Forschung
Neben Datierungskriterien und formal-technologischen Aspekten ist dank des immensen Fortschritts von naturwissenschaftlichen Methoden auch immer mehr die Gefäßnutzung in den Vordergrund getreten – zusätzlich zu volkskundlichen, experimentellen und formalen Betrachtungen. Insbesondere hat hier das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung bis Anfang 2019 geförderte erfolgreiche Projekt BEFIM („Bedeutungen und Funktionen mediterraner Importe im früheisenzeitlichen Mitteileuropa“-> https://www.befim.gwi.uni-muenchen.de/), an dem auch das DAI Abt. Rom als Partner beteiligt war, weitere Pionierarbeit insbesondere im Bereich der ORA (Organic residue analysis) geleistet: Aufgrund der sich in der porösen Keramikwandung absetzenden und auch nach Reinigungsvorgängen gut erhaltenen Lipide können anhand charakteristischer Biomarker organische und pflanzliche Rückstände wie (fermentiertes) Obst, Wein, Öle, Harze, Milch, Fett, Blut, Bienenprodukte (Honig, Wachs) nachgewiesen werden - auch wenn makroskopisch keine Inhaltsreste mehr nachzuweisen sind.
Erstmals sollen nun in einem West-Ost-Transekt Unterschiede und Übereinstimmungen in Technologie, Technologietransfer, Formentwicklung und Nutzung zwischen den Kulturen des Westhallstattkreises, der Golasecca- und Estekultur, den alpinen Kulturen sowie Westslowenien aufgezeigt werden. Technologische, formale und naturwissenschaftliche Detailuntersuchungen vom Mont Lassois im Burgund über Oberitalien bis in den adriatischen Raum hinein sollen unter anderen klären, in welchem Maße eine gegenseitige kulturelle und technologische Beeinflussung über Kommunikations- und Handelswege oder gar via Wanderhandwerk stattgefunden hat.
Ausgehend von der derzeitigen Bearbeitung eines golaseccazeitlichen Fundkomplexes in Sesto Calende (mit Mauro Squarzanti/Museo Civico di Sesto Calende; B. Grassi/SABAB Milano) sowie technologischen Beobachtungen an Keramik des Westhallstattkreises ergeben sich diverse Fragestellungen: Wurden die in Sesto Calende (Via Marconi) aufgefundenen attischen und keltischen Schalen für spezielle Verwendungszwecke genutzt (=außergewöhnlicher Inhalt?), die auch auf die Nutzung des Areals (Siedlung oder Ritualgeschehen?) hindeuten? - Welche Substanzen sind in den auch im Westhallstattkreis vorkommenden sog. Golasecca-Becher zu finden, wie sind diese innerhalb des kulturellen Fremdkontextes zu deuten? - Was verbindet und was unterscheidet die Aufbautechnik der Gefäße sowie ihre Nutzung innerhalb und zwischen den obengenannten Kulturgruppen (Technologietransfer?)? - Welche Zusammensetzungen weist die ORA z.B. in Kochtöpfen, Sieben, Vorratsgefäßen, in Fein- und Grobkeramik nach? Sind die Gefäßinhalte in unterschiedlichen Kontexten dieselben (Grab – Siedlung)? - In den golaseccazeitlichen Fundkomplexen fallen überdies hohe schwarzglänzende Fußgefäße (Breitformen) auf, die sich zeitlich etwas versetzt auch u.a. im westhallstättischen Raum (hier allerdings Hochformen) sowie entlang der Alpen bis zur Sveta Lucija-Gruppe beobachten lassen. Hier ist eine Adaption, ein Ideen- oder Technologietransfer sehr wahrscheinlich, aber noch nie im Detail an Keramikobjekten untersucht worden.
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