Afghanistan: Antiker Bergbau und Ressourcennutzung

Mes Aynak Mine - Laserscanning © DAI Eurasien-Abteilung // Daniel Steininger

Forschung

Bergbaureviere prägen ganz besonders die Geschichte einer Region (man denke nur an das Ruhrgebiet, oder das sächsische Bergbaugebiet). Dass diese als bedeutende Wirtschaftsfaktoren auf die kulturgeschichtliche Entwicklung einen Einfluss genommen haben, ist daher keine Frage – jedoch Grad und Wirkung – auch auf die Nachbarregionen – sind ein Schwerpunkt des Projektes. Während für die Kushan- und frühislamisch/arabische Zeit recht gute Beziehungen zwischen Erzvorkommen und Wirtschaftsbetrieben nachweisbar sind, die zu der Entwicklung regelrechter „Industrieregionen“ führten, gelten die prähistorischen Perioden diesbezüglich als unerforscht. Am Hindukusch ist frühester Bergbau mit der Ausbeutung von Lapislazuli seit dem 6.Jt. v. Chr. anzunehmen, im 4. Jt. v. Chr. zeigen Lapislazuli und Gold (ebenfalls aus Afghanistan?) ein ähnliches Verbreitungsbild. Die ab dem 3. Jt. v. Chr. erscheinenden Zinnbronzen in Mittelasien und im weit westlich gelegenen Mesopotamien sind ebenfalls in ähnlichen Kontexten zu finden. Da in Afghanistan sowohl Kupfer als auch Zinn, also beide Hauptbestandteile von Bronze vorkommen, drängt sich die Frage auf, in welchem Maße die Region bei einer der bedeutendsten Erfindungen der Metallzeiten eine Rolle gespielt hat. Um diese Verbreitungswege verfolgen zu können, müssen Lagerstätten und Metallobjekte geochemisch analysiert, Gerätschaften und Produktionsabfälle auf ihre technischen Eigenschaften untersucht werden.

Doch die Dynamik von Bergbau insgesamt steht im Vordergrund des Projektes: Entwicklung von Techniken und die Entstehung von Handwerkersiedlungen bis hin zu regelrechten Industrielandschaften. Die Forschungen schließen daher nicht nur die reine Verbreitung von Material, Technik und Objekt ein, sondern die wechselseitigen Einflüsse in sozialer Organisation und Kommunikation. Für letztere sind außerdem landschaftsarchäologische Untersuchungen wesentlich. All diese Aspekte sollen in einer archäologischen Karte Afghanistans zusammengeführt werden.

In erster Linie war das in Mittelasien erfolgreich durchgeführte Forschungsprojekt „Vorislamische Zinngewinnung in Mittelasien“ der Eurasien-Abteilung ausschlaggebend für die Beantragung eines Afghanistan-Projektes. Diese vorangegangen Forschungen bieten eine solide Datengrundlage wie auch bislang unbeantwortete Anknüpfungspunkte für Forschungen auf dem Gebiet der Montanarchäologie in den angrenzenden Regionen. Vor allem zogen sie die Frage nach sich, woher das Zinn für die Bronzeproduktion der Alten Welt im Westen stammte. Die bislang untersuchten Zinnreviere in Usbekistan und Tadschikistan können den naturwissenschaftlichen Analysen nach für die Bronzen Mesopotamiens ausgeschlossen werden.

Insgesamt zeigt die archäologische Karte Afghanistans große Lücken - weite Teile des Landes gelten bis heute als unerforscht. Der bekannte Site Gazeteer von Warwick Ball (1982) listet vor allem (noch in den 1970er Jahren) obertägig sichtbare Denkmäler; wie viele heute noch davon bestehen, ist ungewiss. Von den 1500 Plätzen gehören nur 50 den prähistorischen Epochen (inklusive Eisenzeit) an. Auch diese sind bislang nur notdürftig kartiert und beschrieben worden.

