Deir Anba Hadra (Simeonskloster), ein mittelalterliches Kloster auf dem Westufer von Assuan

Gesamtanblick des ummauerten Klosters von Osten © DAI Kairo // Lena Krastel

Forschung

Ziel der gesamten Unternehmung ist eine systematische und umfassende Erforschung der epigraphischen, architektonischen, kunsthistorischen, keramologischen und archäologischen Zeugnisse des Deir Anba Hadra, um ein besseres Verständnis der Baugeschichte der Klosteranlage, seiner religiösen, sozialen und wirtschaftlichen Funktionen im Gebiet von Assuan, seiner internen Strukturen sowie seiner Verbindungen zu den anderen Klöstern der Region zu erlangen.

- Phänomenologie und Chronologie der epigraphischen Praxis der Region

- Baugeschichte des Deir Anba Hadra

- Bedeutung des Deir Anba Hadra für Assuan und die weitere Umgebung

- Typologie des regionalen Kloster- und Kirchenbaus

- Typologie und Chronologie der lokalen und importierten Keramik

- Wirtschafts- und Handelsgeschichte der Region

- Interaktion von Christen und Muslimen im mittelalterlichen Assuan

Dieses Kloster zog schon früh die Aufmerksamkeit von Reisenden auf sich. Bereits Abu al-Makarim, ein arabischer Autor des späten 12. und frühen 13. Jh. n. Chr., berichtet von einem Kloster des Anba Hadra auf dem Westufer bei Aswan, dass seinerzeit noch in Funktion war. Zu den frühen europäischen Besuchern zählen Richard Pococke, Edmé François Jomard, Vladimir de Bock, George Somers Clarke und Albert Gayet. Am Ende des 19. Jahrhunderts war das Interesse an diesem Kloster so gestiegen, dass die ersten archäologischen Arbeiten initiiert wurden. Georges Maspero führte 1882-1883 Ausgrabungen auf dem Gebiet des Klostergeländes und des dazugehörigen Friedhofs durch. Die während dieser Arbeiten gefundenen oder angekauften Inschriften wurden schließlich von Urbain Bouriant publiziert. Im Jahre 1893 untersuchten Jacques de Morgan, Urbain Bouriant, Georges Legrain, Gustave Jéquier und Alexandre Barsanti das Klosterareal. Während dieser Arbeiten wurden einige Wandinschriften von Bouriant kopiert und die Wandmalereien von Legrain in Aquarell übertragen. Daneben fertigte De Morgan auf den Wunsch Masperos einen Plan des Klosters an. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts – im Jahre 1903 – wurde schließlich Jean Clédat vom Comité de l’Art Arabe der Auftrag erteilt, die Wandmalereien des Klosters zu dokumentieren. Im Zuge dieser Arbeit nahm er auch zahlreiche koptische Graffiti und Dipinti auf. Zudem kamen bei der Freilegung der östlichen Apsis mehrere Grabsteine zum Vorschein, die er 1908 publizierte. Bereits ein Jahr davor, 1907, hatte G. Biondi im Zuge der Neuerwerbungen des Ägyptischen Museums Kairo einige dieser Grabstelen ebenfalls veröffentlicht. In den Jahren 1924 bis 1926 wurde die Klosteranlage schließlich im Auftrag der Generaldirektion der Antikenverwaltung in zwei Kampagnen von Ugo Monneret de Villard archäologisch untersucht und detailliert aufgenommen. 1930-1931 publizierte Henri Munier die bis dato im Deir Anba Hadra gefundenen bzw. dem Kloster zugerechneten Grabinschriften. Seitdem wurde das Kloster kaum mehr beachtet. In den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts nahm Peter Grossmann die architektonischen Strukturen der Klosterkirche auf. 2005 und 2010 dokumentierte Renate Dekker den Putz und einige darauf versehene Inschriften und Wandmalereien. Im März 2013 wurde schließlich ein vom DAI getragener epigraphischer Survey im Kloster durchgeführt. Eine erste Kampagne, in der arabische und koptische epigraphische Arbeiten sowie eine erste Putzanalyse durchgeführt wurden, fand im März 2014 statt. In einer zweiten Kampagne, die im November 2014 stattfand, wurden die Arbeiten an den arabischen und koptischen Inschriften fortgeführt, eine erste Dokumentation der Wandmalereien vorgenommen sowie einige Vorbereitungen für eine eingehende architektonische Untersuchung der Wirtschaftsbauen getroffen. 2015 wurde die Dokumentation der Inschriften und Wandmalereien sowie die Untersuchung und Konservierung der Putz- und Tüncheschichten in der Klosteranlage in zwei Kampagnen fortgesetzt. Erstmals wurden zudem bauforscherische und archäologische Neuuntersuchungen an der Klosterkirche und im Wirtschaftskomplex durchgeführt. Im Jahr 2016 fand einzig eine dreiwöchige Kampagne im Oktober statt, in der die einzelnen Subprojekte weitergeführt wurden.

