Guadalupe: Kulturelle Interaktion und vorspanische Siedlungsgeschichte im Nordosten von Honduras

Grabung © DAI-KAAK // Markus Reindel

Raum & Zeit

Forschungsgebiet

Die Region ist durch eine dichte, tropische Vegetation geprägt. Hinzu kommen landwirtschaftlich genutzte Flächen, wobei es sich dabei an der Küste vor allem um Weideland und kleinere Felder handelt, während im Aguán-Tal große Palmöl- und Bananenplantagen die Landschaft prägen.

Der im Rahmen des Projekts ausgegrabene Siedlungshügel befindet sich heute in der Südwestecke des Geländes der örtlichen Grundschule. In präkolumbischer Zeit bildete er jedoch wahrscheinlich einen zentralen Platz innerhalb einer Siedlung, welche sich auf einer Terrasse am Westufer des Río Davíd erstreckte. Anhand des geborgenen Fundmaterials lässt sich die Nutzung in die späte Selin-Periode (900-1000 n. Chr.) und die Cocal-Zeit (1000-1525 n. Chr.) datieren.

Geschichtlicher Hintergrund

In der Präklassik um 2000 v. Chr. nimmt die Menge an Daten langsam zu und in einigen Gebieten, etwa dem Sula-Tal und Copán-Tal, lassen sich eine sesshafte Lebensweise und die Produktion von Keramik nachweisen. Leider beschränken sich die Funde präklassicher Siedlungen bisher auf den westlichen Teil des Landes. In den östlich liegenden Gebieten konnten Informationen derzeit nur aus Höhlen gewonnen werden, welche als Begräbnisstätten genutzt wurden (Cuevas de Cuyamel und Cuevas de Talgua im Departamento Olancho).

Ebenso wie in der Präklassik, konnten auch Siedlungen der mittleren (1000-300 v. Chr.) und der späten Präklassik (300-250 v. Chr.) bisher nur im westlichen Teil von Honduras nachgewiesen werden. Als größte und bekannteste regionale Zentren dieser Zeit gelten Los Naranjos am Nordufer des Lago de Yojoa, Yarumela im Valle de Comayagua und die Baide Site nahe Santa Bárbara. Die dort errichtete Monumentalarchitektur lässt auf die Ausbildung hierarchischer Gesellschaften und ein damit einhergehendes Bevölkerungswachstum schließen. Zudem zeugen gefundene Importgüter wie Jade und Obsidian von einem weitreichenden ökonomischen Netzwerk.

Während in der frühen Klassik (250-600 n. Chr.) in Westhonduras mit der Gründung der Mayadynastie in Copán um 426 n. Chr. ein Machtzentrum entstand, welches großen Einfluss auf die Weiterentwicklung der Siedlungen der Region hatte, lassen sich aus dieser Zeitperiode auch erstmals Siedlungen im östlichen Honduras nachweisen. An der Nordostküste, im Culmí-Tal und auf der Insel Utila konnten kleinere Fundplätze dokumentiert werden (z.B. die Selin-Cocal Farm und die Chiapas Farm in der Nähe von Trujillo oder 80 Acres auf Utila), während größere Zentren im Landesinneren gefunden werden konnten, beispielsweise Dos Quebradas im Departamento Olancho. Obwohl bisher nur sehr wenig Forschung betreiben wurde, kann angenommen werden, dass im östlichen Landesteil eher eine eigenständige Entwicklung stattgefunden hat, da kaum Anzeichen für eine Interaktion mit den westlichen Gebieten vorliegen.

Die nachfolgende Periode, die späte Klassik (600-900 n. Chr.), ist die zurzeit am besten erforschte Epoche. In vielen Regionen von Honduras war sie mit einem starken Bevölkerungswachstum und der Ausbildung großer regionaler Zentren verbunden, wobei jedoch der Bau monumentaler Gebäude abnahm. Im westlichen Teil des Landes erlebte Copán seine Blütezeit und die Siedlungen der Region weisen in Architektur und materieller Kultur eindeutige Verbindungen zum Mayazentrum auf. Im Osten hingegen scheinen weiterhin lokale Entwicklungen vorgeherrscht zu haben. Als wichtige Fundorte der späten Klassik gelten in Osthonduras Siedlungen wie Talgua und San Marcos im Departamento Olancho, Williams Ranch in der Nähe Trujillos und Charly Brown auf der Insel Roatán.

Für die Postklassik bzw. Cocal-Zeit (1000-1519 n. Chr.) sind die Daten bisher rar. Im westlichen Honduras können Naco im gleichnamigen Tal und Las Vegas am Río Humuya als wichtigste regionale Zentren bezeichnet werden, während in anderen Teilen von Westhonduras die politische Zentralisierung nicht mehr so stark ausgeprägt zu sein schien. Im Gegensatz dazu steht die erhöhte Siedlungsaktivität und zunehmende Hierarchisierung der Cocal-Periode im östlichen Teil des Landes. Im Vergleich zur vorangegangenen Selin-Periode sind die Siedlungen größer und zeigen eine formalere Planung. Eine wichtige Fundstelle in der Nähe Trujillos ist Río Claro, welche als bisher größte bekannte Siedlung der Nordostküste gilt. Daneben waren auch die Islas de la Bahía ein wichtiger Anlaufpunkt für zeremonielle Aktivitäten und Siedlungen. Das Projekt in Guadalupe zeigt, dass die vorspanische Siedlung genau in diese Phase fällt und in der Region bis zur Ankunft der Spanier bei Trujillo um 1500 n. Chr. ein größeres Austauschnetzwerk mit einer dichteren Besiedlung vorherrschte als bisher angenommen.