Felsinschriften und Felsbilder der Region von Assuan

Die Inschrift des Iyi-seneb beginnt mit einer sog. Opferformel, einer Bitte um die Gewährung gewisser Gnaden, welche an Osiris und die Götter der Katarakttriade (Chnum, Satet und Anuket) gerichtet war. Im unteren Teil des Tableaus sind in zwei Registern Iyi-seneb selbst und zehn seiner Familienangehörigen abgebildet sowie mit Namensbeischriften versehen. © DAI Kairo // Linda Borrmann

Ergebnisse

In jährlich stattfindenden ein- bis zweimonatigen Feldkampagnen wurden in der Assuaner Region seit 2010 drei Fundplätze pharaonischer Felsinschriften und -bilder epigraphisch und archäologisch dokumentiert: die Gegend Tabyat al-Sheikh östlich des alten Staudammes, das Gebiet der königlichen Felsstelen in Südassuan sowie die südöstlichen Felshügel der Nilinsel Sehel. Darüber hinaus sind zwischen 2010 und 2016 auch mehrere Felsbildfundplätze auf dem Westufer im Wadi Berber untersucht worden.

Tabyat al-Sheikh

Der Ort Tabyat al-Sheikh liegt im Süden der Stadt Assuan auf dem Ostufer des Nils und schließt nördlich an die Ebene und Bucht von Schellal an. Landschaftlich wird diese optisch eindrückliche Gegend von hoch aufragenden, wollsackverwitterten Granitformationen bestimmt, welche ebene sandige Flächen rahmen, die heutzutage zum Großteil künstlich bewässert und landwirtschaftlich genutzt werden. Weithin sichtbar bieten sich im Gelände noch die hier gut erhaltenen Reste der antiken Mauer zwischen Philae und Assuan dar, welche nach Horst Jaritz in ihrer ersten Bauphase vermutlich in die Zeit des Mittleren Reiches datiert. Westlich von ihr findet sich auf den der Mauer zugewandten Oberflächen der Granitfelsen in unregelmäßigen Abständen eine Reihe von Felsinschriften ebenfalls des Mittleren Reiches. Die insgesamt 22 Inschriften lassen sich grob in zwei, sich ihrer Konzeption und Fertigungstechnik nach klar zu unterscheidende Gruppen gliedern.

Die erste der beiden umfasst große, zum Teil auffallend elaborierte Tableaus, welche vorrangig den Namen und die Titel des jeweiligen Inschrifteninhabers nennen. Darüber hinaus beinhalten sie zumeist eine sog. Opferformel, eine lange Liste von im Opfergebet eingeschlossenen Familienmitgliedern sowie eine bildliche Darstellung des Haupteigners. Ergänzt werden die Texte bisweilen durch zusätzliche Datumsangaben, eulogisch-biographische Phrasen oder einen Anruf an die Lebenden. Anhand der in den Inschriften enthaltenen prosopographischen Angaben erfährt man Grundlegendes zum Personenkreis, welcher während des Mittleren Reiches im Gebiet an der antiken Mauer zwischen Philae und Assuan tätig war und sich im Zuge dessen dort verewigte. So gehörte die Mehrheit der Inschriftenstifter ihren Titeln zufolge der lokalen Vertretung der ägyptischen Felderverwaltung an. Diese Dominanz ökonomisch relevanter Berufe deutet darauf hin, dass die Route entlang der alten Mauer für den Warentransport auf dem Landweg genutzt und offenbar von den örtlichen Verwaltungsbeamten kontrolliert wurde. Einige von ihnen (insbesondere die wr-mD-Smaw) waren zudem für die Durchführung von Expeditionen zuständig, welche den Transport von Gütern aus Nubien beziehungsweise Zentralafrika nach Ägypten sichern sollten. In der Gesamtschau der Texte und der sie einfassenden naturräumlichen Gegebenheiten kann zudem vermutet werden, dass in der Ebene von Tabyat al-Sheikh Güter nicht nur umgeschlagen, sondern im Schutz der Granitfelsen und der nach Philae verlaufenden Befestigungsmauer auch gelagert wurden. In diesem Zusammenhang von herausragendem historischem Interesse sind die Gedenkinschriften zweier hoher Beamter, des Sehetep-ib-Re und des Iyi-seneb, in denen diese sich ihrer beruflichen Verdienste und ihrer Königstreue rühmen. Beide, in direkter Nachbarschaft zueinander in den Stein geschlagen, datieren in das 24. Regierungsjahr Amenemhets III. (2. Hälfte des 19. Jhs. v. Chr.). Offenbar hatte die beiden Amtskollegen zu dieser Zeit eine staatlich organisierte Handelsexpedition von Assuan in die südlichen Anrainerstaaten geführt. Nach erfolgreicher Rückkehr setzten sie sich schließlich am Ausgangspunkt ihrer Reise mit ihren Felsinschriften ein weithin sichtbares Denkmal.

