Projekt Hamadab/QSAP

Rekonstruktion der antiken Oberstadt von Hamadab mit Tempel und Turmhaus (weiß = verputzt) und einstöckiger Wohnbebauung aus Lehmziegeln © Projekt Hamadab // C. Hof

Ergebnisse

Die Morphologie der Stadt

Die erste vollständige Kartierung einer städtischen Siedlung im Kernland des meroitischen Königreiches trägt wesentlich zu unserem Verständnis städtischer Lebensbedingungen im Mittleren Niltal bei.

Die Stadt ist fast ausschließlich aus ungebrannten Lehmziegeln errichtet worden. Die überwiegende Zahl der Häuser besaß relativ dünne Wände und war vermutlich eingeschossig. Lediglich die öffentlichen Gebäude wurden mit massiveren Mauern erbaut und zusätzlich mit gebrannten Ziegeln und weißem Kalkputz verkleidet. Die monumentalen Durchgänge, wie die Stadttore oder der Eingang zum Tempel sind in der frühen Periode der Stadt aus Sandstein gefertigt worden.

Das meroitische Hamadab bestand aus zwei Bezirken: einer von einer Befestigungsmauer umgebenen Oberstadt im Norden und einem unbefestigten Vorort im Süden, der sogenannten Unterstadt.

Die Oberstadt

Die Oberstadt besaß einen etwa quadratischen Grundriss von 105 x 105 m und wurde ursprünglich von einer Umfassungsmauer begrenzt. Hier befanden sich der Tempel, Verwaltungseinheiten und Wohnquartiere. Die städtische Anordnung in Bezirken unterschiedlicher Funktion und das orthogonale Straßensystem zeugen von gezielter Stadtplanung. Eine Hauptstraße unterteilte die Oberstadt in zwei gleichgroße Areale und verband das Haupttor im Westen mit den sakralen und Verwaltungseinheiten im Osten. Enge Gassen zweigten von dieser Hauptstraße ab. Der größte Teil der Stadt war dicht mit Wohnblöcken bebaut, die – fast ununterbrochen von öffentlichem Raum – direkt an die Stadtmauer anschlossen. 

Die Stadtmauer, der Tempel und die Hauptstraße folgen den Prinzipien einer geplanten Stadtgliederung und weisen Ähnlichkeiten zu Siedlungen in Ägypten und im Nahen Osten der graeco-römischen Epoche auf. Sie erinnern in ihrer Art der Anlage auch an römische Festungen. Ein typisches Merkmal dieser Siedlungen war die Principia, ein Mehrzweckgebäude, das, wie in Hamadab, oft gegenüber des Stadttores am Ende der Hauptstraße lag. Bisher haben sich in Hamadab jedoch keine eindeutigen Beweise für eine militärische Nutzung der Anlage gefunden. Die Strukturen und Funde deuten darauf hin, dass es sich um eine gewöhnliche Stadt handelt, deren Bauten in erster Linie als Wohngebäude genutzt wurden.

Die Unterstadt

Die Unterstadt ist in ähnlicher Weise durch rechteckige Häuserblöcke charakterisiert, jedoch ist für dieses Gebiet kein übergeordnetes Gesamtkonzept zu erkennen. Hier finden sich größere Freiflächen und einzelne Bauelemente sind großzügiger angeordnet. An ihren Ausläufern konnten spezialisierte Produktionsbereiche, wie Eisenherstellung und eine Töpferei mit Brennöfen, lokalisiert werden

Entwicklung der Stadt

Die Abfolge von stratifizierten Kontexten in Verbindung mit Radiokarbondatierungen ergaben den chronologischen Rahmen der Oberstadt: die vier Besiedlungsperioden erstrecken sich von der frühen bis zur späten meroitischen Epoche (ca. 3. Jh. v. Chr. - 4. Jh. n. Chr.). Sie deuten einen generellen Wandlungsprozess an, der mit der Entwicklung anderer urbaner Städte vergleichbar ist.

Die ersten städtischen Strukturen aus zum Teil mächtigen Lehmziegelmauern wurden in der Zeit zwischen dem 3. und 1. Jh. v. Chr. (Periode D) gegründet. Etwa im letzten Jh. v. Chr. (Periode C), wurde an dieser Stelle eine völlig neue Stadtstruktur in einem groß angelegten Bauprogramm errichtet, die durch eine Umfassungsmauer, einen Tempel, einem Verwaltungsgebäude und großen Wohnblöcken gegliedert ist. In der folgenden Periode B (ca. 1.-2. Jh. n. Chr.) verlor die Umfassungsmauer ihren ursprünglichen Zweck und die Siedlung dehnte sich über ihre Grenzen in die Umgebung aus. Nur wenige Zentimeter starke Strukturen im Zentrum des Siedlungshügels sind die Zeugnisse der letzten meroitischen Stadtphase (Periode A), welche in das 3./4. Jh. n. Chr. datiert. In den Perioden B und A scheint die innerstädtische Ordnung nachzulassen, was sich in einer wachsenden Desorganisation der Stadt zeigt, beispielsweise in der Abweichung von der ursprünglichen orthogonalen Planung oder der Entstehung von Sackgassen. Trotz dieser Entwicklungen erhielt sich die grundlegende Struktur der Oberstadt durch den Lauf ihrer Geschichte hindurch.

