Forschung
Ausgangspunkt bildete die Auswertung von historischen Karten, die für die Region zahlreich vorliegen. Hier sind vor allem der Atlas der Description de l’Égypte (1828), die von El-Falaki herausgegebene Karte des Deltas (1871/1911) und die zahlreichen Editionen des Survey of Egypt, vor allem die Ausgaben der 1910er- bis 1930er-Jahre, zu nennen. Die Survey of Egypt-Karten im Maßstab 1:25000 (1924–1937) wurden aufgrund ihrer detaillierten topografischen Information in AutoCAD vollständig digitalisiert. Sie bildeten die Grundlage für den im ersten Schritt erstellten Gesamtplan und ein darauf basierendes erstes digitales Höhenmodell. Diese Informationen wurden mit historischen Luftbildern der 1950er-Jahre und Corona-Satellitenbilder aus dem Jahre 1968 sowie aktuellen Google Earth-Satellitenbildern verknüpft. Die Daten sind inzwischen in einem GIS (Geographic Information System) zusammengefasst. Einen entscheidenden Fortschritt im Verständnis der Landschaft lieferte die Auswertung des digitalen Höhenmodells des TanDEM-X-Satelliten, das durch eine Kooperation mit dem Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum für das Projekt genutzt werden konnte. In den Feldkampagnen wurden die Siedlungsplätze aufgesucht und durch Oberflächenbegehungen untersucht. Neben erhaltenen Siedlungshügeln gibt es in dieser Region zahlreiche durch moderne Friedhöfe oder Siedlungen überbaute oder zu Feldern eingeebnete Plätze. Bohrungen wurden durchgeführt, um die tiefer liegenden Siedlungsschichten und den natürlichen Untergrund zu erfassen. Die an der Oberfläche und aus dem Bohrkopf gewonnenen Keramikfragmente liefern die Grundlage für die Datierung. Die Arbeit im Feld besteht aus der Dokumentation, dem Sammeln von Oberflächenkeramik, den Bohrungen und an ausgewählten Stellen der Vermessung des Fundorts. Neben Plätzen, die in historischen Quellen dokumentiert sind, wurden auch auffällige topografische Formationen, wie Erhebungen oder spezifische Kanalverläufe, als mögliche bisher nicht erfasste Reste von Siedlungsplätzen aufgesucht. An einem ausgewählten Fundplatz, dem Kom el-Gir, kam auch magnetische Prospektion und elektrische Widerstandsmessung zum Einsatz. Die magnetische Prospektion am Kom el-Gir erbrachte den detaillierten Grundriss einer griechisch-römischen Siedlung, die die Grundlage für ein neues Grabungsprojekt bildete. Im Rahmen eines Kooperationsprojekts mit der Goethe-Universität Frankfurt am Main (J. Wunderlich, A. Ginau, M. Seeliger, M. Altmeyer) finden im Umland von Buto und auf dem Tell von Buto geomorphologische Bohrungen statt. Die bei den Bohrungen gewonnenen Sedimente werden vor Ort untersucht, um dadurch Aufschluss über die Lage ehemaliger Flussläufe und Veränderungen des Naturraums im Laufe der Zeit zu gewinnen. Neben visuellen Bestimmungen werden auch mithilfe eines pXRF-Gerätes (portable X-rayfluorensce) geochemische Analysen vorgenommen. So liegt ein Augenmerk auf der diachronen Veränderung der Beschaffenheit des Nilschlamms, der das primäre Baumaterial für die Siedlungen darstellte.
Das nördliche Zentraldelta ist kaum erforscht. Abgesehen von wenigen kurzen Abhandlungen in der ersten Hälfte des 20. Jhs. (Hogarth 1904; Edgar 1911; Daressy 1926) blieb dieser Bereich weitgehend außerhalb des ägyptologischen Interesses. Ende des 20. und Anfang des 21. Jhs. rückte das Gebiet durch die Arbeit des Delta-Surveys der Egypt Exploration Society und die damit verbundenen Projekte (Spencer 1992; Wilson und Grigoropoulos 2009) wieder stärker in das Blickfeld archäologischer Forschung. Die Stadt Buto nimmt dank ihrer antiken Bedeutung und ihrer langjährigen archäologischen Erforschung durch das DAI Kairo eine herausragende Rolle in der westlichen Region des nördlichen Deltas ein. Ausgehend von Buto wurden in der Vergangenheit kurze Surveys in der Umgebung dieser Stadt unternommen (von der Way 1984; Ballet und von der Way 1993). Die Rekonstruktion der Landschaft auf regionaler Ebene war schon in den 1980er-Jahren Forschungsthema. Hier konnten die Arbeiten von Jürgen Wunderlich (Wunderlich 1989), auf Grundlage zahlreicher Bohrungen und der Auswertung früher Satellitenbilder, grundlegende Erkenntnisse zur Landschaftsentwicklung liefern. So reichte ein Vorläufer des heutigen Burullus-Sees noch zurzeit des Alten Reichs (3. Jt. v. Chr.) wesentlich weiter nach Süden, bis etwa 4 km nördlich von Buto. Das nördliche Drittel des aktuellen Untersuchungsgebiets war in dieser Phase also noch von Wasser bedeckt.
Vorrangiges Ziel ist die Klärung der Siedlungsgeschichte der Region und eine Rekonstruktion der antiken Landschaft, vor allem der antiken Wasserläufe. Die diachrone Untersuchung der Verteilung des antiken Siedlungsnetzes in der Region soll Beiträge zu menschlichen Anpassungsstrategien in einem sich dynamisch verändernden Naturraum liefern. Die Erschließung eines großen neuen Siedlungsraums in hellenistischer-spätrömischer Zeit ist von Interesse für die historische Forschung dieser Epochen im Mittelmeerraum.
- Wann wurden die Siedlungen in der Region gegründet und wann wurden sie aufgegeben?
- Welche Areale wurden für Siedlungen genutzt und wie erklärt sich die Verteilung von Siedlungen?
- Mit welchen Veränderungen ...
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