Lernakert

Lernakert © DAI, Eurasien-Abteilung // Sabine Reinhold

Forschung

Forschungsgeschichte

Im Südkaukasus tauchen schon in der Mitte des 3. Jt. v. Chr. während der Epoche der 'Frühen Kurgane' (Bedeni-Martqopi) große Grabhügel auf, in denen überreiche Bestattungen mit Wagen das Vorhandensein sozialer Eliten anzeigt. Die Grabhügel des Trialeti-Plateaus im Süden Georgiens setzen diese Tendenz zum Ende des 2. Jt. v. Chr. fort. Dort finden sich Gräberfelder mit riesigen Hügeln und Eliteinventaren; ähnlich in Armenien z.B. in Nerkin Naver, Lori Berd, Karashamb und an anderen Plätzen. Die Inventare und die Bildsprache von Objekten wie den Silberbechern aus Karashamb und Trialeti zeigen deutliche Einflüsse aus Mesopotamien.

Die soziale Differenzierung im Südkaukasus setzt sich in die Spätbronzezeit ab ca. 1600/1500 v. Chr. fort. Befestigte Anlagen sind entstanden, wie die Festungen bei Lčašen (Sevan See), die Festung auf einem Zeugenberg bei Tsagkahovit oder die seit 2019 untersuchte Anlage Veri Berd bei Lernakert (Aragats Gebirge). Sie zeigen die Konsolidierung der mittelbronzezeitlichen Eliten. Gleichzeitig entwickeln sich neue Dynamiken dieser Eliten untereinander, wenn z.B. die Ritualkeramik aus Lčašen für eine ganze Region stilprägend wird. Auch konsolidieren sich die Verflechtungen mit den Handelsnetzwerken Mesopotamiens, wovon Importe wie z.B. mitannische Siegel Zeugnis ablegen.

Die ökonomischen und sozialen Grundlagen dieser Entwicklungen sind bislang wenig untersucht. Vor allem fehlt ein kohärentes Netz an Radiokarbondaten, die die Komplexe aus älteren Grabungen datieren, an denen die kulturelle Entwicklung bislang definiert ist. Die systematische und umfangreiche Studie zur Dynamik der Entwicklung einer Siedlungsregion am Aragats durch das armenisch-amerikanische ArAGATS Projekt hat zwar neue Daten erbracht, doch nicht die Kultur definierenden Kontexte etwa aus Lčašen, Lori Berd oder anderen Orten erschlossen.

Forschungsziele

Das Ziel des neuen DAI-Projektes zur Spätbronzezeit im Südkaukasus ist es, diese Forschungsdesiderate ins Auge zu fassen und mit einer Kombination aus der Analyse und Edition alter Grabfunde und neuen Ausgrabungen das große historische Potential der spätbronzezeitlichen Fundorte Armeniens zu erschließen.

Neben neuen Datierungen können die systematische Einbindung von bioarchäologischen Ansätzen helfen, die zeitlichen und sozialen Entwicklungen der entstehenden Machtzentren dieser Zeit zu klären. Dazu gehört die vergleichende Analyse von Elite und Nicht-Elitegräbern und begrenzte Grabungen in den Zentren, wie etwa Lčašen, aber auch in weniger prominenten Orten, an denen sich lokale Eliten vermutlich in Abhängigkeit zu den Zentren entwickelten.

Hier bietet sich die Fundregion bei Lernakert an. Sie ist die bislang höchst gelegene Siedlungsregion am Nordhang des Aragats Gebirges. Dort wurden seit 2019 unter der Leitung von Dr. Benik Vardanyan und seinem Team zahlreiche archäologische Fundorte prospektiert, sowie in zwei Festungen und mehreren Gräberclustern Testgrabungen durchgeführt. Es ist ein Grundstock an Gräbern erfasst, auf die Sozial- und Bioarchäologische Analysen aufbauen können und ein Elite-Plot ist erkennbar, indem im Sommer 2023 die erste erfolgreiche gemeinsame Kampagne gestartet wurde. Ein Teil der Gräber ist zudem Teil einer aktuellen paläogenetischen Studie der Eurasien-Abteilung (BIOARCH/ARCHCAUCASUS). In Zusammenarbeit mit dem DAI werden die bisherigen Ergebnisse ausgewertet. Dabei kommen moderne photogrammetrische Dokumentationsmethoden und das DAI-Forschungsdatenmanagement im Rahmen von iDAI.Field zum Einsatz. So konnte bereits 2023 eine armenisch-deutsche Version der Projektdatenbank begonnen und ein großflächiges Geländemodell erstellt werden.

Kooperationspartner ist das Institute of Archaeology and Ethnography, NAS, und in Perspektive das History Museum of Armenia in Yerevan, vertreten durch Dr. Benik Vardanyan, Mariam Saribekyan und Ruben Davtyan. Mit dem Institute of Archaeology and Ethnography, NAS, konnte bereits 2023 ein Kooperationsvertrag geschlossen werden.

Dokumentation des Areals mit einer Drohne © DAI Eurasien-Abteilung // Sabine Reinhold
Großkurgan auf einer Hügelkuppe, gegenüber der Festung Veri Berd © Institut für Archäologie und Ethnographie, NAW RA // Benik Vardanyan
Area XXVII, Steinkurgane mit Cromlech © DAI Eurasien-Abteilung // Dirk Mariaschk
Steinkurgane am Hang unterhalb des Eliteplots © DAI Eurasien-Abteilung // Dirk Mariaschk
Inventar mit Astragalen, Steingeräten und einem Keramikschäufelchen aus Grab 24 © DAI Eurasien-Abteilung // Sabine Reinhold