Raum & Zeit
Die Region um Assuan, welche sich in etwa vom modernen Hochdamm Sadd el-Ali bis zum Eingang des Wadi Qubbaniye erstreckt, unterscheidet sich in geographischer Hinsicht eklatant von der Landschaft der nördlich anschließenden ägyptischen Gebiete. Tief hat der Nil hier in den anstehenden Nubischen Sandstein hineingeschnitten und ein derart enges Tal hinterlassen, dass es Raum nur für einen schmalen Fruchtlandstreifen und dementsprechend geringe Ackerflächen bietet. Gleichzeitig tritt unterhalb des Sandsteinplateaus eine Aufwölbung magmatischen Tiefengesteins (Granit, Diorit, Gneiss) an die Oberfläche, welche ebenfalls – an ihrer Westseite – vom Nil durchbrochen wird. Die dadurch entstandenen Felseninseln und Untiefen innerhalb des Flussverlaufs, der sogenannte Erste Katarakt, stellten in der Folge eine natürliche Barriere für den Schiffsverkehr dar, die man zumeist auf dem Landweg umging. Eine zu diesem Zweck angelegte Straße führte von der Bucht im Süden Assuans bis zum Hafen von Schellal (gegenüber der Insel Philae gelegen) und war vermutlich bereits seit dem Mittleren Reich durch eine parallel verlaufende Grenzmauer gesichert, um die ägyptischen Waren- und Truppentransporte vor feindlichem Zugriff zu schützen.
Das wirtschaftliche Zentrum der Region bildete seit frühdynastischer Zeit (ca. 3000 v. Chr.) die auf der gleichnamigen Nilinsel gelegene antike Stadt Elephantine, bis sich im Verlauf der 18. Dynastie eine ihr angeschlossene Siedlung auf dem Ostufer unter dem Namen Swnw/Syene (heute Assuan) als eigenständige Ortschaft formierte. In ptolemäisch-römischer Zeit dann verlagerte sich der Schwerpunkt des überregionalen Handels sowie der regionalen Verwaltung immer mehr ans Festland, so dass schließlich Syene Elephantine in seiner einstigen Vormachtstellung ablöste.
Die Geschichte der epigraphischen Nutzung der Assuaner Felslandschaft reicht weit zurück. Wahrscheinlich bereits ab dem 6. Jahrtausend v. Chr. hatten nicht-sesshafte, aus den westlichen Wüstengebieten ins Niltal einwandernde Kulturgruppen damit begonnen, in den Sandsteinplateaus des Westufers ihre Zeichen, vornehmlich geometrische oder figürliche Darstellungen, zu hinterlassen, um vermutlich auf diese Weise eigene territoriale Ansprüche oder die Plätze ihrer sozialen Landschaft zu markieren. Diese Tradition setzte sich jedoch auch in späteren Epochen fort, so daß sich auch noch in pharaonischer und ptolemäisch-römischer Zeit die in Stein gehauenen Überreste dieser Form der Kommunikation finden. Genauer betrachtet hat sich jene Praxis der Auseinandersetzung mit der Landschaft bis in moderne Zeiten erhalten, wie Inschriften und Bilder aus dem 19. Jahrhundert verdeutlichen.
Nach der Formierung des ägyptischen Staates und eines verbindlichen Schriftsystems wurden im Alten Reich (ca. 2750 bis 2200 v. Chr.), anfangs noch zögerlich, in den späteren Epochen jedoch exzessiv, vor allem die Oberflächen der großen Granitfelsen zur Anbringung von Texten und Bildern genutzt. Die überwiegend kurzen, formelhaften Inschriften bestehen dabei mehrheitlich aus personenbezogenen Daten wie Namen und Titeln von Beamten, die in der lokalen Stadt- und Tempelverwaltung, im Militär oder den hiesigen Steinbrüchen beschäftigt waren. Daneben allerdings finden sich auch elaborierte Tableaus, welche von ägyptischen Feldzügen gegen das feindliche Nubien, wirtschaftlichen Expeditionen in rohstoffreiche Nachbarländer oder dem Granitabbau und Transport steinerner Staatsmonumente stromabwärts berichten. Die Spuren inschriftlichen Wirkens im Raum Assuan aber brechen nicht etwa mit dem Ende des pharaonischen Ägyptens ab, sondern setzen sich auch darüber hinaus fort. Ob meroitische, lateinische, griechische, koptische oder arabische Graffiti und Inschriften: das Spektrum der epigraphischen Kulturen ist denkbar weit aufgespannt und reicht zeitlich bis an die Anfänge der Moderne heran.
Projekt exportieren