Forschung
Die Frage, warum Siedlungen an dem Platz gegründet wurden, an dem sie liegen, kann dabei nicht allein mit archäologischen Methoden beantwortet werden, sondern erfordert die Einbeziehung der physischen Geographie und der Landschaftsarchäologie. Eine Auswertung der verschiedenen Themenstellungen erfolgt daher unter vergleichender archäologischer, historischer und geographischer Perspektive. Auf der Grundlage von Least-Cost-Path Analysen, dem Vorkommen natürlicher Ressourcen und in Kenntnis der Paläo-Umweltbedingungen sowie unter Berücksichtigung historischer Reiseberichte wird die Lage antiker Fundplätze in ihrem Verhältnis zu Interaktionsrouten erforscht. Die überregionalen Zusammenhänge werden zum einen durch klassische Materialstudien (vorwiegend Keramik und Obsidianartefakte) sowie durch naturwissenschaftliche Analysen des metallurgischen und paläozoologischen Fundgutes sichtbar gemacht. Das Ziel ist, die noch bis in die Moderne bestehenden Migrationsbewegungen und Warenströme in ihrer diachronen Perspektive zu erfassen und die Verflechtung stark gegensätzlicher Großräume als ein Phänomen innerafrikanischer Kulturentwicklung zu betrachten.
Unter Hinzunahme publizierter Koordinaten zu antiken Fundplätzen werden die Daten ausgewertet und dienen anschließend als weitere Parameter für die Least-Cost-Path Modelle. Unterstützt werden diese Arbeiten durch die fortlaufenden Studien historischer Karten und Reiseberichte. Auf breiter methodischer Grundlage werden so die Mobilitätssysteme, Siedlungsmuster und Kommunikationswege im äthiopischen Hochland erforscht. Untersuchungen zur Vernetzung mit den angrenzenden Regionen wurden im Rahmen von Arbeitstreffen und Workshops mit Forschungsprojekten im Sudan und am Horn von Afrika fortgesetzt.
Fragestellung
Das nördliche Horn von Afrika war im Altertum kein isoliertes Gebiet, sondern Teil verschiedener Mobilitätssysteme wie Völkerwanderungen, Handel und Austausch. So verbanden in prähistorischer Zeit sowie ab dem 1. Jahrtausend v. Chr. regionale und überregionale Interaktionsrouten das äthiopische Hochland nicht nur mit dem Nahen Osten (insbesondere Südarabien), der über das Rote Meer bis nach Rom, Griechenland und Indien reichte, sondern auch mit dem afrikanischen Kontinent, vor allem mit dem Norden und Nordosten. Ebenso wie die Seewege über das Rote Meer waren auch Flüsse und Flusstäler wie der Nil mit seinen großen Nebenflüssen, das Gash-Delta sowie Trockentäler wichtige Kommunikations- und Handelswege. Häfen wie Adulis im heutigen Eritrea, Berenike oder Mersa/Wadi Gawasis in Ägypten waren Konvergenzpunkte von Routen zwischen Land und Meer. Das Ziel ist, die noch bis in die Moderne bestehenden Migrationsbewegungen und Warenströme in ihrer diachronen Perspektive zu erfassen und die Verflechtung stark gegensätzlicher Großräume als ein Phänomen innerafrikanischer Kulturentwicklung zu betrachten.
Unsere Fragestellung beschäftigt sich damit, ob und wie das äthiopische Hochland bereits vor der Herausbildung komplexer Gesellschaften im frühen 1. Jahrtausend v. Chr. in Ketten des Handels/Austauschs von Waren und des Wissenstransfers in Fernbeziehungen eingebunden war. Das "Land der Götter", wie die Ägypter die Punt-Region nannten, wurde dadurch sozial und wirtschaftlich mit entfernten Nachbarkulturen am mittleren Nil, dem nordöstlichen sudanesischen Gash-Delta und dem Roten Meer (Eritrea) - und vielleicht sogar mit Ägypten - verflochten. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt liegt auf der Rekonstruktion der Siedlungsmuster und Verbindungswege innerhalb des äthiopischen Hochlands sowie zu den nördlich und östlich anschließenden Gebieten bis zum Roten Meer (Eritrea) und den südlich und südöstlich anschließenden Gebieten im heutigen Djibouti sowie die somalische Küste.
Aktuelle Forschungen
Über die Auswertung historischer Karten und Reiseberichte sowie neuester Satellitenbilder konnte nachgewiesen werden, dass die Wegesysteme in der Rama-Region über Jahrhunderte hinweg bis in die Neuzeit begangen wurden. Diese andauernde Nutzung ließ sich durch die Nähe zu den antiken Zentren Aksum und Yeha sogar bis ins frühe 1. Jahrtausend v. Chr. zurückverfolgen. Mittels Befunden und Funden von Surveys und Sondagen konnte nachgewiesen werden, dass die Region von Rama bereits im 2. Jahrtausend v. Chr. in ein innerafrikanisches Netzwerk eingebunden war und Kontakte zur Kassala-Region im ostsudanesischen Tiefland bestanden. So lassen sich tönerne Stierfigurinen sowie Keramik mit einer charakteristischen Kombination aus Ritz- und Stempelverzierung über Thermolumineszenzdatierungen (3700 - 3200 BP) in das 2. Jahrtausend v. Chr. datieren und mit entsprechendem zeitgleichem Material des ostsudanesischen Tieflandes vergleichen. In Kooperation mit der Physischen Geographie der FU Berlin erfolgten darüber hinaus Studien zum Einfluss geographischer Erosionsrinnen auf die Entstehung und Anpassung von Wegesystemen. Ein Drittel der erforschten Erosionsrinnen in der Rama-Region wurde durch menschliche Einwirkung verursacht, was wiederum dazu führte, dass sich Wegesysteme an diese Landschaftsveränderungen anpassten und Zugänglichkeiten stetigen Veränderungen unterworfen waren.
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