Forschung
Ziel der Untersuchungen ist die geoarchäologische Erkundung des bislang vermuteten Osthafens von Selinunt und die paläogeographische Rekonstruktion der heute verlandeten Meeresbucht, die einst den Hafen beherbergte. Konkret soll ein räumliches und chronologisches Modell der Verlandung der Bucht entwickelt werden, welches es erlaubt, die Entwicklung von Selinunt mit landschaftsgeschichtlichen Ereignissen wie Meeresspiegelschwankungen, Küstenlinienveränderungen oder Vegetationsveränderungen zu verknüpfen und die wechselseitigen Einflüsse von Umwelt- und Siedlungsgeschichte zu beleuchten.
Seit Sommer 2020 finden umfangreiche Feldarbeiten im Gorgo Cotone Tal, zwischen Siedlungshügel der Manuzza und dem Osthügel von Selinunt, statt. Dabei kommt das Rammkernverfahren zum Einsatz (Abb. 2), mit dem der Untergrund entlang von Transekten quer und längs des Talverlaufs erschlossen wird.
Die aus den Tiefensondierungen geborgenen Sedimentkerne zeigen den lithostratigraphischen Aufbau des Talbodens und informieren über die räumliche Verbreitung von marinen Ablagerungen (Abb. 3). Zur genaueren Auswertung der Kerne werden die Sedimente im Labor nach sedimentologisch-paläoökologischen Kriterien untersucht. Ein wichtiger Bestandteil der Laboruntersuchungen ist das Schlämmen der Proben auf pflanzliche und tierische Reste und archäologische Funde, die anschließend unter einem Mikroskop bestimmt und ausgezählt werden. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf Analyse von Mikrofossilien (Abb. 4), da die erbohrten Sedimente reich an Ostrakoden und Foraminiferen sind und ein großes Potential für die hochauflösende Rekonstruktion von Hafen- und Verlandungsphasen besitzen. Zugleich werden botanische (Makroreste und Pollen), geochemische und geophysikalische Analysen angewandt. Zur Erstellung eines chronologischen Modells werden ausgewählte stratigraphische Einheiten mit der Radiokohlenstoffmethode datiert.
Die Ergebnisse der sedimentologischen Untersuchungen fließen in eine GIS-Plattform ein, mit der alle anfallenden Raumdaten erfasst, modelliert und visualisiert werden. Ziel ist es, Paläo-Geländemodelle zu erzeugen, die die Verlandungs- und Hafengeschichte von Selinunts östlicher Meeresbucht zu verschiedenen Zeitscheiben wiedergeben.
Ein Desiderat in der langjährigen Forschungsgeschichte der antiken Küstenstadt Selinunt war bislang nicht nur die Lokalisierung der Hafenanlagen und deren Anbindung an die Stadt, sondern auch die naturräumlichen Voraussetzungen der Häfen.
Das Projekt Groundcheck Selinous beschäftigt sich mit der Frage nach der Lage und Abgrenzung der Meeresbucht, die einst den Hafen beherbergte, deren räumlicher und zeitlicher Entwicklung und der Hafengeschichte aus geoarchäologischer Sicht.
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