Nachantike Stadtentwicklung von Baalbek/Heliopolis

Blick vom Grabungsareal Bustan Nassif auf das Südtor des im Mittelalter zur Zitadelle ausgebauten römischen Jupiterheiligtums. © Baalbekprojekt BTU/DAI // K. Rheidt

Ergebnisse

Größere Veränderungen an der Stadtstruktur fanden im Zuge langfristigen gesellschaftlichen Wandels statt, so auch im Kontext der Christianisierung, die sich in Baalbek vom 4. bis 6. Jh. hinzog. Dabei wurden im Zusammenhang mit der Christianisierung antiker Tempel und der Errichtung von Kirchen an signifikanten Punkten der antiken Stadt neue Straßen angelegt. Diese neu geschaffenen Ankerpunkte und Verkehrsadern prägen auch die Struktur der mittelalterlichen Stadt. Dies lässt sich exemplarisch an den Grabungsbefunden im Bustan Nassif nachvollziehen, wo die Säulenstraße, die ursprünglich zur byzantinischen Basilika im Altarhof führte, immer weiter zugesetzt wurde und schließlich als enge Gasse die mittelalterlichen Zitadelle erschloss.

Einen wichtigen Beitrag leisten die neuen bauforscherischen Untersuchungen zum Verständnis der historisch überlieferten Blütezeiten der Stadt. So wird deutlich, dass der Neubau der Stadtmauer im 12. Jh. zwar mit einer Verkleinerung des Stadtareals einherging, diese jedoch rein strategische Gründe hatte, denn gleichzeitig begann die Verdichtung der Stadtbereiche intra muros. Inschriften und Schriftquellen vermitteln das Bild einer blühenden Stadt in ayyubidischer und mamlukischer Zeit, deren Reichtum sich auf die Verarbeitung und den Handel mit landwirtschaftlichen Produkten gründete. Die Verwurzelung im ländlichen Umland wird an den ländlich geprägten mittelalterlichen Wohnhäusern im Bustan Nassif deutlich. Andererseits entwickelte sich Baalbek seit ayyubidischer Zeit zu einem wichtigen geistig-religiösen Zentrum, was sich anhand historischer Quellen und einer nahezu hauptstädtischen Gebäudeausstattung mit Hammam-Anlagen, Krankenhäusern, Moscheen und Lehreinrichtungen nachvollziehen lässt.

Die zweite nachantike Blütezeit der Stadt im 19. Jh. lässt sich mit den Tanzimatreformen begründen. Die neuen politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen spiegeln sich in Baalbek vor allem durch das Auftreten des Zentralhallenhauses wider und zeigen sich auch in der Stadtstruktur, denn das Zentrum der spätosmanischen Stadt bildete nicht mehr die Freitagsmoschee sondern befand sich am Platz vor dem Serail.

Besonders interessant für die spätosmanische Zeit ist die Beobachtung, dass sich nicht alle Bereiche der Stadt ähnlich entwickelten, sondern dass die Zentralhallenhäuser vor allem im christlichen Teil gebaut wurden. Gleichzeitig wurden die muslimisch dominierten Altstadtviertel mit Wohnhäusern in einer in der ländlichen Beqaa verwurzelten traditionellen Bauweise verdichtet, die auf eine landwirtschaftliche Lebensgrundlage der Bewohner schließen lässt.

So wie hier exemplarisch gezeigt, gelingt es für viele weitere bauhistorische Befunde die historischen Zusammenhänge zu rekonstruieren und daraus Erklärungsmodelle für die städtebauliche Entwicklung abzuleiten. Jedoch gibt es Phänomene der Stadtentwicklung, wie die städtebauliche Spaltung der spätosmanischen Stadt und ihr Zusammenhang mit der konfessionellen Ausrichtung ihrer Bewohner, deren Erklärung weiterer disziplinübergreifender Forschungen bedarf.