Gänzlich ohne einen Textteil bietet sich in Tabyat al-Sheikh hingegen eine zweite Gruppe von Inschriften dar. Diese zeigen vereinzelte, von rechteckigen Begrenzungslinien eingefasste männliche Figuren. Ganz im Gegensatz zu den Abbildungen, welche die hieroglyphischen Inschriften begleiten, wirken jene allerdings ungelenk gezeichnet und entsprechen in ihren Körperproportionen nicht dem gängigen pharaonischen Kanon. Es ist daher nicht abwegig, anzunehmen, dass an diesen Stellen ein semi-literates Publikum verstand, welchem Zweck die Felsinschriften dienten, und ebenfalls an diesem Diskurs Anteil haben wollte. Ohne die erforderlichen Texte jedoch vollständig lesen oder reproduzieren zu können, orientierte man sich an der rechteckigen Form der eingemeißelten Tableaus und kopierte, was den eigenen Fähigkeiten entsprach: das Bildnis eines aufrecht schreitenden Mannes als Repräsentation der eigenen Person.

Königliche Felsstelen in Südassuan (sog. Royal Stelae)

Der Fundplatz der sogenannten Royal Stelae befindet sich, etwa auf Höhe der Südspitze Sehels gelegen, auf dem Ostufer im südlichen Stadtgebiet Assuans. Östlich einer viel befahrenen Ausfallstraße erheben sich dort inmitten eines dicht bebauten Wohngebietes zwei Gruppen von Granitfelsen, die sowohl durch historische Steinbruchstätigkeit als auch moderne Baumaßnahmen deutlich in Mitleidenschaft gezogen worden sind. Auf ihren noch intakten Oberflächen bieten sich dennoch insgesamt zehn hieroglyphische Felsinschriften dar, darunter auch vier, für den Standort namensgebende königliche Stelen des Neuen Reiches (13. bis 15. Jh. v. Chr.).

Die Felsstelen aus den Regierungszeiten Thutmosis‘ II., Amenophis‘ III. und Ramses‘ II. wie auch deren Bildfelder sind allesamt mit dem Thema ägyptischer Außenpolitik sowie dem Verhältnis des Landes zu seinen Nachbarstaaten befasst, unterscheiden sich allerdings sowohl ihrem Texttyp als auch dem Grad ihrer Formelhaftigkeit nach. Während etwa die Monumentalinschrift Ramses‘ II. in stark idealisierten Phrasen die Überlegenheit des ägyptischen Staates und seines Königs preist und dabei die Gesamtheit aller Fremdländer allgemein als unterlegen darstellt, beschreibt die Stele Thutmosis‘ II. aus seinem ersten Regierungsjahr in detaillierter Weise ein konkretes historisches Ereignis. Es wird unter anderem davon berichtet, wie sich nach dem Tode seines Vaters, Thutmosis I., ein Aufstand in den besetzten nubischen Gebieten erhob. Als dies dem Herrscher gemeldet worden war, entsandte dieser ein Heer, um die Rebellion blutig niederzuschlagen und die Ordnung in dem südlichen Fremdland wiederherzustellen. In dem elaborierten, 17 Zeilen langen Textfeld wird durch die chronologische Schilderung der Ereignisse demnach ein authentischer Eindruck von der Lage Nubiens zu Beginn der Regierungszeit Thutmosis' II. vermittelt.