In jüngerer Zeit werden die Lagerstätten Afghanistans systematisch durch Regierungsorganisationen kartographiert und auf ihr wirtschaftliches Potential analysiert. Hierfür wird sich auch der historischen Quellen bedient. Doch viele der aus dem Mittelalter und sogar neuzeitlichen (19. Jh.) überlieferten Lagerstätten gelten als verschollen. Kleinere Vorkommen können vollständig abgebaut sein, andere sind unter Sedimentschüttungen begraben. Ältere Spuren von Bergbauaktivitäten werden durch moderne überarbeitet. Ein besonderes dramatisches Beispiel kann aktuell in dem Kupferrevier MEs Aynak, 30km südl. von Kabul, verfolgt werden. Hier fanden sich die Überreste einer Siedlung der Kushan- und Shahi-Zeit (2.-9 Jh. n. Chr.), neben intensiven Kupferabbau über Jahrhunderte. Die Siedlung dehnt sich schätzungsweise auf einer Fläche von eineinhalb Hektar aus. Die Berghänge sind mit Schlacken übersät, teilweise bis zu 12m Höhe, überall in den Siedlungsbereichen verstreut fanden sich Abfälle von Metallverarbeitung. Nur ein kleiner Teil ist bislang ausgegraben: Mit der Vergabe der Schürfrechte (2007) im Kupferrevier – wohl dem Größten in Asien – wurde die Afghanische Kulturbehörde tätig, und konnte mithilfe von UNESCO den Beginn der Arbeiten bis 2014 (aktuell) verzögern, um Rettungsgrabungen durchzuführen. Internationale Organisationen – allen voran die Délégation Archéologique Francaise en Afghanistan (kurz DAFA), seit kurzem das Partnerinstitut der Eurasien-Abteilung – beteiligten sich. Neben Klosteranlagen und weitläufigen Siedlungsbereichen kamen Terrakotta-Statuen bis zu 3m Größe, Stupas, Wandmalereien und andere buddhistische Denkmäler zutage, die eindrucksvoll die Verbindung von Kupfer-Bergbau und den Mönchen wiederspiegeln. Teilweise befestigte buddhistische Klosteranlagen scheinen zudem das Bergbaurevier zu umschließen. Auch im Silbertal des Panjshir wurden Siedlungsreste gefunden – bislang undatiert. Schlacke und andere Artefakte weisen auf eine Metallproduktion im direkten Umfeld der Vorkommen. Ähnliche Spuren wurden von Geologen (des Afghanischen Geologischen Dienstes) im Gebiet der Balkhab-Kupfervorkommen in Norden Afghanistans angetroffen.

All diese Plätze sind bislang auf der Archäologischen Karte Afghanistans nicht verzeichnet.

Das im Sommer 2013 begonnene Projekt konzentrierte sich auf den Aufbau einer GIS-gestützten Datenbank zum frühen Bergbau und Metallproduktion, in der die bisher bekannten Hinweise auf urgeschichtlichen, antiken und mittelalterlichen Bergbau und sonstige Besiedlungsspuren im Umfeld der Erzvorkommen aufgenommen werden. Dieses Datenarchiv erlaubt, Beziehungen zwischen den Bergbaurevieren und antiken Besiedlungsspuren herzustellen, als auch gezielt Bergbau-Reviere für die Beprobung auszuwählen. In den nächsten Jahren soll die Datensammlung um weitere Ressourcen wie beispielsweise Halb- und Edelsteine erweitert werden und die Verteilungsmuster der Mineralien Afghanistans in den prähistorischen und historischen Perioden rekonstruiert werden.

Ein weiteres Teilprojekt umfasst den Aufbau einer digitalen Bibliothek zur Archäologie Afghanistans und angrenzenden Regionen, die vor allem eine nachhaltige Sicherung eines umfangreichen Kompendiums zur Archäologie in Afghanistan gewährleisten soll.

