Bella Vista - Bolivien

© DAI-KAAK // Heiko Prümers

Ergebnisse

Die Ringgrabenanlagen von Bella Vista sind, ebenso wie die wenigen zuvor in der Region untersuchten gleichartigen Anlagen, einphasig und weisen nur sehr dünne fundführende Schichten auf. Dies lässt auf eine kurze Nutzungszeit der Anlagen schließen, die nach den bislang vorliegenden 14C-Datierungen ins 13.-15. Jh. n.Chr. fällt.

Dieser Befund kann einen ungenügenden Forschungsstand widerspiegeln. Es lohnt sich aber festzuhalten, dass in der Region bislang keine früheren Siedlungen registriert wurden und dass alle bekannten Siedlungsplätze von Gräben umgeben sind. Dieses Bild hebt sich stark von der Situation in den südlich und westlich angrenzenden Gebieten der Llanos de Moxos ab, wo zum einen Siedlungsplätze mit langer, knapp 1000 Jahre andauernder Nutzungszeit vorkommen, zum anderen aber Gräben als Defensivanlagen bislang nicht belegt sind. Zu den oben angeführten Fragen stellen sich also weitere: Wie erklären sich die markanten Unterschiede im Siedlungsgeschehen dieser benachbarten Regionen? Was ist die Ursache für das Schutzbedürfnis, das die Bevölkerung des gesamten Süd(west)randes Amazoniens in dieser späten vorspanischen Zeit offenbar verspürte ?

In den Ringgrabenanlagen von Bella Vista fanden sich bislang weder Feuerstellen noch Pfostenlöcher. Es fehlen also Siedlungsspuren im engeren Sinne. Eine mit Streufunden (Keramik) durchsetzte graubraune Schicht zeigt hingegen, dass der Raum genutzt wurde. Auch konnte an einigen Stellen ein Lauf- bzw. Nutzungshorizont nachgewiesen werden. So fanden sich an mehreren Stellen auf gleichem Niveau Reste von großen, schlecht gebrannten Keramikgefäßen, deren Fragmente als Scherbenpflaster auf einer begrenzten Fläche den Nutzungshorizont fassbar machten.

Im Fall der Ringgrabenanlage auf dem Gebiet der "Granja del Padre", fanden sich in einem quer durch die Grabungsfläche verlaufenden Streifen 15 Gräber. Sie lagen zum Teil sehr dicht beieinander, was darauf hindeutet, dass sie obertägig gekennzeichnet waren. Es handelte sich durchweg um Gefäßbestattungen, wobei der Körper des Verstorbenen fast immer in einem großen, bauchigen Gefäß niedergelegt worden war. Die Gefäße waren Kopfüber deponiert und ihr Boden sorgfältig entfernt worden. In einigen Fällen fanden sich in der Gefäßöffnung "Keramik-Abschläge", die beim Bearbeiten der Kante des aufgeschlagenen Bodens entstanden waren. Dies belegt, dass die Gefäße mit der Öffnung nach unten in der Grabgrube stehend für die Bestattung hergerichtet wurden. In allen Gräbern waren die Skelette stark abgebaut, in einigen Fällen wurden überhaupt keine Knochenreste mehr festgestellt. Lediglich in einem Fall fanden sich Beigaben: drei kleine Keramikgefäße waren vor den Füßen des Verstorbenen auf dem Boden des Grabgefäßes platziert.

Schnitte durch die Ringgräben zeigten, dass diese mit mehr als einem Meter Sediment verfüllt waren. Ihre Seitenwände waren ursprünglich fast senkrecht, der Boden flach. Den Aushub hatte man beiderseits der Gräben aufgehäuft. Reste von Palisaden oder anderen assoziierten Defensivanlagen fanden sich nicht. Dies steht in Einklang mit den Angaben, die sich in der ausführlichsten Chronik über die Region von Baures, der 1791 verfassten "Breve descripción de las reducciones de Mojos" des Jesuiten Francisco Javier Eder finden. Eder lobt Breite und Tiefe der Gräben, die ihren europäischen Pendants in nichts nachstünden und hebt hervor, dass sie allein bereits den Angriff möglicher Feinde sehr erschwerten.

Die beiden untersuchten Ringgrabenanlagen weisen weitere bemerkenswerte Eigenheiten auf. Zum einen ist das Gelände, auf dem sie liegen, relativ stark geneigt. Nun besitzen die Ringgräben aber innerhalb einer Anlage eine konstante Tiefe. Das bedeutet im Falle des Ringgrabens der "Granja del Padre", dass im höher gelegenen Nordostsektor die Grabensohle auf dem gleichen Niveau liegt wie im am niedrigsten gelegenen Südwestteil der  Anlage die Kuppe der Umwallung. Die Grabensohle liegt im Südwestteil der Anlage ganze 2 m tiefer als im Nordosten. Die in der Literatur geäußerte Vermutung, dass sich in den Gräben Wasser befunden habe um den Defensivcharakters der Anlage zu erhöhen, wird durch diesen Befund eindeutig widerlegt. Ein anderes bemerkenswertes Detail, das bei der Vermessung der Anlagen deutlich zu Tage kam, sind in regelmäßigen Abständen quer durch den Graben verlaufende Stege. Bei diesen könnte es sich um die Reste von "Zugängen" handeln.

Es wurde bereits erwähnt, dass die Ringgrabenanlagen keine isolierten Phänomene darstellen, sondern in große Grabensysteme integriert sind. Die Existenz dieser großen, mehrere Quadratkilometer große Areale umschließenden Grabensysteme in der Iténez-Region war bislang unbekannt. Erst die im Rahmen unseres Projektes durchgeführten Prospektions- und Vermessungsarbeiten zeigten deren Ausmaß und lieferten erste Daten zu deren Verteilungsmuster. Nach bisheriger Kenntnis grenzen die Grabensysteme Anhöhen von zwischen ihnen befindlichen Geländesenken ab. Zu jedem der bislang vier in der Umgebung von Bella Vista entdeckten großen Grabensysteme gehören 2 oder 3 Ringgrabenanlagen. Zumeist sind die Ringgrabenanlagen im Innern des Grabensystems gelegen, es fehlt aber auch die berühmte Ausnahme von der Regel nicht.

Bei Begehungen im Innern des östlich von Bella Vista auf dem Gelände der Estancia "Thuringia" gelegenen Grabensystems, das durch den Einsatz von Planierraupen stark gestört ist, konnten über eine Distanz von einem Kilometer hinweg Streufunde nachgewiesen werden. Auch im Dorf Bella Vista, das etwa ein Viertel der Fläche einnimmt, die von einem vorspanischen Grabensystem umschlossen ist, werden bei Bauarbeiten immer wieder Zufallsfunde gemacht. Dies scheint darauf hinzudeuten, dass von einer vorspanischen Besiedlung im gesamten von den Grabensystemen umschlossenen Gebiet auszugehen ist. Dies könnte auch erklären, warum in den Ringgrabenanlagen keine "Siedlungsspuren" im engeren Sinne gefunden wurden. Möglicherweise hatten diese speziell abgegrenzten Bereiche, mit Durchmessern zwischen 100 - 150 m, eine Sonderfunktion, etwa als Friedhöfe, wie dies die Grabgruppe nahelegt, die am Fundort "Granja del Padre" freigelegt werden konnte.