Guadalupe: Kulturelle Interaktion und vorspanische Siedlungsgeschichte im Nordosten von Honduras

Grabung © DAI-KAAK // Markus Reindel

Kulturerhalt

Die mehrjährigen Forschungen und Ergebnisse des archäologischen Projektes Guadalupe haben zu einem Umdenken auf lokaler Ebene geführt. Obgleich es sich bei den heutigen Bewohner:innen Guadalupes überwiegend um Garífuna handelt, deren afrikanische Vorfahren im 17. Jahrhundert als Sklav:innen in die Karibik und von dort ans mittelamerikanische Festland gelangten, fühlen sich diese Menschen an der honduranischen Küstenregion heimisch. Der Kontakt zum Forschungsteam, die Mitarbeit auf der Grabung und die neu erlangten Erkenntnisse über die die lange und bedeutende Kulturgeschichte des nordöstlichen Honduras haben das Interesse an der Geschichte ihrer Region geweckt. Somit tragen die archäologischen Forschungen zu einer gewissen Identitätsfindung bei, obwohl die heutige Lokalbevölkerung keine genetischen Nachfahren der präkolumbischen Gruppe ist. Dagegen leben in der Region weitere indigene Gruppen wie die Pech, von denen noch nicht geklärt ist, ob sie möglicherweise Nachfahren der vorspanischen Bevölkerung sind, die im heutigen Departamento Colón gesiedelt haben. Hier besteht die Hoffnung, dass mit dem Projekt auch diese Gruppen erreicht werden können, wofür bereits Besuche in Pech-Dörfern stattfanden. Dabei konnte das Team auch Wissen z.B. über die Bajareque-Architektur sammeln, von der ebenfalls Überreste bei den Grabungen in Guadalupe entdeckt worden waren.

Auf Wunsch der Bevölkerung von Guadalupe und der benachbarten Ortschaften bis hin zur Departamentshauptstadt Trujillo wurde auf dem Schulgelände in Guadalupe, also nur wenige Meter neben dem ehemaligen Grabungsschnitt, ein kleines Museum zur Präsentation der Ergebnisse der archäologischen Forschungen errichtet. Neben einem Ausstellungsraum enthält der Neubau auch das Funddepot aller in Guadalupe geborgenen Objekte, einen Mehrzweckraum für die Nutzung durch die Schule und Forschende sowie moderne sanitäre Anlagen für Kinder und Lehrkräfte. Der Bau dieses Museums ist auch Teil des Konzepts einer sinnvollen touristischen Erschließung der Küstenregion zwischen Trujillo und Guadalupe. Sowohl bei der Errichtung des Gebäudes als auch im späteren Museumsbetrieb wurden außerdem Arbeitsplätze geschaffen, die in der strukturschwachen Region einen kleinen Beitrag zur Verringerung der Armut leisten können.

Die Bauarbeiten des Museums begannen Ende 2019, mussten jedoch wegen der Covid-19-Pandemie und der damit verbundenen Ausgangssperren und Abriegelung des Gebiets um Guadalupe zeitweise unterbrochen werden. Zudem sorgten heftige Hurricans und damit einhergehende Überschwemmungen zu einer Baupause im Herbst 2020. Im Frühjahr 2023 aber konnte das Museumsgebäude endlich fertig gestellt und die Ausstellung am 1. April 2023 unter großer öffentlicher Aufmerksamkeit eröffnet werden. Seitdem öffnet das Museum täglich den Dorfbewohner:innen, den Schulkindern und insbesondere Touristen und Touristinnen seine Tore.

Des Weiteren konnte für ein europäisches Publikum in Zusammenarbeit mit dem Museum Rietberg in Zürich eine Sonderausstellung mit dem Titel „Die vergessene Küste“ über die Archäologie in Zentralamerika konzipiert werden, in deren Mittelpunkt die Forschungen und Funde des Projekts Guadalupe standen. Nach der Präsentation in Zürich (Januar bis Juni 2021) war die Ausstellung anschließend im BASA-Museum an der Abteilung für Altamerikanistik in Bonn zu sehen (Oktober 2021 bis Februar 2022). Ziel der Ausstellung war es, den Blick auf eine Region der Welt zu lenken, die bisher weder für Archäolog:innen noch für das (Fach-)Publikum von größerem Interesse war. Die Ausstellung sollte zeigen, dass neben dem gut erforschten Andenraum und Mesoamerika mit seinen imposanten Monumentalbauten auch in Zentralamerika beeindruckende kulturelle Entwicklungen stattgefunden haben. Ein Kurzrundgang mit Kurator Dr. Peter Fux durch die Züricher Ausstellung in Videoform findet sich auf Youtube (https://www.youtube.com/watch?v=Pr9x4i24XPY).

