Raum & Zeit
Die Entdeckung mehrerer paracaszeitlicher Fundorte auf der gleichnamigen Halbinsel Anfang des 20. Jahrhunderts führte zu einer regen Nachfrage nach den reich verzierten Keramiken und Textilien auf dem Kunstmarkt. Bis 1940 hatte sich bereits eine stattliche Anzahl von privaten und staatlichen Sammlungen formiert, die über durch Raubgräbereien gewonnene Paracas-Artefakte verfügten. Gleichzeitig begann auch die Wissenschaft, sich für die Paracas-Kultur zu interessieren. Bereits 1901 führte Max Uhle erste Grabungen im Ica-Tal durch. Die erste systematische Erforschung der Paracas-Halbinsel und die Definition der gleichnamigen Kultur ist jedoch untrennbar mit dem Namen Julio C. Tello verbunden. Von 1925 bis 1931 führten Tello und Toribio Mejía Xesspe die ersten wissenschaftlichen Grabungen in dieser Region durch. Bei den Arbeiten stießen sie auf zwei unterschiedliche Keramikstile, die sie nach ihren Fundorten Paracas Cavernas und Paracas Necrópolis benannten. Da die in einer Kombination aus Ritzverzierung und polychromer Nachbrandbemalung verzierte Cavernas-Keramik stilistische Verwandtschaft zur Chavín-Kultur zeigte, die monochrome, nicht geritzte Necrópolis-Keramik hingegen zur Keramik der Nasca-Kultur, verwendete Tello die Keramik als Grundlage der ersten relativen Chronologie der Paracas-Kultur mit der älteren Phase Paracas Cavernas und der jüngeren Phase Paracas-Necrópolis.
Weitere Arbeiten während der 1950er und 1960er Jahre führten zur Entdeckung zahlreicher neuer Fundorte, in der mit der Paracas-Kultur verwandte Elemente auftraten. Sie umfassten die Täler zwischen Cañete im Norden und Acarí im Süden mit dem Kerngebiet der Täler von Nasca, Ica und Pisco und führte damit zur Begrenzung der „Südküste“ als Kulturraum. Im Jahr 1964 veröffentlichten Dorothy Menzel, John H. Rowe und Lawrence E. Dawson eine erste detallierte, unabhängige Studie zur paracaszeitlichen Keramik des Ica-Tals mit den Stilphasen Ocucaje 1 bis Ocucaje 10. Die für die Seriation verwendeten Daten basierten jedoch im Wesentlichen auf den in privaten und staatlichen Sammlungen anzutreffenden Keramikgefäßen raubgräberischer Herkunft, die keinen stratigrafischen Kontext oder sonstige gesicherte Felddaten aufweisen. Folgende, unabhängige Forschungen im Ica-Tal während der 1980er und 1990er Jahre haben weitere Inkonsistenzen dieser Stilchronologie aufgezeigt, sie wird jedoch mangels Alternativen bis heute angewendet.
Seit den 1980er Jahren wird über vergleichende, überregionale Studien vor allem US-amerikanischer Wissenschaftler versucht, die Vielfalt regionaler Entwicklungen in einen Zusammenhang zu bringen. Ziel ist es, Architekturmuster bzw. Siedlungsmuster zu definieren und mit einer konkreten funktionalen Zuordnung zu verbinden, um Einblicke in die Sozialstruktur der Paracas-Kultur auf lokaler wie regionaler Ebene zu erhalten. Weitgehend unverändert ist jedoch auch während dieser Epoche die starke Konzentration der Forschung auf die Küstenregion des Ica-Tals, umfassende Flächengrabungen wurden dort jedoch nicht vorgenommen.
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