Die römische Geschichte von Baalbek/Heliopolis

Fragment einer Weihinschrift des Kaisers Septimius Severus. © DAI + Orient // Holger Wienholz

Ergebnisse

Die neue Betrachtung der Quellen führt zu einem gegenüber den bisherigen Vorstellungen deutlich modifizierten Bild. Die literarischen Quellen betonen den ägyptischen Ursprung sehr deutlich, und so ist eine von den Ptolemäern initiierte militärische Nutzung des Tells an der Wende vom 3. zum 2. Jh. v. Chr. anzunehmen. Nach der Erosion der seleukidischen Herrschaft war die Festung wohl in der Hand kleiner Raubfürsten, wie es zum Beispiel die Ituräer waren, und so wurde sie zu einem Ziel auf dem Feldzug des Pompeius in den Jahren 64/63 v. Chr.

Mit der Konsolidierung der römischen Herrschaft in der frühen Kaiserzeit entfiel die militärische Nutzung, und nach der Ansiedlung römischer Veteranen von Beirut aus entstand der Plan, ein lokales Heiligtum zu Ehren der Gottheit zu errichten, die Reichtum und Fruchtbarkeit der Region garantierte. Dieser Plan wurde aber nur in Ansätzen ausgeführt und dann zugunsten der monumentalen und mehr an griechisch-römischer Formensprache orientierten Ausführung, wie sie der endgültige Jupitertempel zeigt, geändert. Es ist anzunehmen, daß ein solch gewichtiger Impuls nicht allein aus Beirut/Baalbek kam, sondern einen äußeren Anstoß hatte.

Der in den Ausmaßen ausufernde Bau brauchte bis in die flavische Epoche, um abgeschlossen zu werden. Mittlerweile hatte man angefangen, auch den alten Tell mit den etwaigen Festungsresten zu ummanteln, um dem neuen Tempel einen entsprechenden Kulthof vorzulagern, wobei auch hierbei mehrere Planänderungen immer wieder Umbaumaßnahmen erforderten. Einen Anschub werden die Arbeiten erhalten haben, nachdem ein Orakel für Kaiser Trajan, das wohl 113/114 n. Chr. anläßlich seines Partherfeldzuges erstellt wurde und sich später bewahrheitete, für Propaganda sorgte. Auch die Orientreisen Kaiser Hadrians, besonders 129/130 n. Chr., könnten die Baumaßnahmen beeinflußt haben. Ab der Mitte des 2. Jhs. n. Chr. waren die Mauern und Säulen soweit errichtet, daß mit der Ausarbeitung der Ornamentik begonnen wurde.

Nach der für Baalbek relativ ereignisarmen 2. Hälfte des 2. Jhs. n. Chr. stellte die severische Zeit eine grundlegende Zäsur in der Geschichte der Stadt dar. Anläßlich seines Sieges gegen den Rivalen Pescennius Niger verlieh Septimius Severus Baalbek das ius italicum und machte sie damit faktisch von Beirut unabhängig. Die neu gewonnene Selbständigkeit, die sich in einer eigenen Münzprägung ausdrückte, und das durch ein inschriftlich nachgewiesenes Orakel und persönliche Nähe geprägte kaiserliche Wohlwollen nutze die Stadt sofort, um sich mit einem gewaltigen Bauprojekt darzustellen. Der sogenannte Bacchustempel ist als Symbol der städtischen Unabhängigkeit entstanden, im Jupiterheiligtum wurden wieder die Pläne geändert, was zu der abschließenden Gestaltung des Hexagonalhofes und der Propyläen führte. Daneben wurden eine große Thermenanlage sowie eine Stadtmauer begonnen.

Die Abhängigkeit Baalbeks von der kaiserlichen Gunst und und letztlich das Scheitern des Versuchs, sich als überregional bedeutsames urbanes Zentrum zu etablieren, zeigt sich in einem rigiden Baustopp, der Teile der Propyläen, des Bacchustempels und der Therme traf und vor allem in der Unfertigkeit der Bauornamentik sichtbar ist. Es liegt nahe, dies mit dem plötzlichen Tod Caracallas 217 n. Chr. zu verbinden, nachdem der Kaiser kurz zuvor wohl selbst noch in der Stadt zu Besuch gewesen war. Unklar ist, wie weit der heute völlig verschwundene Merkurtempel auf dem Sheik Abd’allah zu diesem Zeitpunkt bereits geplant oder gar in Arbeit war, er und der Rundtempel im Areal St. Barbara waren die letzten großen antiken Bauwerke, die bis zur Mitte des 3. Jhs. abgeschlossen wurden, bevor unter Kaiser Gallienus die letzten römischen Münzen geprägt wurden. Die Epoche der Soldatenkaiser bedeutete für Baalbek das Ende der monumentalen Bauten und des reichsweiten Anspruches, der sich ebenfalls in groß angelegten capitolinischen Spielen manifestiert hatte.

Der nunmehr wieder mehr lokale Bezug bedeutete keineswegs einen Einschnitt in die Prosperität der Stadt, in der in der Spätantike noch große und mit prächtigen Mosaiken ausgestattete Häuser angelegt wurden. Geprägt waren das Handeln der Bewohner vor allem durch die religiösen Transformationen, einerseits im Bedeutungsschwund des Iupiter Optimus Maximus Heliopolitanus, dessen Beinahme „Herr der Quellen“ vielleicht ab dem 4 Jh. schon als Ortsname Baalbek in Gebrauch kam, anderseits im für Baalbek vielfach überlieferten zähen Ringen zwischen den Anhängern der heidnischen Kulte und den Christen. Der nur literarisch bekannte Bau einer ersten christlichen Basilika bereits unter Kaiser Konstantin und schließlich das Verbot der heidnischen Kulte unter Kaiser Theodosius markieren den schrittweisen Übergang in die christlich-byzantinische Epoche.