Kulturlandschaft Orchontal

Blick über das Orchon-Tal in der zentralasiatischen Steppe. © DAI KAAK // Anonym

Forschung

Forschungsgeschichte

Nicht nur das Interesse für reiternomadische Gräber, sondern auch die logistischen und infrastrukturellen Probleme, die sich bei einer genaueren Erforschung nomadischer Siedlungen aufgrund der nur spärlich besiedelten Weiten der Mongolei stellen, sind dafür verantwortlich, dass die archäologische Erfassung der Stadtsiedlungen in den 300 Jahren eurasischer Forschungsgeschichte oft zurückstehen musste.

1998 folgte eine Gruppe von interdisziplinären Wissenschaftlern der Universität Bonn und der Bonner Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts (KAAK) einer Einladung der Mongolischen Akademie der Wissenschaften in die Mongolei. Anstoß zu diesem Treffen gab der Bonner Mongolist Klaus Sagaster, der ein Jahr zuvor von der Mongolischen Akademie gebeten wurde, eine deutsch-mongolische Zusammenarbeit bezüglich einer archäologischen und historischen Erschließung der altmongolischen Hauptstadt Karakorum zu initiieren.

Noch im Jahr 1998 konnte der Grundstein für die Mongolisch-Deutsche Karakorum-Expedition (MDKE) gelegt werden. Im Juli 1999 dann, nach der feierlichen Unterzeichnung des Kooperationsvertrages in Anwesenheit des Bundespräsidenten Roman Herzog, nahm die MDKE mit Vermessungen, Sondagen und geophysikalischer Prospektion die Arbeiten in Karakorum auf. Die erste Grabungskampagne fand im Sommer 2000 statt.

Die Ergebnisse der MDKE knüpfen an russisch-mongolische Grabungen in den Jahren 1890, 1934 und 1948/49 an, letztere unter Sergej Kiselev. Dabei erwies sich beispielsweise die von Kiselev vermeintlich als Palast identifizierte Baustruktur im Südwesten der Stadt nicht als Palast des Ögedei Khan, sondern als monumentaler buddhistischer Tempel des 13. und 14. Jahrhunderts.

Die Zusammenarbeit unter der Schirmherrschaft des Staatspräsidenten der Mongolei und des deutschen Bundespräsidenten beschränkt sich nicht nur auf die Forschung, sondern gilt auch dank der Unterstützung des DAI, der Gerda Henkel Stiftung und des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) der Fortbildung mongolischer und deutscher Studenten.

Eine neue Kooperationsvereinbarung für das von der Gerda Henkel Stiftung geförderte Projekt „Orchon-Tal – Karabalgasun“ wurde 2007 anlässlich der Eröffnung der neuen Forschungsstelle in der Hauptstadt Ulaanbaatar durch die Präsidenten der Mongolischen Akademie der Wissenschaften und des DAI unterzeichnet.

Im Rahmen der Mongolisch-Deutschen Orchon-Expedition (MONDOrEx) sollen in Zusammenarbeit mit der Mongolischen Akademie gezielte Grabungen und Surveys durchgeführt werden. Diese dienen der archäologisch-historischen Erforschung der spätnomadischen Stadtsiedlungen im Orchon-Tal, mit einem Schwerpunkt auf der uighurischen Hauptstadt Karabalgasun (Ordu Balik). Gegenüber der Blütezeit der uighurischen Kultur in Ostturkestan (10.-12. Jahrhundert) ist die Archäologie der Uighuren in ihren östlichen Stammesgebieten im 8. und 9. Jahrhundert weitgehend unbekannt.

Forschungsfragen

Die Erforschung der Kulturlandschaft Orchon-Tal im Frühmittelalter konzentriert sich sowohl auf die Reichshauptstadt Karakorum wie auch auf die uighurische Hauptstadt Karabalgasun. Abgesehen von der jeweils stadteigenen historischen Problematik steht die Frage nach der Stadtentwicklung und -planung im Vordergrund.

Lassen sich Stadtviertel im archäologischen Befund erkennen, wie der flämische Reisende Wilhelm von Rubruk von Karakorum berichtete? Sind diese rein funktional gegliedert oder gibt ihre Einteilung Aufschlüsse über ethnische Gruppen oder Religionsgemeinschaften?

Daneben wird auch die Adaption fremder Stadtmodelle wie chinesischen oder ostiranischen (sogdischen) Ursprungs, und die Bedeutung der Stadt als politischer, wirtschaftlicher und religiöser Zentralort, auch für die Organisation nomadischer Herrschaft, in der Fragestellung berücksichtigt.

Ansätze und Methoden

In Anbetracht dieses Bündels komplexer Fragestellungen kann ein rein archäologischer Ansatz nicht in dem gewünschten Umfang Erkenntnisse liefern. Geophysikalische, geomorphologische und paläobotanische bzw. archäozoologische sowie vermessungstechnische Arbeiten müssen die Untersuchungen unterstützen. In diesem Zuge wurde beispielsweise für Karabalgasun unter optimalen Geländebedingungen (keine Bebauung oder Baumvegetation) ein Airborne Laserscanning durchgeführt und ein detailliertes Geländemodell angefertigt, das auch ohne einen Eingriff in unterirdische Befunde Aufschluss über die Stadtstruktur gibt.

Forschungsziele

Angesichts der ungeheuren Ausmaße der urbanen Strukturen, dabei ist vor allem Karabalgasun mit einer Gesamtfläche von etwa 32 km² und einer mächtigen Wallanlage zu nennen, ist eine über Grabungen erschlossene Gesamtdokumentation sehr schwierig. Interdisziplinäre Forschungsansätze (siehe Methoden) müssen die Untersuchungen unterstützen, um Aufschlüsse über die Transformation eines Nomadenvolkes zu einem Stadtvolk zu geben, das zumindest zu Teilen die Städte dauerhaft besiedelte.

Airborne Laserscanning Karabalgasun
Stadtplan von Karabalgasun auf der Grundlage einer luftgestützten Vermessung 2007 © DAI KAAK // Arctron
Granitschildkröte in Karakorum
Granite tortoise in the south-west of the city, used as a base for inscriptions. © DAI KAAK // Anonym
Kloster Erdene Zuu
Tempel im Kloster Erdene Zuu © DAI KAAK // Anonym
Luftbildaufnahme Karabalgasun
Blick von Nordosten auf die sog. Tempel-/Palaststadt und die angrenzenden Stadtstrukturen © DAI KAAK // Anonym
Luftbildaufnahme Karakorum
Blick auf die auch heute noch obertägig sichtbaren Mauer- und Gebäudestrukturen der altmongolischen Hauptstadt, südlich davon die Mauer des Klosters Erdene Zuu © DAI KAAK // Anonym
Naadam-Fest
Das mongolische Nationalfest Naadam findet jährlich im Juli statt, dabei werden Wettkämpfe in den drei traditionellen Sportarten Pferderennen, Bogenschießen und Ringen ausgefochten. © DAI KAAK // Anonym
Prospektion
Magnetometer-Prospektion durch J. Fassbinder, LMU München © DAI KAAK // Anonym