Raum & Zeit
Die Sammlung Carl Wiese, die sich heute im Ethnologischen Museum in Berlin befindet, besteht aus einer Vielzahl unterschiedlicher Artefakte. Der überwiegende Teil der Sammlung ist auf die Aktivität Wieses als Sammler ethnographischer „Curiositäten“ in Mozambik, Sambia, Malawi und Zimbabwe zurückzuführen. Auf seinen Reisen gelangte Wiese auch in Regionen, die bis dahin noch kaum oder gar nicht von Europäern bereist worden waren. Nach Wieses Rückkehr von einer portugiesischen Expedition in das Landesinnere, wurde unter anderem eine Karte veröffentlicht, die Wieses ‚Entdeckungen‘ verzeichnet. Ab etwa 1903 hielt unterhielt Wiese einen Minenbetrieb in Chifumbaze, nördlich von Tete. Hier nahm er erste Ausgrabungen unterhalb von Felsbildern vor. Die Funde schickte Wiese, wie auch vorherige Sammlungen, nach Berlin in das Königliche Museum für Völkerkunde. Dessen Direktor war ab 1904 Felix von Luschan. Die Zusammenarbeit zwischen Luschan und Wiese eröffnet die Möglichkeit, zu untersuchen, wie Luschans theoretische Ansätze durch Wiese in die Tat umgesetzt wurden. Ausgestattet mit einer „Anleitung für ethnographische Beobachtungen und Sammlungen in Afrika und Ozeanien“ versuchte Carl Wiese die Wünsche Luschans betreffend Sammlungsgut aus Regionen Südostafrikas zu erfüllen, zu denen das Museum kaum Zugang hatte. Dafür bediente sich Wiese einerseits Beziehungen zu lokalen Eliten. Andererseits warb er andere Europäer vor Ort als Sammler für das Museum an. Die durch die Kolonialmächte Portugal, Großbritannien und Deutschland aufgebauten Transportwege ermöglichten es, die Sammlungen nach Berlin zu bringen.
Insbesondere die Untersuchung der Einflüsse ‚kolonialer‘ Denkmuster steht im Fokus des Projektes. Zwischen 1888 und 1909 war Carl Wiese vor allem in Mozambik, Sambia, Malawi und Zimbabwe aktiv. Mozambique war zu dieser Zeit bereits portugiesische Kolonie; ab 1891 wurde ...
Zugleich prägte der Hochimperialismus auch die wissenschaftliche Wahrnehmung der Sammlung in Berlin. Die Vorstellung von Kulturen des Globalen Südens, die Vertreter der frühen Anthropologie wie beispielsweise Felix von Luschan vertraten, spiegelt deutlich Ideologien wieder, die fest im Kolonialismus verankert waren. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde Berlin als eine aufstrebende Wissenschaftsmetropole betrachtet. Luschans Anspruch als Museumsdirektor war es, für das Königliche Museum für Völkerkunde eine Sammlung zusammentragen zu lassen, in der Exponate von Kulturen der gesamten Welt ausgestellt werden konnten. Als Carl Wiese im Jahr 1912 verstarb, ging auch das archäologische Material der Ausgrabung bei Chifumbaze in den Besitz des Völkerkundemuseums über. Die Schenkungen von Carl Wiese überdauerten im Depot des Ethnologischen Museums das Ende des deutschen Kaiserreiches, den Zweiten Weltkrieg und die deutsche Teilung weitgehend unbeschadet.
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