Forschung
Die Macht eines Herrschers steht und fällt mit der Zustimmung seiner Untertanen. Zeitgenössische Historiker berichten von einem allmählichen Wandel in der Beziehung zwischen Kalif und Volk in Madinat al-Zahra. Als die Stadt gegründet wurde, war Abd al-Rahman III. ein erfolgreicher Feldherr, der persönlich seine Armeen bis Nordspanien im Krieg geführt hatte. Nach Fertigstellung der Residenz nahm er jedoch an keinem Feldzug mehr aktiv Teil. Das Volk bekam ihn und seine Nachfolger nur noch zu besonderen Anlässen zu sehen, etwa im Rahmen des Schlachtfestes, des Fastenbrechens oder beim Empfang ruhmreicher Generäle. Zunehmend traten die Kalifen ihre politische Macht an Offiziere und Höflinge ab. Als Stellvertreter des Kalifen konnte der ehemalige Polizeichef al-Mansur eine Militärdiktatur etablieren, die schließlich 1009 zu einer Revolution und einem Bürgerkrieg führte. Im Jahr 1031 erklärte die Bürgerschaft der Stadt Córdoba das Kalifat für beendet und gründete eine Republik, eine der ersten der islamischen Geschichte.
Lässt sich diese Entwicklung auch am Baubefund ablesen? Wo befinden sich die Schnittstellen zwischen Kalif und Volk und wie haben sich diese mit der Zeit verändert? Ziel eines Kooperationsprojektes ist die Untersuchung eines zentralen Ortes der Begegnung zwischen Herrscher und Untertanen, die so genannte „Plaza de Armas“, der größte öffentliche Platz von Madinat al-Zahra. Östlich des Kalifenpalastes und nördlich der Freitagsmoschee gelegen, war der Platz Schauplatz von Empfängen und Gerichtssitzungen, aber auch von Militärparaden und Hinrichtungen. Wie zeigte sich der Herrscher hier seinem Volk? Lässt sich der Wandel in der Architektur des Platzes mit dem Wandel der Rolle des Kalifen in Zusammenhang bringen?
In Madinat al-Zahra werden seit 1911 Grabungen durchgeführt, zunächst unter der Leitung der Architekten Ricardo Velázquez Bosco, Félix Hernández, von 1985 bis 2013 und erneut seit 2017 unter der Leitung von Antonio Vallejo Triano. Dessen grundlegende Monographie "La ciudad califal de Madinat al-Zahra: Arqueología de su excavacion" bietet eine zusammenfassende Darstellung der archäologischen Erforschung des Fundplatzes. Der Band zeigt aber auch die Grenzen der bisherigen Arbeiten. Selbst in dem bislang ergrabenen Areal der Palastanlage sind noch lange nicht alle Bereiche erschöpfend untersucht. So ist auch der Vorplatz des Kalifenpalastes bislang noch nie Gegenstand eines Forschungsprojektes gewesen. Die Fassade des Kalifenpalastes (der „gran póritco“) wurde 1975-1985 freigelegt teilweise wieder hergerichtet, jedoch ohne wissenschaftliche Untersuchungen. Viele Aspekte des Monuments bleiben ungeklärt, von seinem ursprünglichen Aussehen und seiner baulichen Entwicklung bis zu seiner Funktions- und Nutzungsgeschichte. Der angrenzende Platz ist noch gänzlich unerforscht. Bisherige Studien beruhen allein auf der Auswertung von Luftbildern und einer feintopographischen Geländeaufnahme.
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