In der Frühjahrskampagne 2017 wurden die Arbeiten an der arabischen Epigraphik weitergeführt. Zudem konnten die bauforscherischen und archäologischen Untersuchungen zur Klosterkirche und zum Wirtschaftskomplex sowie die Dokumentation der koptischen Inschriften zu einem vorläufigen Abschluss gebracht werden. Eine Auswertung und Veröffentlichung der in den vergangenen Kampagnen gesammelten Erkenntnisse und Ergebnisse wird nun angestrebt. Für den Herbst 2017 ist daher nur noch eine kurze Kampagne vorgesehen, in der die konservatorischen Arbeiten sowie die Dokumenation der Wandmalereien fortgesetzt werden sollen.

Koptische und arabische Epigraphik

Mit der systematischen Aufnahme der koptischen und arabischen Inschriften des Deir Anba Hadra wurde begonnen, indem jede uns bekannte Inschrift eine ID-Nummer entsprechend ihrer Lokalisierung erhielt. Zudem wurden die einzelnen Inschriften vermessen, mit Maßstab fotografiert, einer Putz- bzw. Tüncheschicht zugewiesen sowie kurz beschrieben. Ferner wurde eine erste Transkription der Inschrift vorgenommen.

Mittlerweile wurden die meisten koptischen Inschriften kollationiert, außergewöhnliche Inschriften mittels High Resolution Imaging dokumentiert und von mittels des Plugin DStretch für das Bildbearbeitungsprogramm ImageJ bearbeitet. Zudem wurde die Zuweisung der Putz- und Tüncheschichten mit den bisherigen Erkenntnissen abgeglichen. Alle koptischen Inschriften wurden mittlerweile in einem Katalog erfasst.

Putzanalyse und Konservierung

Die Stratigraphie der einzelnen Putz-, Tünche- und Malschichten wurde vor allem in der Kirche und der angrenzenden Grotte eingehend untersucht. Mit einer Beprobung der einzelnen Schichten wurde begonnen. Daneben wurden Versuche unternommen, Oberflächen zu reduzieren und zu säubern, um eine Verbesserung der Lesbarkeit der Dipinti zu erzielen. Nachdem verschiedene Konservierungstests durchgeführt worden waren, wurde nun begonnen besonders fragile Wandpartien zu festigen, um die darauf befindlichen Malereien und Inschriften langfristig zu erhalten.

Dokumentation der Wandmalereien

Die Malereien, die an zahlreichen Wänden der Klosteranlagen angebracht sind, wurden gesäubert, vermessen, beschrieben und schließlich zeichnerisch und fotografisch dokumentiert. Des Weiteren wurden weitere Untersuchungen der einzelnen Putz- und Tüncheschichten, auf denen die einzelnen Malereien angebracht sind, vorgenommen.

Bauforscherische und archäologische Untersuchung der Wirtschaftsbauten

Die Klosteranlage und die unmittelbare Umgebung wurde nach Spolien von Wirtschaftsbauten hin untersucht und zahlreiche Baufugen, die für die Entwicklung der Wirtschaftsbauten von Belang sind, aufgenommen. Ferner wurden die Wirtschaftsbauten vermessen und anschließend zeichnerisch dokumentiert. In einer weiteren Phase wurden erste Grabungsschnitte angelegt.

Bauaufnahme und archäologische Untersuchung der Klosterkirche

Die Klosterkirche wurde zunächst vollständig vom Sand befreit. Anschließend wurde ein lokales Messnetz eingerichtet und an das Messnetz von Elephantine angeknüpft. Mittels Structure from Motion und dem Programm Agisoft wurden 3D-Modelle der Kirche erzeugt, auf deren Basis Grundriss-, Ansichts- und Schnittzeichnungen im Maßstab 1:20 angefertigt wurden. An besonders gewinnversprechenden Stellen wurden Grabungsschnitte angelegt, um die Baugeschichte der Kirche zu klären.

Archäobotanische Untersuchungen

Die bei den Grabungen in der Kirche und im Wirtschaftstrakt gefundenen organischen Reste wurden teilweise gesiebt und mikroskopisch untersucht.

Für die folgenden Kampagnen sind keramologische Untersuchungen sowie eine gezielte Fundbearbeitung vorgesehen.