olconio, wie man das Haus damals nannte, war fester Bestandteil der Kataloge aller bekannten Fotoateliers, die in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts wesentlich zur Ikonisierung der Grabungsstätte beigetragen haben.

Nimmt man die historischen Stadtpläne als ergänzende Quelle zu den in der Pompeianarum Antiquitatum Historia veröffentlichten Grabungsberichten, lässt sich die Freilegung der Insula VIII 4 im Detail rekonstruieren: Unter der Regentschaft der französischen Vizekönige (1806-1815) legte man das Forum frei, auch sollte eine Verbindung zwischen Forum und dem bereits im 18. Jahrhundert ausgegrabenen Theaterviertel geschaffen werden. Dazu verfolgte man die Straßenzüge der sog. Via dell'Abbondanza, Via dei Teatri und Via del Tempio di Iside, die zusammen mit den angrenzenden Hausfassaden ausgegraben wurden. Spätestens 1817 lagen somit die tabernae, die die insula der Postumii im Westen und Süden begrenzen, frei. Erst im Jahr 1855 wurde die Ausgrabung der Via dell'Abbondanza Richtung Osten wieder aufgenommen, man entdeckte die Stabianer Thermen und legte die nördliche (Haupt-)Fassade der Casa dei Postumii frei. Wenige Jahre später, zwischen 1861 und 1862, wurden die übrigen Strukturen der Insula ausgegraben.

Ab dem Ende des 19. Jahrhunderts wurde eine Reihe weiterer ikonischer Wohnhäuser, wie etwa die Casa dei Vetti, und schließlich auch der östlich der Via Stabiana gelegene Abschnitt der Via dell'Abbondanza ausgegraben. Viele Hausbeispiele und vor allem der neue Straßenzug wurden nunmehr den Besuchern in einer neuen, rekonstruierten und musealisierten Form präsentiert. Die Casa dei Postumii blieb, aus letztlich unbekannten Gründen, von dieser Art der Präsentation ausgeschlossen, was sie schließlich – zusammen mit dem fortschreitenden Verblassen des ehemals reichen Wanddekors – immer mehr aus dem Fokus von Besuchern und Altertumswissenschaftlern rückte.

Im Jahr 1996 wurde auf Initiative des damaligen Ersten Direktors der Abteilung Rom des DAI, Paul Zanker, ein Dokumentations-, Grabungs- und Restaurierungsprojekts ins Leben gerufen. Die Konzeption des Projektes und die Untersuchungen vor Ort wurden 1997 unter der Leitung von Jens-Arne Dickmann und Felix Pirson mit einem internationalen und interdisziplinären Team begonnen und 2002 abgeschlossen. Getragen wurde das Projekt von der Abteilung Rom des DAI und der Kommission zur Erforschung des antiken Städtewesens an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München. Seit 1998 wurden die parallel durchgeführten Konservierungsarbeiten von dem Unternehmen Studiosus Reisen finanziert.

Ansätze und Methoden

Um die oben dargestellten Forschungsziele des Dokumentations- und Grabungsprojekts zu erreichen wurden zwischen 1997 und 2001 in jährlichen sechswöchigen Kampagnen insgesamt 14 Grabungsschnitte angelegt. Hinzu kamen verschiedene Säuberungen im Bereich des bereits 1861/62 freigelegten Komplexes. Weiterhin wurde eine verformungsgerechte Bauaufnahme durchgeführt und in diesem Zusammenhang ein neuer Grundriss, Ansichten und Schnittzeichnungen im Maßstab 1:50 angefertigt. Die aufgehenden Strukturen, Wandputze und Pavimente wurden außerdem in einem sog. Raumbuch dokumentiert, dessen Ziel es war, die sichtbaren Befunde (Baumaterial, Bautechnik, Mörteltypen, Dekorschemata) zu dokumentieren und die relative Bauabfolge im Detail zu erfassen.

Sämtliche während der Kampagnen erarbeitete Dokumentationen wurden ab 2001 in eine Datenbank überführt. Zur Bewahrung und Sicherung der Dokumentation wurden in den folgenden Jahren außerdem nahezu alle analog erstellten Fotos, Dias, Architektur- und Grabungszeichnungen digitalisiert. Erste Manuskripte der ehemaligen Mitarbeiter (architektonische Dokumentation, Fundbearbeitung, archäobotanische und archäozoologische Analysen, Epigraphik, Konservierung) wurden redigiert.

Die Hauptaufgaben des aktuellen Publikationsprojekts ist die Erstellung publikationsfertiger Texte und Abbildungen, sowohl zur detaillierten Beschreibung des Zustands der aufgehenden Strukturen kurz vor ihrer Verschüttung 79 n.Chr. als auch zu den im Untersuchungsgebiet durchgeführten Schnittgrabungen. Weiterhin steht eine letzte Revision der bereits vorliegenden Beiträge an. Parallel zur Buchpublikation ist die Veröffentlichung sämtlicher Daten als online Datenbank geplant.

Forschungsergebnisse (aktueller Stand)
Insula VIII 4 (von Süden) im Korkmodell im Nationalmuseum Neapel © Domenico Esposito // Domenico Esposito
Forschungsgeschichte
Blick aus dem Peristyl der Casa dei Postumii nach Norden. Historische Photographie, Ende 19. Jh. © F. Pirson // F. Pirson
Grundriss Casa dei Postumii und insula
Neuer Grundriss der Casa dei Postumii und ihrer insula (1997-2001) © DAI Rom // DAI Rom
Konservierungsmaßnahmen
Konservierungsmaßnahmen im cubiculum 5 der Casa dei Postumii // DAI Rom
Lokalisierung und Topographie
Lage des Untersuchungsgebiets nach R. Morichi – R. Pavone, Pompei. Nuova cartografia informatizzata georeferita (2028) © R. Morichi – R. Pavone // R. Morichi – R. Pavone
Methoden und Forschungsfragen
Schnittgrabung in der nördlichen Portikus des Peristyls © DAI Rom // DAI Rom