Vor dem Hintergrund des thematischen Schwerpunktes der königlichen Gedenkinschriften mag es kaum verwundern, dass sie an prominenter Stelle, nämlich im Kontext der antiken Straße von Philae nach Assuan in den Stein geschlagen worden sind. Dieser nämlich kam als wichtigste Handelsroute sowohl bei wirtschaftlichen Expeditionen als auch militärischen Kampagnen in den Süden eine zentrale strategische Rolle zu. Zudem liegen die Inschriften, nach Osten in Richtung der ausgedehnten Granitsteinbrüche gewandt, vermutlich an der sensiblen Schnittstelle zwischen internem und externem Stadtbereich und blicken somit ins feindliche „Außen“, woher im Grenzgebiet stets Gefahr drohte. Der Abwehr dieser Gefahr versicherte man sich nicht nur durch den symbolischen Ausschluss der potentiell riskanten Gebiete hinter einer markierten Grenze, sondern offenkundig auch durch Visualisierung der eigenen nationalen Dominanz unter dem Schutz des Königs und der ihm gewogenen Götter. Es ist daher anzunehmen, dass die hier angebrachten Texten in besagtem landschaftlichen Kontext einen apotropäischen Charakter besaßen.

Gemessen an ihrer augenfälligen historischen Bedeutung ist die wissenschaftliche Erforschung der Royal Stelae allerdings über einen langen Zeitraum eher einseitig betrieben worden. Zwar sind die Texte vielerorts in substantieller Weise diskutiert worden, man verließ sich bei ihrer Besprechung aber größtenteils auf die handschriftlichen Kopien des 19. Jahrhunderts. Erst 2007 war ihr Fundplatz von Andrea Klug erneut besucht und die fraglichen Inschriften erstmals seit über 100 Jahren wieder in Augenschein genommen worden. Dabei stellte sich alsbald heraus, dass in den bisherigen Abschriften Passagen mitunter fehlerhaft gelesen oder zum Teil auch komplett übersehen worden waren. Angesichts dessen schien eine erstmalig vollständige epigraphische Dokumentation dieser herausragenden Texte ein dringendes Desiderat ägyptologischer Forschung zu sein. Besondere Brisanz erhielt das Vorhaben, da das Areal der Felsstelen akut davon bedroht war, als Baugrund für das sie umgebende, rasant anwachsende Wohnviertel genutzt zu werden. Dank der finanziellen Unterstützung des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland konnten die Granitfelsen jedoch bereits im Herbst 2011 mit einem Metallzaun gesichert und so als Gelände unter dem Schutz des ägyptischen Antikenministeriums gekennzeichnet werden. In zwei anschließenden Feldkampagnen wurden die hiesigen Felsinschriften daraufhin faksimiliert, beschrieben und photographiert, wodurch die Grundlage für eine profunde Neuedition geschaffen wurde, welche in naher Zukunft vorgelegt werden soll.

Insel Sehel

Insgesamt sechs Wochen, verteilt auf zwei Feldkampagnen im Herbst 2014 und Frühjahr 2015, war ein Team des Projektes “Felsinschriften und Felsbilder der Region von Assuan” des Deutschen Archäologischen Instituts Kairo auf der Insel Sehel tätig.

Sehel, eine der größeren Felseninseln im Gebiet des Ersten Katarakts, liegt ca. 2 km südlich von Elephantine auf halbem Wege zwischen der modernen Stadt Assuan und dem alten Staudamm („Low Dam“). Berühmtheit erlangte die Insel als Fundort mehrerer hundert antiker Felsinschriften und -bilder, welche von der prähistorischen bis griechisch-römischen Zeit, vor allem aber im Neuen Reich, in die Oberflächen der sich hier hoch auftürmenden Granitformationen geschlagen worden sind.

