Die Bilderwelt der unteritalischen Kammergräber

Archäologisches Museum in Foggia, bemalter Giebel der Tomba della Nike aus Arpi. Beprobung 2019. © DAI Rom // C. Colombi

Forschung

Das Projekt „Bilderwelt“ untersucht die bemalten Gräber aus den Nekropolen der daunischen, peuketischen, messapischen, lukanischen, kampanischen und samnitischen Volksgruppen, die sich in den heutigen italienischen Regionen Apulien, Basilikata, Kalabrien und Kampanien befinden. Die berücksichtigte Zeitspanne umfasst hauptsächlich die spätklassische und frühhellenistische Periode und betrifft somit das 4. und 3. Jh. v. Chr., mit möglichen Ausblicken auf jüngere Gräber aus dem 2. und 1. Jh. v. Chr. Die in diesen Regionen ansässigen italischen Volksgruppen standen schon seit Jahrhunderten in Kontakt und Austausch sowohl mit griechischen als auch mit anderen Bevölkerungsgruppen aus dem östlichen Mittelmeerraum sowie auch mit den in Mittelitalien ansässigen Etruskern. Seit dem 4. Jh. v. Chr. intensivieren sich diese Kontakte zunehmend: Die italischen Volksgruppen treten sowohl vermehrt in Kontakt untereinander als auch mit der Welt der Makedonen und Ostgriechen, mit den etruskischen Handelspartnern und mit der aufkommenden neuen Macht Roms. Es handelt sich nicht um eine statische Welt, sondern um ständige Bewegungen und Transferprozessen von Kunstformen, Ideen, Gegenständen und Personen, die zu einer komplexen Verflechtung von Phänomenen kultureller Übertragung geführt hat. Solche Phänomene finden in der Grabmalerei und Grabarchitektur Unteritaliens einen interessanten Niederschlag: Die Kunstform der Grabmalerei an sich ist vor dem 4. Jh. v. Chr. in den einheimischen Zentren Unteritaliens kaum belegt, erlebt aber seit der Mitte des Jahrhunderts einen großen Aufschwung – was als Folge der vermehrten Kontakte zu Makedonien und als Resultat der Beeinflussung durch die griechische Stadt Tarent betrachtet wird. Die aufwendig dekorierten Grabmonumente verbinden oft lokale Traditionen mit fremden Elementen. So wird beispielweise das Tonnengewölbe aus Makedonien in die einheimischen Gräber integriert. Ebenso werden ikonographische Chiffren der ‚hellenisierten’ Welt wie die Rankenfriese mit Motiven wie dem ‚lukanischen Reiter’ kombiniert, deren Ursprung in Kampanien zu suchen ist. Dabei soll auch der Frage nachgegangen werden, wie die künstlerischen und bildlichen Anregungen aus anderen Gebieten nach Unteritalien kamen. Wie gestalteten sich die Rezeption und Adaption der Bildchiffren und welche Schlüsse können aus diesem aktiven Aneignungsprozess in Bezug auf die Identitätsbildung der unteritalischen Oberschichten gezogen werden?

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Canosa, Tomba del Cerbero. © DAI Rom // C. Colombi
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Archäologisches Museum in Foggia, Wände der Tomba dei Cavalieri aus Arpi. Beprobung 2019. © DAI Rom // C. Colombi