Buto. Forschungen zur Siedlungs- und Umweltgeschichte

Blick zum Kom von Norden aus. © DAI Kairo // U. Hartung

Forschung

Forschungen in Buto zu Siedlungsentwicklung und Umweltgeschichte

Kernbereich der Arbeiten in Buto sind die Erforschung der Siedlungsentwicklung, der antiken Siedlungstopografie und die naturräumliche Einbindung. Auch wenn spätere Perioden wie die Spätzeit und ptolemäisch-römische Epoche in geringerem Umfang untersucht wurden, lag der Schwerpunkt der Arbeiten des DAI seit 1983 auf den prä- und frühdynastischen Perioden. Darauf aufbauend soll nun das sich anschließende Alten Reich im Fokus der Untersuchungen stehen. Ziel ist ein detailliertes Verständnis der antiken Siedlungstopografie des in altägyptischen Quellen als Doppelstadt bezeichneten Orts und deren Entwicklung bis zum Siedlungshiatus am Ende des Alten Reichs. Im Bereich der bereits durch die Arbeiten von U. Hartung erfassten und untersuchten frühzeitlichen Strukturen am westlichen Rand des Siedlungshügels sind jedoch keine Schichtungen des Alten Reichs mehr erhalten. Bohrungen in anderen Bereichen verweisen aber hingegen auf intensive Schichtpakte aus dieser Zeit. Diese zukünftigen Ausgrabungen sollen, aufbauend auf den bisherigen Ergebnissen, verschiedene Fragestellungen zur antiken Siedlungstopografie und deren Wandel verfolgen, wie z. B.: Deutet die Aufgabe der residenzartigen Anlage der Frühzeit auf einen (sozio-politischen) Bruch, wie er sich auch bei anderen Siedlungsorten im Delta widerspiegelt? Oder handelt es sich dabei nur um eine siedlungsinterne Veränderung, wobei sich die grundsätzliche Rolle Buto nicht wesentlich verändert?

Gleichzeitig dienen die Arbeiten als weiterer Baustein zur Rekonstruktion der Siedlungsentwicklung und Anbindung sowie Klima- und Umweltgeschichte. Dieses Vorahnden wurde unter U. Hartung und in Kooperation mit P. Ballet, T. Herbich, J. Wunderlich, R. Schiestl begonnen. Bereits in den frühen 2000er-Jahren wurde in Zusammenarbeit mit T. Herbich mit einem Bohr- und geophysikalischen Survey begonnen, der sich aber auf die westliche Hälfte des Siedlungshügels beschränkte. Im Osten wurden bislang nur kleinere Ausschnitte geomagnetisch erfasst und die Entwicklung kann bislang nur vage nachvollzogen werden. Auch wenn es sich bei der Mehrheit der geomagnetisch sichtbaren Strukturen um Bauten der jüngeren Phasen, also ab der Spätzeit handelt, die nicht den Forschungsschwerpunkt des DAI in Buto darstellen, so ist ein vollständiges Bild der Gesamtentwicklung Butos ein wertvoller Beitrag für die Geschichte des Orts und der Region über die Jahrtausende hinweg. Ein weiterer Forschungszweig beschäftigt sich mit der Umwelt- und Klimageschichte sowie mit der Ernährung. Daten dazu werden seit Längerem durch die diversen Projekte in Buto und Umgebung zusammengetragen. Dazu zählen neben den archäologischen Arbeiten auch Untersuchungen zur Landschafts- und Wasserwegrekonstruktion, z. B. durch Bohrungen und Sedimentanalyse (J. Wunderlich, M. Seeliger). Während sich die bisherigen Ergebnisse besonders für die römische Periode zu einem soliden Gesamtbild zusammenfügen lassen, konnten die älteren Perioden bislang kaum einbezogen werden. Diese Lücke soll zukünftig geschlossen werden, indem auch eine engere Kooperation mit anderen Projekten wie Survey Kom el-Gir – eine ptolemäisch-römische Siedlung im Nildelta (R. Schiestl) angestrebt wird.

