Pre-Contact Resource Management on Rapa Nui (Easter Island, Chile)

© DAI // Annette Kühlem

Ergebnisse

BISHERIGE ARBEITEN

Einen Schwerpunkt der Arbeiten der drei Kampagnen 2007–2009 bildete die Dokumentation ausgewählter Einzelmonumente und anderer wichtiger Fundplätze in verschiedenen Abschnitten der Insel. Diese erfolgte durch terrestrisches 3D Laserscanning und photogrammetrische Aufnahmen, beides vorgenommen durch Spezialisten der HafenCity Universität Hamburg. Dabei war die Wahl eines berührungslosen Messverfahrens von großer Bedeutung, da die Ahu nicht betreten und die Figuren nicht berührt werden dürfen. Die gewonnenen Daten wurden über Positionsbestimmungen mit dem Global Positioning System (GPS) in das bestehende Koordinatensystem der Insel integriert, um später alle relevanten Daten zu den Monumenten und Fundplätzen in einem Geoinformationssystem zusammenlaufen zu lassen. Gescannt wurden zunächst die bereits rekonstruierten Ritualplattformen Ahu Riata, Ahu Tautira, Ahu Tahai, Ahu Vai Uri , Ahu Ko Te Riku, Ahu Akapu, Ahu Akivi , Ahu Nau Nau, Ahu Ature Huki, Ahu Huri A Urenga, Ahu Akahanga und Ahu Tongariki sowie die noch nicht ausgegrabenen Ahu Hanga Mea, Ahu Hanua Nua Mea und der Moai von Vaihu. Laserscanning begleitete auch die laufenden Grabungen in Ava Ranga Uka A Toroke Hau, wo das gesamte Tal, eine Terrassenmauer und Uferbefestigung, das Wasserbecken, Höhle 1 und die Dämme 1 und 2 während verschiedener Stadien der Freilegung vermessen wurden. Darüber hinaus wurden auf Wunsch der örtlichen Antikenbehörde auf dieselbe Weise auch die bootförmige Wallanlage von Miro O One und der Steinbruch bei den Obsidianminen am Maunga Orito dokumentiert.

Vier Ritualplattformen und deren Moai wurden während dieser drei Feldkampagnen Wiederholungsmessungen unterzogen, um eventuell Aussagen über erosionsbedingte Veränderungen an den Tuffsteinplastiken treffen zu können, die dann ihrerseits eine Grundlage für zukünftige Restaurierungs- und ggf. Konservierungsmaßnahmen bieten können.

Während der Kampagnen 2007 und 2008 ergänzte das Bayrische Landesamt für Denkmalpflege diese Arbeiten mit geophysikalischen Prospektionen, um berührungsfrei und non-invasiv die Existenz unter der Oberfläche liegender Strukturen nachzuweisen und die Anwendbarkeit des Verfahrens unter den konkreten örtlichen Bedingungen zu prüfen. Trotz der ausschließlich vulkanischen Geologie der Insel bewährten sich die Untersuchungen bereits ausgegrabener wie auch noch nicht untersuchter Fundplätze mit einem Cäsium-Magnetometer ausgesprochen gut. Die Prospektionen galten den Fundplätzen Tahai, Ahu Akivi, Ahu Hanga Te'e, Ahu Tepe'u, Ahu Nau Nau, Ahu Hanga Mea, Ahu Akahanga und dem Vorplatz des Ahu Hanua Nua Mea in Ava Ranga Uka A Toroke Hau. Die nach den Messungen generierten Graustufen-Magnetogramme zeigen, dass trotz der geringen Bodentiefe mit Ausnahme des Ahu Akahanga sämtliche Untersuchungsareale verborgene Reste noch unbekannter Strukturen aufweisen. Die bisher gewonnenen Messdaten bedürfen noch weiterer Bearbeitung und Auswertung.

Seit 2008 führt die KAAK in Ava Ranga Uka A Toroke Hau an verschiedenen Stellen archäologische Sondagen durch. Auch die Grabungen werden durch geophysikalische Prospektionen, Vermessungsarbeiten und den regelmäßigen Einsatz terrestrischer 3D Laserscanner ergänzt. In Tepe'u wurden bislang Kartierungen und geophysikalische Erkundungen vorgenommen, eine Aufnahme von Grabungen ist für die Zukunft geplant.