Struktur der Oberstadt

Die Umfassungsmauer bestimmte den ursprünglichen Charakter der Stadt in Bezug auf ihre Ausrichtung, Gestalt und Kapazität. Sie wurde aus 3 m dicken Lehmziegelwänden gebaut und zusätzlich mit gebrannten Ziegeln verkleidet. Ihre ursprüngliche Höhe kann auf 4-5 m geschätzt werden. Die Stadttore lagen an den gegenüberliegenden Seiten der Hauptstraße im Westen und Osten. Das massive Haupttor im Westen bestand aus gebrannten Ziegeln und ersetzte anscheinend ein früheres Sandsteintor. Es wurde mit einer 1,6 m breiten Tür verschlossen und erhielt sich bis in das 1. Jh. n. Chr., bevor es von Wohnblöcken überbaut wurde.

Ein bedeutendes Element der Oberstadt war der Tempel am östlichen Ende der Hauptstraße. Sein relativ kleiner Grundriss ist schlicht gehalten und die Funktion der Nebenräume ist noch ungesichert. Der große Tempelvorplatz mit seinen für das städtische Leben prägnanten Installationen stellt den Mittelpunkt in der Anlage der Oberstadt dar. Hier befand sich ein kleiner Altar, der öffentlichen Zeremonien diente. Die Südseite dieses Tempelvorplatzes war mit größeren Pflanzgruben versehen, wogegen auf der Nordseite des gleichen Platzes ein Brunnen für die unabhängige Wasserversorgung der Stadt sorgte.

Die Wohnbereiche waren ursprünglich in großen Blöcken innerhalb des orthogonalen Grundrisses angelegt. Diese Blöcke waren in separate Wohneinheiten unterteilt, wobei die einzelnen Wohnungen ca. 35-65 m² groß waren. Nur wenige Spuren, wie Pfostenlöcher, gemauerte Einbauten, Vorratsbehälter und Keramikgefäße deuten auf die Funktion der einzelnen Räume hin und identifizieren sie als Wohnräume, Küchen, Innenhöfe und Arbeitsbereiche. In den Küchen wurden die mit Asche gefüllten Herdstellen oftmals an der gleichen Stelle erneuert und belegen somit eine lange Kontinuität dieser Funktionsbereiche. Kochgeschirr, Reibsteine und Essensreste bezeugen, dass die Nahrungszubereitung in den Häusern hauptsächlich Hirsebrei und Rindfleisch umfasste. Fladenbrot aus Weizen, sowie Schaf/Ziege, Gazelle, Wels und Nilauster ergänzten das Repertoire an Nahrungsmitteln.

Funde

Eine Vielzahl von Kleinfunden deutet darauf hin, dass die Bewohner im häuslichen Handwerk tätig waren. So belegen zahlreiche Spinnwirtel und Webgewichte aus Ton das Spinnen und Weben von lokal angebauter Baumwolle in vielen Haushalten. Die Affinität der Bevölkerung zu persönlichem Schmuck zeigt sich in zahlreichen Funden von Perlen und Anhängern aus Straußeneischale, Ton, Fayence und verschiedenen Halbedelsteinen. Darüber hinaus wurden Rosetten und Löwenköpfe aus Fayence wohl als Möbelbeschläge oder zur Verzierung von Behältern verwendet. Eine Vielzahl kleiner Menschen- und Tierfigürchen aus gebranntem Ton diente vermutlich dem persönlichen Bedarf, während die Bronzestatue des meroitischen Gottes Sebiumeker aus dem Tempel oder eine Quarzit-Statuette einer löwenköpfigen Gottheit für religiöse und kultische Handlungen benutzt wurden.

Bestattungen

Die meroitischen Bewohner von Hamadab wurden auf dem unweit gelegenen städtischen Friedhof auf dem südlichen Hügel bestattet, wobei die Toten in Hockstellung oder auf dem Rücken liegend begraben wurden. Die Koexistenz verschiedener Bestattungsriten ist charakteristisch für die meroitische Zeit und zeigt die kulturelle Heterogenität dieses multiethnischen Reiches. Die Verstorbenen wurden nicht nur mit Nahrungsmitteln und Getränken in großen Vorratsgefäßen und Bronzeschalen ausgestattet, sondern auch mit Schmuck, Siegelringen und Waffen. Unter den Grabbeigaben fanden wir außerdem importierte Waren wie Kaurimuscheln vom Roten Meer oder Glasvasen römischen Stiles.

Handwerk in der Unterstadt

Energieintensive Handwerke, wie Eisenverhüttung, Schmiede, Töpferei und wahrscheinlich auch Fayence- und Glaswerkstätten, waren in den Produktionsbereichen am Rande der Siedlung untergebracht. Die Stadt unterhielt beispielsweise ein eigenes Töpfereizentrum mit mehreren Doppelkammeröfen. Tausende von Keramikscherben in den sie umgebenen Abfallhalden zeugen von einem breiten Repertoire lokal hergestellter Keramikgefäße und Tonfiguren.

Laboruntersuchungen konnten Rohstoffarten und einige der Tonquellen identifizieren. Die naheliegendste Ressource war der lokale Nilton, der in der Herstellung von handgefertigten und gedrehten Keramikgefäßen verwendet wurde. Daneben nutzten die Töpfer aber auch gezielt Tone aus Wadi-Läufen und den weißen Kaolinton aus den Sandsteinbergen, der für die feine meroitische Tafelware verwendet wurde.

Große Halden mit Tonnen von Eisenschlacke, Ofenresten und Belüftungsdüsen liegen am Rande der Siedlung. Die meisten von ihnen überlagern die meroitischen Vorstadthäuser und datieren in das 5./6. Jh. n. Chr., was darauf hindeutet, dass sich die intensivere Eisenproduktion in Hamadab erst nach dem Niedergang des Reiches entwickelte. Das Holz zum Brennen dieser ressourcenintensiven Branchen stammte vor allem von Akazienbäumen, deren Rodung angesichts des immensen Produktionsvolumens einen immensen Raubbau der lokalen Vegetation zur Folge gehabt haben muss.