Zahlreiche Forscher haben sich seit seiner Entdeckung mit dem epigraphischen Erbe Sehels befasst. Zuletzt veröffentlichten im Jahr 2007 Annie GASSE und Vincent RONDOT vom Institut français d'archéologie orientale (IFAO) einen ausführlichen Katalog, in welchen 551 Inschriften und Bilder Aufnahme fanden. Bei der Durchsicht der publizierten Texte jedoch fiel auf, dass einige Kopien noch beträchtliche Lücken aufweisen oder einer Kollation am Stein bedürfen. Darüber hinaus ergaben sich aus dem Material weiterführende Fragen hinsichtlich der räumlichen Anordnung von Inschriften und Inschriftenclustern, deren Bezugnahme untereinander sowie ihre Einbettung innerhalb der sakralen Landschaft der Insel, welche sich unter Zuhilfenahme der Publikation nicht klären ließen. All dies begründete letztlich die Entscheidung, den Fundplatz Sehel im Herbst 2014 noch einmal zum Gegenstand epigraphischer Feldforschung zu machen.

Im Rahmen dieses ersten Aufenthaltes war es möglich, einige dutzend der bedeutendsten Felsinschriften Sehels zu kollationieren, bisherige Lesungen zu verbessern und Lücken in den bislang veröffentlichten Abschriften zu schließen. Im Ergebnis konnten auf diese Weise vornehmlich neue Namen und Titel zum bestehenden Sehel-Corpus hinzugefügt und so ein Beitrag zu einer Prosopographie des Personenkreises geleistet werden, der sich während des Mittleren und Neuen Reiches beruflich im Assuaner Raum aufhielt und sich im Zuge dessen am Kultort der regional verehrten Göttin Anuket verewigte.

Im Frühjahr 2015 schließlich fanden zusätzlich ausgedehnte Surveys im Bereich des zentralen Felshügels von Bibi Tagug statt, die sich auf drei Areale – die südliche Bucht zwischen Hussein Tagug und Bibi Tagug, Bibi Tagug Süd und Bibi Tagug Ost – konzentrierten. Hierbei konnten in den betreffenden Gebieten insgesamt 24 bislang unbekannte hieroglyphische Felsinschriften (überwiegend aus dem Alten Reich und Mittleren Reich) sowie 65 dynastische Felsbilder entdeckt werden. Letztere zeigen in der Mehrheit eine bis vier stehende männliche Figuren, welche sich in Tracht, Armhaltung und den beigefügten Attributen unterscheiden können. Zu den wichtigsten Funden der Kampagne gehört zudem ein natürlicher Unterstand im Felshang von Bibi Tagug Süd, dessen rückwärtige Wand fast vollständig mit mehr als 30 Darstellungen anthropomorpher Figuren bedeckt ist, die sich teilweise gegenseitig überschneiden und überlagern.

Die hohe Anzahl an neu entdeckten Felsbildern und die Tatsache, dass sie nicht vereinzelt auftreten, sondern sich auf drei auffällige Cluster im Osten und Süden von Bibi Tagug verteilen, stellen einen signifikanten neuen epigraphischen Befund dar. Es steht zu vermuten, dass seit dem Alten Reich ein auf Sehel eingesetztes, illiterates oder semiliterates Personal die Oberflächen der lokalen Granitfelsen nutzte, um sich selbst auf ihnen im Bild darzustellen. Die Motivik ist zu diesem Zweck zwar vereinfacht, aber wohl doch der unmittelbaren Lebensrealität der Abgebildeten entlehnt: Gezeigt werden Aufseher, Polizisten und Bootsleute bei ihrer Arbeit im Gebiet des Ersten Katarakts. Deutlich tritt hierin der enge Bezug zur Nutzung der Insel als wichtigem Kontrollpunkt an der Südgrenze des ägyptischen Staates zutage, von dessen hoch gelegenen Felsplateaus aus man das Grenzgebiet und den hiesigen Nilverlauf überwachen konnte. Die neu gefundenen Felsbilder leisten somit einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der wirtschaftlichen Bedeutung der Insel Sehel und geben Aufschluss über den Beginn der epigraphischen Nutzung ihrer Landschaft.