DIE BISHERIGEN AUSGRABUNGEN UND IHRE ERGEBNISSE

Der Fundplatz Ava Ranga Uka A Toroke Hau liegt im Inselzentrum auf der Südflanke des Terevaka-Vulkans. Er profitiert von hohen Niederschlagsmengen (über 1.000 Millimeter/Jahr), was auch die Existenz des einzigen, bis vor kurzem noch ständig Wasser führenden Baches erklärt. Der Bach hat ein kleines natürliches Becken von gut 80 Metern Länge und 50 Metern Breite geschaffen, an das sich eine kurze schluchtartige Verengung anschließt. Dieser Abschnitt bildet zugleich den Kernbereich des Fundplatzes. Hier befinden sich die Reste von zwei ursprünglich vollsperrenden, jetzt gebrochenen Dämmen, des weiteren Terrassenmauern, Uferbefestigungen, mehrere kleinere Höhlen und ein großes steinernes Becken. Auf dem westlichen Steilufer lässt die Oberfläche die Reste einer Siedlung mit mehreren steinernen Hausgrundrissen sowie Pflanzgruben von größeren Bäumen (Honigpalmen?) erkennen. Auf dem gegenüber liegenden Hochufer im Osten liegt umgestürzt auf seiner Plattform ein Moai, aus mündlicher Überlieferung bekannt als Ahu Hanua Nua Mea ('Regenbogen'-Ahu).

Während der Feldkampagnen 2008 und 2009 konzentrierten sich die Grabungen auf verschiedene Strukturen entlang des Bachbettes. Uferbefestigen und Terrassenmauern vermitteln gemeinsam mit den Resten hydraulischer Architektur den Eindruck einer großflächig geplanten Landschaftsgestaltung bzw. vollständigen Transformation. Die 2009 freigelegte Bruchzone von Damm 1 ergab ein Profil von über 3 Metern Höhe, das nicht nur die umfangreichste Sequenz von Kulturschichten auf der Insel darstellt, sondern zugleich Einblicke in Konstruktion, Funktionsweise und Entwicklung der Anlage wie auch in die rezente Klimageschichte gestattet. Der Aufschluss zeigt, wie der aus einer Geröllschüttung bestehende, luftseitig mit einer Mauerschale verblendete Damm von ursprünglich etwa 1,5 Metern Höhe nachfolgend in gleicher Konstruktionsweise zweimal auf insgesamt über 3 Meter erhöht wurde. Der Grund dafür war wahrscheinlich die schnelle Verlandung des Stauraums, der zu keiner Zeit per Hand beräumt wurde. Stattdessen zog man großflächig nach und nach vier übereinander liegende Steinpflaster ein, die schließlich das gesamte kleine Tal bedeckten. Die dazwischen liegenden Stauraumsedimente ganz unterschiedlicher Fraktion sind deutlich von einander abgesetzt und lassen einerseits eine Akkumulierung durch nach plötzlichen Starkregenereignissen auftretende Schlammlawinen erahnen, wie auch das Ausfällen feiner Sedimente während Perioden längerer Trockenheit. Aus den Sedimenten wurde eine große Zahl von Obsidian-Werkzeugen und Korallenfragmenten geborgen, wobei nicht auszuschließen ist, dass diese Funde durch niederschlagsbedingten Oberflächenabfluss in den Stauraum gelangten.

Als sicher kann gelten, dass die Dammanlage zu keiner Zeit wirklich dicht war und das Fassungsvermögen des Stauraums zu klein, um für eine künstliche Bewässerung genutzt zu werden. Das Fehlen eines Auslasses und eines anschließenden Kanals zur Einleitung von Wasser in nahe Felder oder Gartenflächen bestätigt dies. Ein Suchschnitt im Stauraum des tiefer gelegenen Damms 2, der den Vorplatz und das Innere der Höhle 1 querte, hätte hier einen entsprechenden Nachweis erbringen müssen. Stattdessen zeigten sich im Vorfeld der Höhle mindestens zwei stratigraphisch getrennte Siedlungsniveaus, die durch Steinsetzungen, Herdstellen und ein vielfältiges lithisches Geräteinventar aus Obsidian und Basalt auf sich aufmerksam machen. Möglicherweise wurde die Höhle und der Vorplatz vielleicht erst nach dem Bruch der beiden Talsperren zu Aufenthaltszwecken genutzt, so dass an dieser Stelle eine eher späte Rapanui-zeitliche Besiedlung anzunehmen ist, die in eigenem Kontext steht.