Methoden

Neben Ausgrabungen haben sich systematische Begehungen, bestehend aus einer Kombination von Magnometermessungen, Bohrprospektionen sowie archäologische Begehungen mit Kartierung der Oberflächenbefunde und Fundkonzentrationen bewährt. Mit den Ergebnissen wird nicht nur der chronologische und topografische Rahmen der Besiedlungsgeschichte des Fundplatzes fassbar, sondern diese bilden zugleich die Grundlage und eine wertvolle Hilfe bei der Auswahl geeigneter Plätze für Ausgrabungen zu verschiedensten Fragestellungen. Durch die Grabungen müssen die Ergebnisse der Begehungen verifiziert und konkretisiert werden.

Arbeiten in Buto

Auch wenn erste Besuche wie von W.M.F. Petries und archäologische Arbeiten durch C.T. Currelly bereits Ende des 19. und Anfang des 20. Jhs. stattfanden, begann eine systematische Untersuchung erst durch die Egypt Exploration Society (EES) in den 1960er-Jahren. Dabei wurden ptolemäisch-römische sowie im Tempelbereich auch saitische Baureste durch V. Seton-Williams und D. Charlesworth freilegt. Zwar fanden sich in den Untersuchungen keine Strukturen , die älter als die die 3. Zwischenzeit sind, aber gelegentliche Einzelfunde ließen bereits die Existenz einer frühzeitlichen Siedlung vermuten. Arbeiten der Universität Tanta und der ägyptischen Altertümerverwaltung (SCA, heute MoA ) förderten seit den 1980er-Jahren im Tempelbereich auch Architektur- und Statuenteile aus dem Neuen Reich zutage, jedoch konnten keinerlei Baustrukturen oder andere Siedlungsreste aus dieser Zeit feststellt werden.

Das DAI Kairo arbeitet seit 1983 in Buto. Schwerpunkt war die Erforschung der vor- und frühgeschichtlichen Perioden und insbesondere Fragen zur Herausbildung des ägyptischen Staats. In den ersten Jahren unter T. v. d. Way (1983–1992), und D. Faltings (1993–1998) bzw. M. Ziermann (1997/1998) wurden dafür mehrere Schnitte in verschiedenen Bereichen des Siedlungshügels, aber vorwiegend am Westrand, in der Nähe des Dorfes Sechmawy angelegt. Dabei konnte erstmals die bis dahin nur aus der Umgebung von Kairo bekannte unterägyptische Maadi-Kultur der ersten Hälfte des 4. Jts. v. Chr. im Nildelta nachgewiesen werden. Parallel dazu wurde von J. Wunderlich ein von der Volkswagenstiftung gefördertes großräumiges Projekt zur Landschaftsgeschichte des westlichen Nildeltas durchgeführt, das auch erste landschaftsarchäologische Informationen für die nähere Umgebung Butos lieferte.

Bei Sechmawy wurde unter der Leitung von U. Hartung (1999–2019) erstmal eine Flächengrabung durchgeführt (sog. E-Schnitte). Gleichzeitig begann eine systematische Untersuchung der antiken Siedlungstopografie mithilfe von Bohrungen und geomagnetischen Begehungen, die zusammen mit T. Herbich (Polnische Akademie der Wissenschaften, Warschau) durchgeführt wurden. Diese Untersuchungen konzentrierten sich bislang vor allem auf die westliche Hälfte des Fundplatzes. Die Forschungen werden seit 2019 durch C. Jeuthe fortgesetzt und konzentrieren sich auf das Alte Reich.