1) Datenbank zur Bergbau-Archäologie Afghanistans: geologische und archäologische Informationen werden in einer GIS gestützte Datenbank zusammengeführt. Die Datenbank dient nicht nur als Forschungsgrundlage (auch für zukünftig zu entwickelnde Projekte) sondern gewährleistet die nachhaltige Sicherung der Daten zur Archäologie Afghanistans.

2) Geo-Archäologische Landkarte (GIS): Für Afghanistan (und angrenzende Gebiete) bislang ein Desiderat. Unpubliziertes Karten- und Fotomaterial der frühen Forschungsjahre (Ende 19. Jh. bis in die Mitte der 1950er), bislang wenig beachtete geoarchäologische Unternehmungen sowie modernste Dokumentationsmethoden wie Satellitendaten oder die jüngst erstellten Hyperspektral-Karten des USGS/AGS (geologische Dienste USA und Afghanistan) sollen aufbereitet und in ein GIS zusammengeführt werden.

3) Feldforschung: Mittels Einsatz moderner Gerätschaften sollen gezielt Regionen ausgesucht werden und diese, soweit die Sicherheitslage dies zulässt, auf archäologische Spuren hin untersucht werden (u.a. mittels 3D Laserscan).

4) naturwissenschaftliche Analysen: Es werden systematisch Mineralienproben gesammelt, und geochemisch analysiert, um eine genauere Charakterisierung der Lagerstätten zu erreichen. Dasselbe soll mit ausgesuchten Objekten geschehen, um Rückschlüsse auf Herkunftsregionen und Verbreitungsmuster zu erzielen.

5) Digitale Bibliothek: Als ein Teilprojekt eingegliedert sind die Digitalisierung der umfangreichen Bibliotheksbestände der Partnerinstitute (DAI Eurasien und DAFA, sowie weitere Insitutionen in Afghanistan, wie z.B. die Nationalmuseen), sowie die Zusammenführung der bereits vorliegenden und zukünftig erarbeiteten Forschungsdaten in ein Datenarchiv zum Kulturerbe Afghanistans.

6) Übergreifende Kulturarbeit (capacity Building) in Afghanistan: Technisches Equipment und personelle Erfahrung sollen afghanischen Kollegen anhand von Lehrgängen und Trainees vor Ort zur Verfügung gestellt werden, wie Interdisziplinäre Workshops zu Themen wie „Montanarchäologie und prähistorische Metallproduktion“ und naturwissenschaftliche Analyseverfahren (geochemische Analytik; Alters- und Isotopenbestimmung), sowie Schulungen in spezieller Gerätetechnik (RFA-Geräte; 3D Laserscan-Verfahren). Darüber hinaus sollen gemeinsam mit afghanischen Kooperationspartnern nachhaltige Programme zur Dokumentation und Schutz des afghanischen Kulturerbes entwickelt werden.

Arbeit mit dem RFA-Handspektrometer
Eine erste Auswahl zur geochemischen Bestimmung kann mit dem RFA-Handspektrometer getroffen werden, das fast jedes Element von Magnesium bis Uran mithilfe von Röntgenfluoreszenz anzeigt. // DAI EA
Bronzezeitliche Fundorte und Lagerstätten
// Thomalsky_DAI-EA
Buddha aus Mes Aynak.jpg
Steinerne Buddhastatue aus Mes Aynak, im Afghanischen Nationalmuseum Kabul.
Hyperspetrale Messungen über Afghanistan
Gesamt Afghanistan wurde überflogen, dabei hyperspektrale Messungen durchgeführt. © USGS // USGS
Mes Aynak_Bauen auf Kupfer
Die Gebäude in Mes Aynak wurden direkt auf dem grünen Erzgestein errichtet
Mes Aynak_Nische in Halde
Die Bewohner haben kleine Nischen („Altäre“?) direkt in den Berg gebaut, tlw. direkt bei großen Schlackehalden. Welche Funktion diese Bauten inne gehabt haben, ist noch zu klären.
Silberschlacke aus Panjshir 2
// Thomalsky_DAI-EA