Felsbilder des Wadi Berber

Einführung

Im Rahmen des Projektes Felsinschriften und Felsbilder der Region von Assuan wurde seit 2010 in 5 Kampagnen auch das Wadi Berber untersucht. Dieses Wadi liegt auf der Westseite von Assuan und erstreckt sich, in dem Gallaba-Sandsteinplateau, entspringend ca. 1,3 km in südöstlicher Richtung bis es an den Nil mündet. Im Zuge der Prospektion wurden 1,7 km² des Wadis und seiner angrenzenden Bereiche untersucht, wobei über 350 Felsbilder und - inschriften an 24 Plätzen aufgefunden und dokumentiert werden konnten.

Ziele

Die Untersuchung zielte darauf ab, Felsbilder in ihrer räumlichen Situierung zu dokumentieren, um damit den Anbringungsort und die größere räumliche Einbettung der Bilder als notwendige semantische Komponente in die Interpretation einfließen lassen zu können.

Aus diesem Grund wurden nicht nur die Bilder selbst, sondern auch ihre landschaftliche Einbettung sowie die Charakteristiken des Platzes, an welchem sie angebracht wurden, dokumentiert. Dazu wurde neben den üblichen epigraphischen und beschreibenden Methoden auch auf eine digitale Aufnahme der Umgebung zurückgegriffen. In diesem Rahmen wurden Lascerscans der direkten landschaftlichen Umgebung und Laserscans sowie 3D-Modelle basierend auf der Structure-from-motion-Technik der einzelnen Felsbildstationen vorgenommen. Erstere ergaben die Grundlage für ein Digitales Höhenmodell, welches für weitere Verarbeitungen mit einem GIS (Geographischen Informationssystem) genutzt werden konnten.

Ergebnisse

Das Einzugsgebiet der Prospektion ließ sich in drei topographische Unterteilungen gliedern: der Wadieingang und die Hänge im Osten und Südosten zum Nil hin, der Hügelrücken mit den Steinbrüchen aus silifiziertem Sandstein des Gebel Tingar und das weite flache Sandsteinplateau im westlichen Hinterland.

Analog zu dieser topographischen Aufteilung fand sich ebenfalls eine stilistische, chronologische und inhaltliche Unterteilung, die auch auf divergierende funktionale Aspekte hinwies.

So überwogen an den Eingängen des Wadis (sowie einem weiteren Wadi im Norden) und an den Hängen der Sandsteinhügel figürliche Darstellungen, mit Tier- und Humanoidendarstellungen, einige davon in szenischen Zusammenstellungen mit Themen wie z.B. Jagd. Diese befanden sich meist an größeren Sandsteinauswüchsen und Plätzen, die eine Lagerung oder Rast ermöglichten.

Dagegen zeigten sich auf dem Gebel Tingar Steinbruch hauptsächlich Markierungen in Form von römischen Namen oder hieroglyphenähnlichen Zeichen. Diese befanden sich meist an Plätzen, welche alle Charakteristiken eines temporären Rastplatzes aufweisen und in vielen Fällen an kleineren Verkehrswegen gelegen sind, die es auch dem nur Vorbeigehenden ermöglichten, diese Zeichen zu sehen. Die dritte, größte, Gruppe wiederum machten geometrische Felsbilder aus, welche auf dem Plateau im Hinterland auf über 45 horizontal liegenden Sandsteinplatten verteilt sind.

Chronologisch und funktional läßt sich zumindest grob eine Entwicklung angeben, in der beginnend mit dem ptolemäischen, römischen und eventuell koptischen Repertoire, deutlich zu sehen ist, daß hier eine kurzzeitige, intensive Nutzung des Gebel Tingars als Steinbruch zu Markierungen führte, die sich einerseits im Rahmen der Kennzeichnung der Anwesenheit oder Besitzkennzeichnung von Personen oder Gruppen bewegten. Andererseits in Form von Steinbruchmarken eine weniger eindeutige Funktion übernahm, die sich auch im Bereich der magischen oder apotropäischen Nutzung bewegen könnte.