Kooperationsprojekt zu der späten Geschichte Butos

Die detaillierte Erkundung der späten Geschichte Butos ab der ptolemäischen Zeit ist Ziel eines Projekts der Universität Paris Nanterre / Institut français d’archéologie unter der Leitung von P. Ballet und L. Mazou. Die seit 2001 stattfindenden Arbeiten decken dabei die urbane Entwicklung ab, die kurz vor der Zeit Alexanders des Großen einsetzt und mit der Aufgabe Butos in der frühen islamischen Zeit endet. Die ersten Arbeiten konzentrierten sich auf verschiedene Keramikwerkstätten aus der römischen Zeit. Diese Untersuchungen und vor allem die Einbindung der Werkstätten in die Stadttopografie bildeten die Grundlagen für weitere Forschungen zu den Wohnvierteln in der ptolemäischen und römischen Zeit. Ausgrabungen im zentralen Bereich des Siedlungshügels deckten neben Wohn- und Lagergebäuden auch Installationen von Metallwerkplätzen auf. In Kooperation mit dem ANR Balnéorient wurden auch die Bäder nochmals durch Ausgrabungen untersucht. Hier brachte vor allem die Übergangsphase von der ptolemäischen zur römischen Epoche signifikante neue Erkenntnisse. Weitere Arbeiten, insbesondere systematische Begehungen des zentralen Kom-Bereichs helfen bei der Rekonstruktion der Siedlungsentwicklung ab der Spätzeit, in der sich die Verringerung der Siedlungsfläche deutlich abzeichnet.

Aktuelle Forschungen zu Buto im Alten Reich

Bislang war das Alte Reich vor allem durch die Bohrungen erfasst, die U. Hartung in den frühen 2000er Jahren durchgeführt hatte. Untersuchungen im Norden stießen auf Elitegräber der Spätzeit, die in Schichtungen des Alten Reichs einschnitten. Erst 2021 konnten die Arbeiten, nun unter der Leitung von C. Jeuthe, fortgesetzt werden und basierend auf den bisherigen Ergbnissen wurde ein etwa 10 x 20 m großer Schnitt angelegt, dess Fläche kaum durch spätere Eingriffe gestört ist (sog. Schnitt J4). Die ersten Kampagnen legten so das Fundament einer Umfassungsmauer möglicherweise mit Torbau der Spätzeit zu, die wahrscheinlich zu dem Elitefriedhof gehört. Bis auf wenige wahrscheinlich teils spätzeitliche, teils römische und oft stark verlagerter Reste von einfachen Körperbestattungen datieren die weiteren Schichtungen in die späte 5. Dyn oder beginnende 6. Dyn. In dieser Phase sind Teile eines Wirtschaftsbereichs mit Silo erfasst. Er gründete auf einer massiven Schichtung von Abfallschüttungen, in denen sich vor allem nahezukomplette Biergefäße,  Brotformen, Tierknochen ausgewählter Körperteile als auch hohe Mengen von ungestmeplten Versiegelungen befanden. Diese sehr homogene Zusammensetzung deutet nicht auf alltägliche Sieldungsformen hin, sondern kann vielmehr auf (kultische) Festitäten unmittelbar nördlich der Grabungsfläche hindeuten; ein Bereich der durch die spätzeitlichen Bauten zerstört ist.

Weitere Grabungen in dem Gebiet sind geplant.

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Ausgrabungen am Nordrand des Koms in 2007. © DAI Kairo // U. Hartung
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Abendstimmung in Buto. © DAI Kairo // U. Hartung
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Die Ausgrabungen der E-Schnitte in 2013. © DAI Kairo // U. Hartung
Ausgrabungen der ältesten Siedlungsphasen
Ausgrabungen der ältesten Siedlungsphasen. © DAI Kairo // U. Hartung
Blick nach Süden über die französischen Ausgrabungen eines Lagergebäudes
Blick nach Süden über die französischen Ausgrabungen eines Lagergebäudes. © Mission française de Bouto/Ifao // G. Pollin
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Blick zum Kom von Norden aus. © DAI Kairo // U. Hartung
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Der Kom in Buto in den 90er Jahren. © DAI Kairo // U. Hartung
Heutige Oberfläche in Buto
Heutige Oberfläche in Buto. © DAI Kairo // U. Hartung
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Muschelfunde aus Grabungen der 3. Zwischenzeit. © DAI Kairo // U. Hartung
Magnometerplan der späten Besiedlung und die wesentlichen Bereiche Butos
Magnometerplan der späten Besiedlung und die wesentlichen Bereiche Butos. © DAI Kairo // U. Hartung