Im Stauraum des zuoberst gelegenen Dammes 1 kam bei Grabungen im Jahr 2008 ein rechteckiges Becken zutage. Es ist aus elf großen, sauber bearbeiteten Basaltorthostaten errichtet und besitzt die Innenmaße von 5,00 x 2,75 Meter und eine Tiefe von durchschnittlich 1,5 Metern. An der Südostecke des Beckens befand sich ein kleiner kastenförmiger Annex, der als Einlass diente und über eine Ablenkmauer aus dem Bachbett mit Wasser versorgt wurde. Wegen der mangelnden Dichtung des Beckens war ein Auslass nicht erforderlich. Den nach Süden stark abfallenden Boden des Beckens bildete der gewachsene, von Wasser gleichsam polierte Fels. Der tiefer gelegene Felsboden entlang der Südwand wurde durch ein Pflaster aus Geröllplatten ausgeglichen.

Die Zusammensetzung der Füllung des Beckens lässt vermuten, dass das meiste Füllmaterial nach Aufgabe des Beckens eingeschwemmt wurde. Lediglich unmittelbar über Felsboden und Steinpflaster fand sich eine fast schwarze Schicht mit einem sehr hohen organischen Restanteil. Auch unter den Pflasterplatten kam eine Folge von schwarzen Mudde-Schichten zutage, die sich mit dünneren Bändern eingeschwemmter feiner Vulkanasche abwechselten. In diesen Schichten und durch das Steinpflaster versiegelt waren Hunderte von glatten, blaugrauen Kieseln, die einst von den Felsküsten der Insel vorsätzlich zum Becken herangeschafft, anderen Ortes wie bei den Ritualplattformen für rituelle Zwecke verwendet wurden. Als äußerst ungewöhnlich muss die Entdeckung von größeren Mengen organischen Materials gelten, darunter Holzreste und Äste, pflanzliche Fasern, Laubwerk, Kürbissamen sowie Nussschalen der Honigpalme. Nur an wenigen Nussschalen waren Nagespuren der von den Rapanui eingeführten Ratten sichtbar. Die endgültige Ausrottung der Honigpalmenbestände auf der Osterinsel wurde gemeinhin um 1500 datiert. Radiokohlenstoffdatierungen von Nussschalen, die sich unter der Beckenpflasterung fanden, lassen allerdings vermuten, dass das Becken im Verlauf des 16. Jahrhunderts angelegt wurde und zu diesem Zeitpunkt noch Reste der Palmenvegetation existierten.

Gleichfalls unter dem Beckenpflaster fand sich eine große Sammlung von Abschlägen und Gerätschaften aus Obsidian und Basalt sowie drei Holzartefakte, die auf der Insel erstmals in archäologischem Kontext nachgewiesen wurden. Der Anteil modifizierter Stücke ist mit gut 25 Prozent der Gesamtzahl überproportional hoch. Die selektive Zusammensetzung des Inventars und die aufwändige Gestaltung des Beckens deuten auf eine gezielte, rituelle Deponierung von Artefakten. Dies findet seine Untermauerung in der Entdeckung von drei Petroglyphen, die in den Felsboden des Beckens eingepickt sind. Dargestellt sind ein menschlicher Fußabdruck, ein Fisch oder Delfin sowie möglicherweise ein Boot.

Alle bisher in Ava Ranga Uka A Toroke Hau entlang des Bachbettes untersuchten Strukturen scheinen nach gegenwärtigem Kenntnisstand in engem funktionalen und chronologischen Zusammenhang zu stehen. Der Gesamtbefund ist ohne Parallele auf der Osterinsel. Er lässt sich vermutlich einem noch unbekannten Wasserkult zuschreiben. Orale Traditionen berichten von Beschwörungszeremonien, die in der Regel ein Priester des Königs für den Regengott Hiro durchführte. Hiro, zuständig für die Fruchtbarkeit der Felder, Gärten und Menschen, ließ dann seine "langen Tränen" fallen, sobald der Priester als Opfergabe ein noch nasses und von Algen besetztes Korallenstück im Boden vergrub. Dass derartige Rituale in Ava Ranga Uka A Toroke Hau stattgefunden haben könnten, belegen auch die zahlreichen Korallenfragmente, die im Stauraum von Damm 1 gefunden wurden.