Die dynastische Nutzung des Gebietes konzentrierte sich dagegen hauptsächlich an den Hängen und dem Eingang des Wadis Berber. In den meisten Fällen scheinen die Markierungen der dynastischen Zeit im Wadi mit einer Durchquerung desselben in Verbindung gestanden zu haben, sei es, um zu den nahegelegenen Steinbrüchen oder zu den hinter dem Wadi gelegenen Verbindungswegen nach West und Süden zu gelangen. Die hier angebrachten Felsbilder, z.B. szenische Darstellungen einer Nilpferdjagd, scheinen dabei als graphische Erinnerungshilfen verwendet worden zu sein, um bestimmte identitätsstiftende Ereignisse oder Erzählungen abzubilden. Ein herausgehobener Platz mit dynastischer Verwendung verweist sogar auf eine rituell–religiöse Funktion, die in Anknüpfung an die rituelle Landschaft des Mittleren und Neuen Reiches um Elephantine herum stand.

Am deutlichsten läßt sich jedoch eine im weitesten Sinne prähistorische Nutzung oder eine solche, welche sich außerhalb des dynastischen Kanons bewegt, in diesem Gebiet fassen. Diese ist verteilt auf zwei sehr unterschiedliche Bereiche: das Hinterland des Westbereiches einerseits und den Mündungsbereich des Wadis Berber andererseits.

Die figurativen Darstellungen am Mündungsbereich des Wadis können als Ausdruck gruppenspezifischer Abgrenzungen oder Identitätszuordnung gesehen werden, der in einem Zusammenhang mit einer regelmäßigeren oder längerfristigen Benutzung der Plätze in Verbindung steht, wie eine wiederholte Anbringung von Figuren nahelegt. Insbesondere die narrativ anmutenden Szenen könnten in diesem Zusammenhang als graphische Erinnerungshilfe agiert haben, um an Jagd- oder andere Ereignisse zu erinnern. Des Weiteren finden sich einige Plätze, welche als reine Markierungsorte verstanden werden können. Die konkreten Inhalte dieser „Informationsschilder“ zu deuten, fällt dabei schwer. Sowohl territoriale Hinweise als auch solche auf Jagdgründe oder Reisewege erscheinen vorstellbar.

Die größtenteils geometrischen Figuren auf dem westlich gelegenen Plateau dagegen scheinen aufgrund des Motivkomplexes und der horizontalen Lage der Panels keine rezipientenorientierte Kommunikation intendiert zu haben. Die Bilder liegen zwar verkehrsgünstig an einem der Wege zur Sikket el–Agamiya oder der el–Deir–Straße, die jeweils nach Süden und Südwesten führen, ihre Verwendung innerhalb einer solchen Platzierung bleibt jedoch schwer zu rekonstruieren. Insbesondere deshalb,weil das Gebiet keinerlei Charakteristiken für einen Lager- oder Rastplatz aufweist. Allgemein lassen sich diese Bilder jedoch in einen größeren Fundkomplex ähnlicher Fundstellen entlang des gesamten Hinterlandes von Gharb Assuan einordnen.

Downloads

The Royal Stelae in Aswan_Leaflet_eng (pdf)

eFB14-3 Seidlmayer_Assuan Stelen (pdf)

Rock inscriptions_Report_2011-2012 (pdf)

Rock Inscriptions_Report_2014-2015_eng (pdf)

eDAI-F 2018-2 Seidelmayer (pdf)

Döhl_Wadi Berber_Edition TOPOI_2013 (pdf) Rebecca Döhl, "Digitale Aufnahme von Landschaft und Felsbildgruppen mit Laserscanner und Structure-from-Motion im Wadi Berber, Ägypten", in: Undine Lieberwirth and Irmela Herzog (Eds.), 3D-Anwendungen in der Archäologie. Computeranwendungen und quantitative Methoden in der Archäologie. Workshop der AG CAA und des Exzellenzclusters Topoi 2013, Berlin: Edition Topoi, 2016, 45–58.

Rock Inscriptions_Report_2014-2015_Training Course_eng (pdf)

Rock Inscriptions_Report_2012-2013_eng (pdf)

The Island Sehel_Guide_eng (pdf)

Rock inscriptions_Report_2013-2014_eng (pdf)

The Royal Stelae in Aswan_Broschüre_arab (pdf)

Rock inscriptions_Report_2010 (pdf)

eDAI-F2016-3_Borrmann_Assuan.pdf (pdf)