Osmanische Holzhäuser in Istanbul. Forschungen zur Istanbuler Stadttopographie

© DAI Abteilung Istanbul // Anonym

Forschung

Die Basis aller Dokumentationsarbeiten an den Istanbuler Holzhäusern ist das klassische Bauaufmaß von Hand. In Einzelfällen wird ergänzend der Laserscanner eingesetzt, etwa um Oberflächentexturen genau zu dokumentieren oder komplexe räumliche Gefüge zu erfassen. Im ...
Fall von Zeyrek werden die Untersuchungsergebnisse in einem dafür entwickelten Istanbul-GIS zusammengeführt, um hier georeferenziert verwaltet und analysiert werden zu können.
Eine erste Untersuchung durch die Abteilung Istanbul fand bereits 1962 statt, als Klaus Tuchelt und Wolfram Kleiss das Kıbrıslı Yalı auf der asiatischen Seite des Bosporus untersuchten. 1977/78 folgte dann eine von dem damaligen Direktor Wolfgang Müller-Wiener und Johannes ...
Cramer geleitete Großunternehmung, bei der wohl zum ersten Mal in Istanbul eine flächendeckende Dokumentation von Holzhäusern mit der Methodik der verformungsgetreuen Bauaufnahme durchgeführt wurde. Das Kooperationsprojekt mit den Technischen Universitäten Karlsruhe, Darmstadt und Istanbul richtete sich auf die Holzhäuser in Zeyrek, wo in dieser Zeit noch große, geschlossene Bestände erhalten waren. Im Zuge dieser Arbeiten wurden aber auch im übrigen Stadtgebiet Holzhäuser aufgenommen, unter ihnen der Mazlumağa Köşk in Altunizade, das Wohnhaus von Halet Çambel in Arnavutköy und der Kayserili Ahmet Paşa Konağι im Gebiet der Süleymaniye. Im Gegensatz zu den einfacheren Gebäuden von Zeyrek waren letztere stattliche Wohnhäuser privilegierter Bevölkerungsschichten, so dass diese Untersuchungen bereits eine große diachrone und typologische Bandbreite besaßen. Leider konnten viele der damals dokumentierten Wohnhäuser in der Folge nicht erhalten werden. Umso bedeutender ist ihre Erfassung in den Bauaufnahmen und Fotografien. Ab 2001 wurden die Holzhäuser Istanbuls wieder vermehrt zum Forschungsgegenstand der Abteilung. Die Aktivitäten richteten sich auf den Bosporus als ein bisher vernachlässigtes Forschungsareal mit einzelnen erhaltenen Gebäuden aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Zunächst konnte die ehemalige Sommerresidenz des deutschen Botschafters in Tarabya untersucht werden, bei der es sich um eine – stark von europäischen Konzepten bestimmte – Gruppe von Bauten im cottage style des späten 19. Jahrhunderts handelt. Anschließend folgte 2004 das Sa'dullah Paşa Yalısı als eines der wenigen erhaltenden Gebäude aus dem 18. Jahrhundert. Der prominente haremlik wurde vom damaligen Direktor Adolf Hoffmann und von Dominik Lorentzen in einer sehr umfassenden Bauaufnahme untersucht. 2007 folgte schließlich mit dem Amcazade Yalısı das bedeutendste historische Holzgebäude in Istanbul von 1699. In den vergangenen Jahren konnte dann mit der Untersuchung von vier Objekten auf den Prinzeninseln auch dieses für die hölzerne Baugeschichte Istanbuls ganz eigenständige Stadtareal in die Forschungsarbeit einbezogen werden. Es ist ein ganz wesentlicher Aspekt des Projekts zu den Holzbauwerken Istanbuls, die Zusammenhänge zwischen stadttopographischer Situation, Grundrisstypologie und ethnischer Zugehörigkeit der Bauherrschaft systematisch zu beleuchten.
Die aktuellen Forschungen des DAI zu den Istanbuler Holzhäusern bewegen sich in den geschilderten drei Strängen. Zum Einen soll mit weiteren Einzeluntersuchungen am Bosporus und auf den Prinzeninseln das Spektrum der erfassten Bauten erweitert werden und so die ...
Basis für eine grundlegende Analyse dieser Bauwerke in stadttopographischer, grundrisstypologischer, konstruktionsgeschichtlicher und diachroner Hinsicht geschaffen werden. Zum anderen gilt es, die älteren Forschungen in Zeyrek mit neuen Methoden auszuwerten und so erstmals flächendeckend die Geschichte eines Altstadtviertels zu beschreiben. Ziel ist es, einen möglichst großen Querschnitt der ungeheuren Bandbreite der Bautypen und Dekorationsformen zu erfassen, um die gesamte Vielfalt der Istanbuler Holzhäuser in ihren Besonderheiten und Abhängigkeiten definieren zu können. Dabei stehen neben den entwurflichen und gestalterischen Aspekten die bisher kaum untersuchten konstruktiven Eigenarten der Bauwerke im Vordergrund. Ziel des Projekts in Zeyrek ist es, die verlorene Stadttopographie der osmanischen Wohnbebauung im Bereich der historischen Altstadt wenigstens ausschnittweise zu rekonstruieren und damit eine Vorstellung dieses stadträumlichen Gefüges zu erhalten. Die Basis bilden hier die flächendeckenden Dokumentationsarbeiten, die in den Jahren ab 1978 entstanden. Viele dieser Bauten sind heute verloren, aber auf Basis des älteren Dokumentationsstandes lässt sich das historische Siedlungsgefüge virtuell zurückgewinnen. Auf diese Weise soll auch ein möglicher Zugang zu der noch älteren und gänzlich verlorenen byzantinischen Bebauung des Viertels um das Pantokratorkloster überprüft werden.
Das Amcazade Yalisi, Zustand um 1980
Amcazade Yalisi, der Divandhane um 1980, im Hintergrudn Hauptgegäude des Selamlik © DAI Abteilung Istanbul // M. Sözen
Der Kayserili Ahmet Paşa Konağı in Süleymaniye, Zustand 1978
© DAI Abteilung Istanbul // Anonym
Holzmodell des Amcazade Yalisi
© DAI Istanbul // Bernd Seeland
Prinzeninseln, Eingang des Apostolidis Köskü auf Heybeli Ada
© DAI Abteilung Istanbul // M. Bachmann
Prinzeninseln, Sulyoti İkiz Evleri auf Büyük Ada
© DAI Abteilung Istanbul // K. Jansky
Sadullah Pasa Yalisi
© DAI Abteilung Istanbul // M. Bachmann
Tarabya, Das filigrane Tragwerk des Matrosenhauses
© DAI Abteilung Istanbul // M. Bachmann
Zeyrek, Situation des Untersuchungsgebiets 1913 und 1978
© DAI Abteilung Istanbul // A. Köth