Außerdem entstand im Rahmen der Ausstellung ein 50-minütiger Dokumentarfilm über das Projekt Guadalupe, das Nachfolgeprojekt Colón und die archäologischen Feldforschungen in Honduras. Die Dokumentation wurde zudem auf Spanisch synchronisiert, wodurch sie auch von Menschen in Honduras geschaut werden kann. Sie ist auf Youtube frei zugänglich (https://www.youtube.com/watch?v=RdPTj03j8Dw und https://www.youtube.com/watch?v=aDt16edVeeM).

Der Grabungsschnitt von 12 m Länge und 2 m Breite erstreckte sich von der Kuppel bis zum Fuß des Siedlungshügels. Er wurde in vier Grabungseinheiten (Unidades) aufgeteilt und in künstlichen Schichten von 10 cm ausgegraben. Jedes so entstehende Planum wurde umfassend dokumentiert, gezeichnet und fotografiert. © DAI-KAAK // Markus Reindel
Auf der Grabung konnten riesige Mengen Keramik geborgen werden, die nach dem Waschen auf dem Schulgelände zum Trocknen ausgelegt wurden. Dank der karibischen Sonne dauerte dies nur wenige Stunden. © DAI-KAAK // Markus Reindel
Luftbild der modernen Ortschaft Guadalupe. Der Grabungsplatz befindet sich auf dem Pausenhof der Dorfschule im vorderen Teil des Bildes, der von hohen Bäumen verdeckt wird. © DAI-KAAK // Markus Reindel
Rekonstruktionszeichnung der Aktivitäten am ergrabenen Fundplatz in Guadalupe. Solche Interpretationen sollten stets mit Vorsicht genossen werden, da zum aktuellen Zeitpunkt keinerlei Aussagen bspw. über das äußere Erscheinungsbild der Menschen, Tracht, Schmuck und Ablauf der Rituale getroffen werden können. Trotzdem können sie dabei helfen, das Leben damals auf Basis der archäologischen Funde und Befunde besser vorstellbar zu machen. © DAI-KAAK // Jill Mattes
Vollständig erhaltene oder Fragmente von Tonflöten, Ocarinas genannt, belegen, dass die präkolumbischen Einwohner:innen Guadalupes musiziert haben. © DAI-KAAK // Paul Bayer
Die Formen und Dekorationen der Gefäßkeramiken umfassen ein breites Spektrum. Mithilfe der Handzeichnungen, Fotos und 3D-Scans war es Franziska Fecher möglich, einzelne Keramiktypen auszumachen und diese in ihrer Dissertation übersichtlich darzustellen. Diese Übersicht, Typologie genannt, bildet eine gute Grundlage für weitere Forschungen in Nordosthonduras. © DAI-KAAK // Franziska Fecher
Nach Freilegung einer Bestattung in den untersten Schichten ließen sich die fehlenden Skelettteile deutlich feststellen: Dem bestatteten Individuum fehlten der Schädel, rechter Arm, Becken und die Oberschenkelknochen, wohingegen die anderen Körperteile in anatomisch korrekter Lage vorgefunden wurden. © DAI-KAAK // Timea Remsey
Anhand von Dünnschliffanalysen lassen sich die einzelnen Magerungsbestandteile des Tons, aus dem die Keramik gefertigt wurde, bestimmen. Diese können wiederum Hinweise auf die Produktionsorte, Handel und Beziehungen zu anderen archäologischen Fundorten geben. © DAI-KAAK // Mike Lyons
Nach langen Baumaßnahmen konnte das neue Museum in Guadalupe auf dem Gelände der Grundschule, wo die Grabungen 2016-2019 stattgefunden hatten, am 1. April 2023 feierlich eröffnet und der Garífuna-Gemeinde übergeben werden. Ehrengäste waren Thomas Strieder (Geschäftsträger der deutschen Botschaft in Tegucigalpa), Rolando Canizales (Generaldirektor der Denkmalbehörde von Honduras), Roberto Miranda (Vertreter Erziehungsministerium von Honduras), Hector Mendoza (Bürgermeister von Trujillo), Noel Ruiz (Verbandsbürgermeister von Santa Fé), sowie die Leiterin der Grundschule von Guadalupe, Mildred Fernández. © DAI-KAAK // Adrien Martinet
Blick in die 2023 eröffnete Dauerausstellung des neu errichteten Museums in Guadalupe auf dem Gelände der Grundschule. Zu sehen sind Funde aus der Ausgrabung 2016-2019, die nur wenige Meter vom jetzigen Museum entfernt durchgeführt wurde. Das Museum ist in Absprache mit der Grundschulleitung täglich für interessierte lokale Besucher*innen und Tourist*innen geöffnet. © DAI-KAAK // Mike Lyons